Indonesien: Mit Waffenexporten fährt der Kanzler zum Menschenrechts-Dialog
epd-Entwicklungspolitik 17/August 1996
Die Bundesregierung hat in den letzten zehn Jahren 680 Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Indonesien erteilt. 13 Rüstungsprojekte befinden sich im Genehmigungsverfahren. Das sagte Heinrich Kolb (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, jetzt auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Angelika Beer (Bündnis 90/Die Grünen). Zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verweigerte Kolb Angaben über die Art der Lieferungen.
Im Frühjahr hatte die Bundesregierung den Export von sieben Panzern des Typs „Wiesel“ genehmigt. Ausschlaggebend sei Jakartas Zusicherung gewesen, die Panzer nur zur Landesverteidigung einzusetzen, so Kolb. Norbert Lammert (CDU), ebenfalls parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sagte im April, eine militärfachliche Beurteilung habe außerdem ergeben, daß die Wiesel „nach der allgemeinen strategischen Planung in Indonesien für etwaige Einsätze gegen aufständische Gruppen nicht geeignet sind“. Beim Wiesel handelt es sich um einen Luftlandepanzer mit zweiköpfiger Besatzung. Er ist besonders für mobile Kräfte geeignet, die schnell an neue Einsatzorte verlegt werden müssen. Nach Einschätzung deutscher Anti-Rüstungsexportgruppen eignet sich der Wiesel deshalb sehr wohl für innere Einsätze in Indonesien und Osttimor.
In einer Erklärung verweisen die „Buko-Kampagne: Stoppt den Rüstungsexport!“ und die Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia!“ darauf, daß die indonesische Regierung vergleichbare Zusicherungen gegenüber Großbritannien bereits gebrochen habe. Im April habe das indonesische Militär bei der Erstürmung des Campus der Universität von Ujung Pandang zwei Scorpion-Radpanzer aus britischer Produktion eingesetzt, so die britische Menschenrechtsorganisation Tapol. Dabei seien drei Studenten getötet worden. Die Zeitung „The Observer“ berichtete am 21. Juli, das indonesische Militär habe im Juni auch Wasserwerfer aus englischer Produktion gegen Demonstranten eingesetzt wie schon bereits zuvor zur Sicherung des PDI-Kongresses in Medan. Dort war mit Hilfe der Regierung die bisherige PDI-Führerin und potentielle Oppositionsführerin Megawati Sukamoputri gestürzt worden. Bei den Unruhen in der Hauptstadt Jakarta am 21. Juli gab es nach Angaben der indonesischen Regierung drei Tote. Menschenrechtsgruppen sprechen von mindestens 48 Toten.
Die indonesische Regierung habe London zuvor generell zugesagt, britische Militärausrüstung nicht bei inneren Einsätzen zu benutzen, berichtete „The Independent“. Wegen des Bruchs der Zusage und aus Protest gegen das gewaltsame Vorgehen des Militärs gegen Oppositionelle habe die britische Regierung Anfang August den indonesischen Botschafter zu sich bestellt. „Die aktuellen englischen Beispiele zeigen, was von Zusicherungen der indonesischen Regierung zu halten ist“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung von Buko Kampagne und Watch Indonesia. Daß die Bundesregierung sich auf Jakartas Zusicherung berufe, sei „eine reine Schutzbehauptung“.
Gegenüber epd-Entwicklungspolitik sagte ein Sprecher des Wiesel-Produzenten MAK-Systemgesellschaft in Kiel, eine Tochterfirma des Düsseldorfer Rheinmetall-Konzerns, von Indonesien seien keine Wiesel bestellt worden. Zu Verhandlungen wollte sich der Sprecher nicht äußern. Im Juni 1995 hatten die Kieler Nachrichten gemeldet, im Gespräch sei ein Großauftrag in einer Größenordnung von 100 Millionen Mark. Auch nach den jüngsten Unruhen in Indonesien gebe es keine Überlegungen, die Genehmigung für den Export der Wiesel in Frage zu stellen, sagte die Pressesprecherin des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage. Auch sie verwies darauf, daß zur Zeit kein Auftrag vorläge. Offenbar wurden die Waffenexporte vorauseilend genehmigt, statt die Rüstungsexporte gegenüber Indonesien kritisch zu überprüfen.
Staatssekretär Kolb räumte immerhin ein, daß es aus Sicht der Bundesregierung in Indonesien Menschenrechtsverletzungen gebe. Bonn führe deshalb mit der indonesischen Regierung einen „Menschenrechts- und Wertedialog“. Bisher hat die Bundesregierung eine Stellungnahme zu den jüngsten Entwicklungen in Indonesien abgelehnt. Bundespresseamt und Auswärtiges Amt wollten sich auf Anfrage nicht zur Unterdrückung der Opposition in Indonesien äußern. Die Regierung und insbesondere Bundeskanzler Helmut Kohl rühmen sich guter Beziehungen zu Präsident Suharto, dem dienstältesten Staatschef Südostasiens. Erst kürzlich hatte der Kanzler Suharto bei dessen Aufenthalt in einer Spezialklinik in Bad Oeynhausen besucht und ihn als „Freund“ bezeichnet. Vom 26. bis 29. Oktober plant Kohl seinen vierten Staatsbesuch in Indonesien. Die US-Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch/Asia und Robert F. Kennedy Memorial Center for Human Rights haben Kohl aufgefordert, seinen Staatsbesuch abzusagen. <>