Suharto geht der Sprit aus

Jungle World, 13. Mai 1998

Bonn steht in Treue fest zu Suhartos Regime – aus alter Tradition

Petri Heil – zwei Angelfreunde

Von Alex Flor

Jungle WorldEine Strickjacke, die an Helmut Kohls Wanderurlaub mit seinem „Freund“ Michail Gorbatschow erinnern soll, ist im Bonner ‚Haus der Geschichte‘ bereits ausgestellt. Sollte es dem indonesischen Diktator Suharto wider Erwarten gelingen, die soziale Krise in seinem Lande politisch zu überleben, so könnte bald auch eine Angel zu den Ausstellungsstücken des Museums zählen. Denn wie Gorbatschow, Jelzin und andere von Kohl als bedeutende Akteure der Weltpolitik angesehene Männer zählt der Kanzler zu seinen persönlichen Freunden auch Suharto, von dem er sich gerne zum gemeinsamen Angeln auf dessen Privatinsel einladen läßt.

Die Freundschaft entstand in den fetten Jahren des fernöstlichen „Wirtschaftswunders“. Der Markt des 200 Millionen Einwohner zählenden Landes, sein Ressourcenreichtum, die in den 32 Jahren der Herrschaft Suhartos autoritär erzwungene politische „Stabilität“ und nicht zuletzt die „geostrategische Lage“ des Inselreiches ließen Indonesien neben China zu einem der meistumworbenen Partner der deutschen Wirtschaft werden. Gestützt wurde diese Euphorie durch eine Reihe von High-Tech-Industrieprodukten, die Indonesiens Forschungs- und Technologieminister Habibie mit großem finanziellen und logistischen Aufwand auf den Markt warf. So leistete sich das Land eine eigene Flugzeugindustrie, baute Satelliten und Fernmeldetechnologie, während die meisten Produkte des täglichen Bedarfs weiterhin importiert werden mußten.

Jusuf Habibie, der vor kurzem zum Vizepräsidenten gekürt wurde, studierte in Aachen Maschinenbau und machte danach eine steile Karriere beim Kernforschungszentrum Jülich und dem deutschen Rüstungskonzern MBB. Dort bekleidete er zuletzt den Rang eines Direktors, bevor ihn Suharto Anfang der siebziger Jahre nach Indonesien zurückbeorderte, um ihn zum Minister zu machen. In den Folgejahren zeichnete Habibie für zahllose deutsch-indonesische Kooperationsabkommen verantwortlich. Ob Siemens oder ABB (ehem. BBC), die Meyer- oder die Lürssen-Werft, MBB, Mercedes-Benz oder die Deutsche Bank – quasi alle namhaften Unternehmen engagierten sich in Indonesien. Für komplexere Aufträge wurden Firmenkonsortien gebildet, für die des öfteren die Ferrostaal AG (eine Tochter des MAN-Konzerns) als Generalunternehmerin auftrat. Da war es praktisch, daß eine enge Verwandte Habibies bei Ferrostaal Indonesia in Jakarta in leitender Stellung tätig ist.

Gute Geschäfte mit Indonesien machte auch die deutsche Rüstungsindustrie. MBB vergab die Lizenz zum Bau von Hubschraubern an Habibies Flugzeugwerk IPTN, Lürssen arbeitet mit der PT PAL Werft zusammen, HDW verkaufte U-Boote, Heckler und Koch Maschinengewehre, und MAK Systemtechnik erhielt die Ausfuhrgenehmigung für Kleinpanzer.

Das indonesische Militär, das 1975 in Ost-Timor einmarschierte und seither durch Militäroperationen, provozierte Hungersnöte und regelrechte Massaker an der Bevölkerung mindestens 200.000 Menschenleben auf dem Gewissen hat, erhält auch Ausbildungshilfe aus der BRD. Der kürzlich abgetretene Oberbefehlshaber Faisal Tanjung ist Absolvent der Bundeswehr-Führungsakademie. General Prabowo, ein Schwiegersohn Suhartos, wurde bei der GSG 9 ausgebildet. Am 22. Januar 1998 vermeldete die taz, dass Berlins Innensenator Jörg Schönbohm Indonesien Polizeihilfe zugesagt habe; zur selben Zeit begann in Indonesien die Protestwelle. Berlin und Jakarta unterhalten eine Städtepartnerschaft.

Vor wenigen Monaten wurde Habibie im Bonner Kanzleramt das Großkreuz verliehen – die höchste Auszeichnung, die das Protokoll für ausländische Politiker vorsieht. Auf Anfrage von Watch Indonesia! bei der Ordenskanzlei im Bundespräsidialamt, für welche Verdienste Habibie denn die Auszeichnung erhalten habe, hieß es lapidar, Ordensangelegenheiten seien vertraulich. Auf der ehemaligen kanadischen Air Base in Lahr war zuvor ein Kooperationsprojekt zwischen Habibies Flugzeugfirma IPTN und dem Land Baden Württemberg initiiert worden.

Als der IWF Anfang dieses Jahres nach zwei gescheiterten Abkommen mit Indonesien versuchte, die wichtigsten Inhalte in ein drittes Abkommen hinüberzuretten, fiel ihm die Bundesregierung in den Rücken. Im Februar reiste Finanzminister Theo Waigel nach Indonesien, um der Regierung Suharto weitere BRD-Finanzhilfen zuzusagen. Er übte lediglich halbherzige Kritik an der Finanzpolitik des angeschlagenen Diktators. Und zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Wochen fehlt jegliche Stellungnahme aus Bonn.

Der Autor ist Mitarbeiter von Watch Indonesia!


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