Situation in Osttimor spitzt sich dramatisch zu

AP, 06. September 1999

Indonesien/Osttimor AM, Abendmeldung (neu: Deportationen)

Armee und Milizen deportieren Tausende aus Dili – Residenz von Bischof Belo gestürmt – Albright verurteilt Gewalt

associated_press_logo Dili (AP) Die Situation in Osttimor hat sich am Montag dramatisch zugespitzt. Banden von Unabhängigkeitsgegnern zogen vor den Augen indonesischer Sicherheitskräfte plündernd und mordend durch die Städte. Bei Massakern sollen bis zum Mittag mehr als 170 Menschen ermordet worden sein. Die Milizen luden Augenzeugen zufolge gemeinsam mit indonesischen Truppen Tausende Menschen auf Lastwagen und deportierten sie aus der Hauptstadt Dili. Die Residenz des Friedensnobelpreisträgers Bischof Carlos Belo wurde gestürmt und niedergebrannt. Erstmals räumte auch eine hoher indonesischer Beamter den Zusammenbruch der Kontrolle ein.

25.000 Menschen verließen nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) allein in der Hauptstadt Dili ihre Häuser, Zehntausende flohen von der Insel. Bei dem Angriff auf die Residenz Belos, wo 6.000 Menschen Zuflucht gesucht hatten, kamen nach Angaben des Unabhängigkeitsführers Manuel Carrascalão mindestens 39 Menschen ums Leben. Belo selbst blieb unverletzt. Er wurde mit einem UN-Hubschrauber in die Stadt Bacau geflogen, von wo aus er später nach Dili zurückkehren wollte, wie die Nachrichtenagentur Antara meldete. Neben dem Amtssitz Belos wurde auch der Sitz des IKRK gestürmt, wo mehr als 2.000 Menschen waren. Über deren Schicksal wurde zunächst nichts bekannt. Der Polizeichef Osttimors, General Rusmanhadi räumte ein, die Lage sei außer Kontrolle.

UN-Sprecher Nick Birnback sagte unterdessen, es gebe klare Hinweise für ein Einverständnis zwischen Milizen und der Armee. Wie es weiter hieß, verluden Milizen und Armee Menschen auf Lastwagen und brachten sie nach Westtimor. Birnback widersprach Berichten, wonach die UN bereits die Evakuierung aller Mitarbeiter vorbereiteten. Dies könne sich aber minütlich ändern, sagte er der Nachrichtenagentur AP.

Unterdessen äußerte US-Außenministerin Madeleine Albright in Vietnam ihre Betroffenheit. Indonesien müsse sich um die Situation kümmern oder der Internationalen Gemeinschaft erlauben, ins Land zu kommen, sagte sie vor Journalisten in Hanoi.

Der indonesische Verteidigungsminister General Wiranto kündigte die Entsendung weiterer Soldaten an. Das indonesische Kabinett wollte sich am Montagabend treffen, um der Armee mehr Macht zuzugestehen. Der UN-Sondergesandte für Osttimor, Jamsheed Marker, traf sich mit Präsident B.J. Habibie, über die Inhalte der Unterredung wurde nichts bekannt. Eine Pressekonferenz brach Habibie verärgert ab, als ihn Journalisten auf die Gewalt in Osttimor ansprachen.

Australien versetzte unterdessen seine Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft. Truppen würden nur mit Zustimmung Jakartas nach Osttimor entsandt, sagte Verteidigungsminister John Moore.

Volmer droht Konsequenzen an

Acht Bundesbürger, die sich als Beobachter in Osttimor aufhielten, trafen am Montag in Australien ein, wie die Sprecherin der Organisation Watch Indonesia, Monika Schlicher, der AP sagte. Ein weiterer Beobachter sitze noch in Bacau fest. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Ludger Volmer schloss unterdessen militärische und wirtschaftliche Konsequenzen nicht mehr aus. Wenn die indonesische Regierung das Unabhängigkeitsvotum nicht anerkenne, dann werde sich das natürlich auf die bilateralen Beziehungen auswirken, sagte Volmer im englischen Programm der Deutschen Welle. <>


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