Indonesien: Megawati – ein Putsch ohne Panzer
Neues Deutschland, 01. August 2001
Selbst in der Hochburg der neuen Präsidentin gab es keine Siegesfeiern / Regierungsbildung erwartet
Von Alex Flor
Der Machtwechsel in Indonesien stärkt das Militär und die Kräfte der Suharto-Diktatur – doch Wirtschaftsvertreter und westliche Staaten unterstützen die neue Präsidentin Megawati Sukarnoputri. Anders als vor wenigen Wochen, als der Autor erlebte, wie Streiks und Demonstrationen gegen Benzinpreiserhöhungen die Viermillionenstadt Bandung praktisch lahmlegten, blieb es während des Machtwechsels ruhig auf den Straßen Indonesiens. Die Einwohner der Hafenstadt Makassar auf Sulawesi, einer Hochburg der Golkar-Partei, verfolgten die Wahl Megawatis im Fernsehen ohne jegliche Anzeichen von Erregung. Das gleiche Bild auch bei der Abstimmung über den Vizepräsidenten zwei Tage später in Jakarta: Die Fernseher waren laut gestellt und dienten nicht wie sonst nur der Hintergrundberieselung, aber zu mehr als kurzen Kommentaren ließen sich die Zuschauer nicht hinreißen.
Als Wahids Anhänger den abgesetzten Staatschef am Donnerstag aus dem Präsidentenpalast abholten, versammelte sich im Sitz des Vizepräsidenten auf der anderen Seite des Platzes das Diplomatische Corps zum Antrittsempfang der neuen Führung. Beide Ereignisse erregten wenig Aufsehen. Der Machtwechsel wird in Jakarta ebenso wie außerhalb des Landes einhellig als Erfolg des Militärs und der alten politischen Elite der Ära unter Diktator Suharto gewertet. So titelte etwa die »International Herald Tribune«: »Das Militär gewinnt eine politische Schlüsselrolle zurück«. Während kritische Beobachter die Ablösung von Präsident von Wahid durch die bisherige Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri als »kalten Putsch« verurteilen, zeigt sich das bürgerliche Lager froh darüber, dass der Regierungswechsel so glatt verlief.
Megawati Sukarnoputri, die schweigsame und oft als unpolitisch bezeichnete, aber in der Bevölkerung beliebte Symbolfigur der Reformbewegung, erfüllt in idealer Weise die Rolle eines demokratischen Deckmäntelchens, hinter dem sich das konsolidierte Lager der alten Suharto-Kräfte verstecken kann, um wirklichen Reformen Einhalt zu gebieten. Während Präsident Wahid – wenngleich erfolglos – immerhin versuchte, das Militär an die Kandare zu nehmen und eine friedliche Lösung der eskalierenden regionalen Konflikte zu suchen, steht Megawati für einen streng nationalistischen Kurs, der dem Militär freie Hand lässt. Die Lage in den Provinzen Aceh und Irian Jaya (Westpapua) hat sich bereits in den vergangenen Wochen extrem verschärft. Vergeblich wartete man in Megawatis Antrittsrede auf Stichworte wie Demokratisierung und Achtung der Menschenrechte. Eine juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit ist in weite Ferne gerückt. Doch der Wechsel war unvermeidlich, nachdem die Regierung Wahid in 20 Monaten keine Erfolge im Kampf gegen die drängenden Probleme wie schwächelnde Wirtschaft, Verarmung, Schuldenkrise, Sezessionsbewegungen, regionale Unruhen und mangelnde Rechtssicherheit aufweisen konnte.
Wahids Gegner – allen voran Volkskongress-Präsident Amien Rais – hatten keine Gelegenheit ausgelassen, seine Politik zu torpedieren. Mit Ausnahme von Wahids Partei beeilten sich alle relevanten Kräfte im In- und Ausland, Megawati anzuerkennen, um die Lage zu stabilisieren. Ihre Ernennung »klärt die politische Situation in Jakarta«, heißt es auch in einer vom belgischen Außenminister Louis Michel verlesenen Stellungnahme der Europäischen Union. Devisenhändler belohnten Megawatis Wahl mit einem Kursanstieg der Rupiah von mehr als 10 Prozent. Ein Trend zu weiteren Kurssteigerungen zeichnet sich jedoch zunächst nicht ab, die Finanzmärkte warten auf die Regierungsbildung.
Spannender als die Wahl Megawatis war die darauf folgende Kür des neuen Vizepräsidenten. Für dieses Amt standen immerhin fünf Kandidaten zur Wahl. Keiner von ihnen gilt als progressiver Reformer, alle blicken auf Erfahrungen als Minister unter Suharto, dessen Nachfolger B.J. Habibie und Wahid zurück. Im letzten Wahlgang siegte der Vorsitzende der islamisch-konservativen Vereinigten Entwicklungspartei (PPP), Hamzah Haz, über den Golkar-Fraktionsvorsitzenden Akbar Tandjung. Der Kandidat Susilo Bambang Yudhoyono war bereits im zweiten Wahlgang ausgeschieden, obwohl er Meinungsumfragen zufolge weitaus beliebter als Haz und Tandjung ist. Ein Sieg Tandjungs hätte wohl die Gemüter erhitzt, gilt er doch als offenster Repräsentant des Suharto-Regimes. Hamzah Haz sitzt seit 1971 für die PPP, eine ehemalige Blockpartei der Suharto-Diktatur, im Parlament. Die unterlegenen Kandidaten werden ausnahmslos als potenzielle Mitglieder des Kabinetts gehandelt, dessen Bildung für diese Woche erwartet wird. Während Wirtschaftsvertreter auf professionelle Technokraten hoffen, deutet vieles darauf hin, dass Megawati den Fehler Wahids wiederholen und die Posten nach Proporz an alle Parlamentsfraktionen verteilen wird. Nach den monatelangen Schmähungen der Regierung Wahid in den Medien blieb die Begeisterung nach dem Machtwechsel aus. Selbst in Megawatis Hochburgen wie Bali gab es keine Siegesfeiern.
Ebenso verhalten blieben die Solidaritätsbekundungen der Wahid-Anhänger. Nachdem der abgesetzte Präsident zuvor angekündigt hatte, den Palast nicht zu räumen, flog Wahid am vergangenen Donnerstag zu einem Gesundheitscheck in die USA und versuchte so, sein Gesicht zu wahren. Die relative Ruhe in der Bevölkerung ist nicht, wie viele Kommentatoren glauben, Beweis für die Verfassungskonformität des Machtwechsels und eine funktionierende Demokratie, sondern Ausdruck der zunehmenden Politikverdrossenheit. Die meisten Indonesier glauben nicht mehr daran, dass die politischen Ränkespiele etwas mit ihnen zu tun haben könnten. <>
Unser Autor ist Sprecher der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia!. Er ist soeben von einer längeren Reise durch Indonesien zurückgekehrt.