Unliebsame Karriere einer Palme
iz3w, Sep./Okt. 2018
Indonesien und Malaysia im Clinch mit der EU
Palmöl gilt als vermutlich wichtigster Naturstoff zur Herstellung von biobasiertem Treibstoff. Jüngst empfahl das EU-Parlament, Palmöl künftig von der Agrartreibstoffproduktion auszuschließen – unter massivem Protest der Haupterzeugerländer.
von Yvonne Kunz und Janina Puder
Längst hat sich die Kundschaft auf die Aufschrift auf den Zapfsäulen der europäischen Tankstellen gewöhnt: Mindestens sieben Prozent des Diesels stammt aus Biomasse. Die sogenannte Beimischungsquote – also das Verhältnis von biogenen zu erdölbasierten Kraftstoffen im Dieselgemisch – ist seit jeher umstritten. Hinter dem Streit steht die Frage, wie der Verkehrssektor angesichts der globalen Klimaerwärmung und der Endlichkeit fossiler Rohstoffe ökologischer gestaltet werden kann. Nun ist die Herstellung von Diesel vor allem auf der Grundlage von Palmöl erneut heftig umstritten.
Die Karriere von Palmöl als Energieträger begann 1997 in der EU. Damals wurde im Kyoto-Protokoll unter anderem das Ziel verabschiedet, bis 2020 die Kohlendioxid-Emissionen der EU um acht Prozent zu senken. Um diese Ziele praktisch umzusetzen, wurde seit 2000 in der EU, und besonders ambitioniert in Deutschland, die Nutzung von Biokraftstoffen als Alternative vor allem zu konventionellem Diesel diskutiert. Die Richtlinie 2003/30/EG zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen ist ein Ergebnis dieser Diskussion. Es zeigte sich jedoch, dass die Brachflächen nicht ausreichten, um den Bedarf an Biokraftstoffen zu decken. So nahm die Karriere von Palmöl ihren Lauf.
Indonesien und Malaysia sind mit einem Anteil von 85 Prozent an der weltweiten Produktion die beiden Giganten in Sachen Palmöl. Die große Nachfrage auf den globalen Märkten und die vergleichsweise niedrigen Löhne in den Landwirtschaften beider Länder machen den Palmöl-Wirtschaftszweig für staatliche und private Investitionen besonders attraktiv. Inzwischen wurde die ökonomische und entwicklungspolitische Bedeutung des Palmölsektors hier langfristig verankert. Beide Länder setzen mit verschiedenen Programmen auf die Förderung von weiterverarbeitenden Industrien im Inland. Dennoch bleibt der Export von Palmöl, vor allem nach China, Indien und in die EU, weiterhin von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung.
Die Vorgaben der EU zur Förderung von Biotreibstoffen beförderten den Anstieg der Anbauflächen für Palmöl in der Region zusätzlich. Palmöl wurde so für beide Staaten zu einer immer lukrativeren Einnahmequelle und damit zum vermeintlichen Allheilmittel gegen die ökonomischen und sozioökonomischen Probleme der Region. International wurde die Verwendung von Palmöl für Biokraftstoffevon beiden Ländern als ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel beworben.
Kehrtwende in der EU
2017 stellte das Parlament in Straßburg mit Besorgnis fest, »dass 46 Prozent des gesamten von der EU eingeführten Palmöls zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet wird, wofür die Nutzung einer Fläche von etwa einer Million Hektar in den Tropen erforderlich ist.« – eine Fläche etwas größer als Zypern. Was war geschehen?
Im Zeitraum von 1990 bis 2014 verdreifachte sich die Flache für die Palmölproduktion weltweit von circa sechs auf fast 21 Millionen Hektar. Die Europäische Kommission gab eine Studie in Auftrag und stelle fest: Der Landnutzungswandel, der durch die EU-Biokraftstoffregularien bis 2020 entstanden sein wird, beläuft sich auf 8,8 Millionen Hektar, davon entfallen acht Millionen auf neue Anbauflächen – eine Fläche größer als die Tschechische Republik. Nur ein geringer Teil des Palmölanbaus befand sich demnach auf bereits in Plantagen bewirtschafteten Flächen. Knapp drei Millionen Hektar Land wurden in Südostasien für den Ölpalmenanbau umgewandelt, die Hälfte davon waren ehemals Tropenwald und Torfböden. Also genau die Ökosysteme, die als CO2,·Speicher für den Klimaschutz wichtig sind.
Diese Entwicklung hat sozioökonomische, vor allem aber auch ökologische Folgen, die in früheren Szenarien der Biokraftstoffanalyse. nicht berücksichtigt wurden. Ein Problem ist der indirekte Landnutzungswandel: Wälder werden für den Nahrungsanbau gerodet, weil Felder und Weiden, auf denen bislang Futter-·oder Lebensmittel geerntet wurden, zu Palmölplantagen werden. Aktuelle Studien zeigen, dass durch den indirekten Landnutzungswandel die CO2-Bilanz für Agrosprit schlechter ausfällt, als dies für konventionellen Diesel der Fall wäre. Schlechter auch als bei alternativen Ölpflanzen wie Sonnenblumen oder Raps. Und das, obwohl der Ernteertrag der Ölpalme pro Hektar hoch ist. Diese Erkenntnisse machten es nötig, die Potentiale von Biokraftstoffen und deren Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele auf EU-Ebene neu zu bewerten. Heraus kam eine Empfehlung des EU-Parlaments an die Europäische Kommission, bis 2021 kein Palmöl mehr für Biodiesel zu verwenden.
Indonesien und Malaysia arbeiten seither mit Hochdruck daran, das Image von Palmöl aufzupolieren. So wollen die Länder dafür sorgen, dass die Empfehlung des Parlaments nicht gesetzlich fixiert wird . Das malaysische Bündnis Human Faces of Palm Oil wirft der EU Wettbewerbsverzerrung und Protektionismus vor. Durch das Verbot würden Kleinbauern und -bäuerinnen in die Armut getrieben und die selbst gesetzten Nachhaltigkeitsziele der EU seien nicht mehr umsetzbar. Eine Vertreterin der staatlichen Plattform zur Förderung von Bioökonomie in Malaysia, der Bioeconomy Corporation, sagte, dass sich Malaysia infolge des gesetzlichen Inkrafttretens des Palmöl-Verbots in der EU gegebenenfalls stärker auf den chinesischen Markt konzentrieren wolle. Im Vergleich zu den Importbedingungen für Palmöl in der EU sind die ökologischen und sozioökonomischen Standards zur Einfuhr nach China viel niedriger. So besteht China nicht auf zertifiziertem Palmöl. Dies öffnet Tür und Tor für die Produktion und den Export von Palmöl, welches teilweise in geschützten Regenwaldgebieten angebaut wird.
Indonesien droht derweil mit einem Handelskrieg. Bereits seit 2014 klagte Indonesien erfolgreich bei der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die EU bezüglich Antidumping-Zöllen und konnte seine Verhandlungsposition deutlich stärken. Im April 2018 entsandte der indonesische Präsident den koordinierenden Minister für maritime Angelegenheiten, Luhut Binsar Pandjaitan, zu einer Europareise, um in Berlin, Brüssel, Paris sowie im Vatikan zur»Besinnung« aufzurufen. »Rache zu nehmen ist nicht unsere Kultur, wir lassen uns aber auch nicht in die Ecke drängen«, sagte Pandjaitan gegenüber der Deutschen Welle in Anspielung auf die Ankündigungen Indonesiens, keine Airbusse mehr kaufen zu wollen, sollte es zu einem Verbot von Palmöl in Biokraftstoffen in der EU kommen. Seiner Meinung nach gehe es darum, eine »humanitäre Krise abzuwenden«, die das mögliche Verbot nach sich ziehen könne. Hinter dem Widerstand gegen das Verbot stehen jedoch in beiden Haupterzeugerländern prominente Interessen großer Ölpalm-Tycoons mit besten Verbindungen zur Politik. Pandjaitan selbst gründete 2004 das Unternehmen PT Toba Sejahtera, an dem er 99,98 Prozent Anteile hält. Das Tochterunternehmen PT Tritunggal Sentra Buana hält eine Minderheitsbeteiligung vor1 25 Prozent an Ölpalmplantagen in Ostkalimantan. Die Pflanzungen erstrecken sich über eine Fläche von 12.000 Hektar.
Der Streit um die Zukunft der südostasiatischen Palmölproduktion verdeutlicht zentrale Widersprüche, die nicht zuletzt die europäische Biökonomie-Strategie mit sich bringt. Er offenbart das Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Kapitalinteressen. Solange Bioökonomie-Konzepte wie die Malaysias in dominanten Narrativen verbleiben, die den Einklang von »People, Planet and Profit« ohne Wachstumsabstriche postulieren, wird sich der Interessenskonflikt nicht auflösen können. Es gilt eben auch, Nord-Süd-Hierarchien abzubauen und ökologische und soziale Aspekte gegenüber Kapitalinteressen zu priorisieren. Ein kürzlich veröffentlichter Brief von einem Zusammenschluss von verschiedenen indonesischen Gruppen an die indonesische Regierung und die EU weist in diese Richtung: »Wir stimmen den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen des Europäischen Parlaments zu. Die EU sollte sicherstellen, dass erneuerbare Energien nur aus Quellen stammen, die umweltfreundlich, gerecht und respektvoll im Umgang mit Menschenrechten sind. Palmölbasierte Biodiesel sind mit diesen Prinzipien nicht vereinbar.«
Yvonne Kunz ist Mitarbeiterin von Watch lndonesia!
Janina Puder forscht zu Bioökonomie und sozialen Ungleichheiten an der Universität Jena.