Indonesien hebt Rodungsstopp von Torfmoorgebieten für Ölpalmplantagen auf
Europaticker, 27. Februar 2009
EU von Indonesien ausgetrickst
Klammheimlich hat das indonesische Landwirtschaftsministerium am 16. Februar 2009 das Moratorium aufgehoben, das seit Dezember 2007 die Rodung von Torfmoorgebieten zur Anlage von Ölpalmplantagen stoppte. Die von Regenwald bedeckten Torfmoore sind ein gigantischer Speicher von Kohlendioxid (CO2).
Indonesien ist gemessen an seinem Ausstoß an Treibhausgasemissionen der drittgrößte Klimasünder weltweit. Hauptanteil daran haben die Regenwaldrodung sowie Wald- und Torfbrände, weniger dagegen die Verbrennung fossiler Energieträger. Auf der UN-Klimakonferenz 2007 in Bali und auf dem G7-Gipfel in Japan 2008 hat der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono versprochen, die CO2-Emissionen aus dem Waldbereich 2009 um die Hälfte zu senken.
„Kaum hat die EU weiter grünes Licht für Agrosprit aus Palmöl gegeben, da lässt die indonesische Regierung die Maske fallen“, erklärt Klaus Schenck vom Verein Rettet den Regenwald. „Die Regierung Indonesiens setzt weiter auf die Erweiterung der Ölpalmplantagen auf Kosten von Mensch, Natur und Klima.“
Am 17. Dezember 2008 hat das Europäische Parlament die Erneuerbare Energien-Richtlinie beschlossen, die den massiven Import von Palmöl in die EU vorsieht. Damit schafft die EU Anreize zur Umwandlung von Torfmooren in Monokulturen. Die seit Anfang des Jahres in Deutschland geltenden Beschränkungen zur Anrechnung von Palmöl auf die Agrospritquoten und Subventionen erklärte die EU-Kommission am 19. Januar 2009 sogar für ungültig.
„Wenn Torfmoore für Ölpalmplantagen zerstört werden, ist das eine Katastrophe für das Klima“, sagt Marianne Klute von Watch Indonesia! „Der neue Erlass zeigt, wie wenig sich Indonesien um seine eigenen Zusagen schert, das Klima zu schützen.“
Die Umwandlung eines Hektars indonesischen Torfmoorregenwalds in eine Ölpalmplantage setzt bis zu 6.000 Tonnen CO2 frei. Auf dieser Fläche erzeugtes Palmöl-Diesel bringt während bis zu 840 Jahren keine klimawirksame Einsparung. Durch Abholzung und vor allem Brände der Torfmoorgebiete werden jedes Jahr 2 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt. Dem gegenüber beträgt die von der EU bis 2020 gegenüber 1990 jährlich angestrebte Einsparung von – CO2-Emissionen etwa 850 Millionen Tonnen.
Rettet den Regenwald und Watch Indonesia! fordern die indonesische Regierung auf, den Erlass unverzüglich zurückzunehmen und die verbliebenen Torfmoor- und Regenwaldgebiete effektiv zu schützen. Eine Politik der EU, die die Abholzung von Regenwäldern und die Zerstörung des Kohlenstoffspeichers Torf vorsieht, verdient den Namen „Klimaschutz“ nicht!
Regenwald und Torfmoorzerstörung
Der größte Teil der Tieflandregenwälder von Kalimantan und Sumatra wurde bereits zerstört. In den letzten 50 Jahren wurden in Indonesien etwa 74 Millionen Hektar Regenwald gerodet, degradiert oder abgebrannt. Allein für Ölpalmen wurden in dem Land bereits 7 Millionen Hektar Regenwald und Torfmoore geopfert. Weitere Millionen Hektar wurden bereits für zukünftig geplante Erweiterungen von Ölpalmplantagen gerodet und niedergebrannt. Hält die derzeitige Entwicklung an, werden in den kommenden Jahren auch die verbliebenen Flächen zerstört werden.
Landraub und Menschenrechtsverletzungen
Die Torfmoor- und Regenwaldgebiete sind die traditionellen Siedlungsgebiete von Kleinbauern und indigenen Völkern wie den Dayak. Durch die Zerstörung dieser Gebiete werden die Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Schon jetzt gibt es Tausende von Landkonflikten, weil industrielle Palmölplantagen auf dem Land dörflicher Gemeinschaften angelegt worden sind.
Aktuell wird im Rahmen eines solchen Landkonflikts mit dem Palmölkonzern Sinar Mas im Dorf Karang Mendapo in der Provinz Jambi auf Sumatra der Umweltschützer und gewählte Bürgermeister des Dorfes, Muhammad Rusdi, in einer Polizeistation gefangen gehalten. Die Verhaftung von Rusdi ist der Versuch, den Protest der Bauern in Karang Mendapo zum Schweigen zu bringen. Rusdi ist ein Vorbild für Hunderttausende von Kleinbauern und Indigenen in Indonesien, die von der Palmölindustrie ihres angestammten Lands beraubt wurden. Der Verein Rettet den Regenwald veranstaltet aktuell auf seiner Webseite eine Protestaktion zur Freilassung von Muhammad Rusdi, an der bereits 13.000 BürgerInnen teilgenommen haben.
Biodiversitätsverlust
Die Regen- und Torfmoorwälder Indonesiens sind sehr artenreich und Lebensraum zahlreicher vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten wie Orang-Utan-Menschenaffen, Sumatra-Tiger und Borneo-Nashorn. Die Zerstörung der natürlichen Habitate beraubt die Tierarten ihrer Lebens- und Ernährungsgrundlagen. Wildtiere, die auf Palmölplantagen angetroffen werden, werden von dort gezielt vertrieben oder getötet. Nach Angaben des Centre for Orangutan Protection (COP) wurden allein 2006 mindestens 1.500 Orang-Utans von den Arbeitern von Palmölplantagen erschlagen.
Torfmoorwälder und Klimaerwärmung
In Indonesien und Malaysia gibt es in den küstennahen Tieflandgebieten 28 Millionen Hektar, in Indonesien allein 22,5 Millionen Hektar, ursprünglich bewaldete Torfmoore, wovon etwa die Hälfte bereits entwaldet und entwässert sind. Die bis zu 12 Meter dicken Torfschichten speichern mit 37,8 Milliarden Tonnen eine gigantische Kohlenstoffmenge.
Werden die Regenwälder gerodet und die Torfmoorgebiete zur Anlage von Ölpalmplantagen entwässert, dann oxidiert der Kohlenstoff im Torf und entweicht als klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Die ausgetrockneten Torfmoore sind zudem besonders anfällig für Schwelbrände, die zum Teil jahrelang in den Torfschichten brennen und kaum zu löschen sind. In den vergangenen Jahren hat der Rauch von Tausenden von Wald- und Schwelbränden zu enormen Gesundheitsbelastungen in den betroffenen Gebieten geführt.
Die Zerstörung der Torfmoorwälder ist eine der weltweit größten Einzelquellen von klimaschädlichen CO2-Emissionen. Jährlich werden dadurch 2 Milliarden Tonnen CO2 durch die Zerstörung der Torfmoorgebiete in Indonesien und Malaysia freigesetzt. Global gesehen machen diese 8% der CO2-Emissionen aus, bei nur 0,1% der weltweiten Landfläche. Der größte Teil der Torfmoore wird zur Schaffung von landwirtschaftlicher Flächen trockengelegt und brandgerodet. Seit 1991 wurden in Indonesien etwa 7 Millionen Hektar Ölpalmplantagen angelegt.
Palmöl
Die afrikanische Ölpalme gedeiht nur in tropischen Gebieten mit Regenwaldklima. Für ihr Wachstum benötigt die Ölpalme ständig hohe Temperaturen und Niederschläge bzw. Bewässerung. Palmöl ist mengenmäßig vor Sojaöl das meistgehandelte Pflanzenöl weltweit. 2008 wurden weltweit 41 Millionen Tonnen Palmöl im Wert von 20 Milliarden US-Dollar produziert. Indonesien ist in den vergangenen Jahren zum größten Palmölproduzenten aufgestiegen. Etwa 45% der Weltproduktion stammt aus dem Inselreich.
Zu den größten Palmölproduzenten gehören die Firmen Wilmar, IOI, Sinar Mas, Golden Hope, Sime Darby. Wichtige Palmölhändler sind die Firmen Cargill und Archer Daniels Midland (ADM). Die EU importierte 2008 vier Millionen Tonnen Palmöl. Zu den größten Einzelkonsumenten von Palmöl gehören die Firmen Unilever, Nestle, Procter&Gamble und Henkel. Allein der Unilever-Konzern verbraucht nach eigenen Angaben weltweit 1,6 Millionen Tonnen Palmöl pro Jahr.
Palmöl wird von der Nahrungsmittel- und Chemieindustrie für eine Vielzahl von Produkten eingesetzt. Palmölprodukte stehen in großen Mengen in jedem Supermarktregal: Margarine, Speiseeis, Soßen, Kekse, Waschpulver, Seifen, usw. Die EU importierte 2007 etwa 4,9 Millionen Tonnen Palmöl, davon 3,8 Millionen Tonnen (77 %) für Lebensmittel- und Kosmetikzwecke, 830.000 Tonnen (17 %) für die Nutzung in Blockheizkraftwerken und 270.000 Tonnen (6 %) für Agrosprit.
Agrosprit aus Palmöl
Mit dem Agrospritboom in Europa ist ein völlig neuer Markt für Palmöl hinzugekommen. In etwa 1.900 Blockheizkraftwerken (BHKW) wird in Deutschland Palmöl verheizt. 2007 wurden in den BHKW etwa 630 Millionen Liter Palmöl verfeuert, was – bei unter Annahme eines durchschnittlichen Palmölertrages von etwa 3.500 l/ha – einem Flächenbedarf der Ölpalmplantagen von 180.000 Hektar entspricht. Die Verbrennung von Palmöl in BHKWs wird den Betreibern über das Erneuerbare-Energien-Gesetzt (EEG) mit bis zu 19 Cent pro kWh vergütet.
Darüberhinaus wird Palmöl auch dem fossilem Dieselkraftstoff beigemischt, weshalb die etwa 14 Millionen Kfz mit Dieselmotor in Deutschland mit einem ständig steigenden Anteil von Palmöl fahren. Im Labor untersuchte Stichproben von Dieselkraftstoff, die an Tankstellen in Deutschland gezogen worden, ergaben einen Anteil von Palmöl am beigemischten Agrosprit von bis zu 25%.
Zu den größten Agrosprit-Investoren gehören Investoren wie Richard Branson und George Soros, Firmen wie ADM, Cargill, Carlyle Group, General Electric, Ford, Daimler und VW, Ölkonzerne wie BP und Shell, sowie Finanzinstitute wie die Deutsche Bank, HSBC sowie die deutschen Landesbanken WestLB und HSH-Nordbank.
Klimaschutzmaßnahmen der EU
Am 17. Dezember 2008 hat das EU-Parlament die Erneuerbare Energien Richtlinie (englisch RED) als zentrale Strategie zum Klimaschutz beschlossen. Mit der RED sollen die Treibhausgasemissionen der Gemeinschaft bis zum Jahr 2020 um 20% unter das Niveau von 1990 gesenkt werden. Dafür müssten die Emissionen pro Jahr um 850 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden (Die Emissionen der EU im Jahre 2005 betrugen insgesamt 4,2 Milliarden Tonnen klimaschädlicher Emissionen) .
Einen wichtigen Beitrag dazu soll die energetische Nutzung von Biomasse leisten, darunter Agrosprit für den Transportsektor sowie der Erzeugung von elektrischem Strom und Heizwärme. Agrokraftstoffe müssen darin mindestens eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 35% gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen leisten, um auf das 10%-Ziel angerechnet zu werden.
Doch dem Argument, Agrosprit trage zum Klimaschutz bei, widersprechen wissenschaftliche Studien. Fargione et.al. haben die Auswirkungen der Produktion von Agrosprit auf die CO2-Bilanzen für verschiedene Produkte wie Palmöl und deren Anbau an diversen Standorten wie Torfmoor- und Regenwälder untersucht. Palmöl aus Torfmoor- und Regenwaldrodung bringt laut Fargione keine Treibhausgaseinsparung, sondern verursacht ganz im Gegenteil massive Treibhausgasemissionen. Für Palmöl aus Torfmoorgebieten errechnen Fargione et.al. eine CO2-Schuld von bis zu 840 Jahren. So lange müsste Agrosprit erzeugt werden, um die durch Rodung und Trockenlegung der Torfmoore über Jahre verursachte CO2-Freisetzung zu kompensieren.
Bei der Abstimmung der RED war die Ächtung von Palmölanbau in Torfmooren und Regenwaldgebieten Gegenstand intensiver Diskussion zwischen EU-Rat und -Parlament. Dieser Tatsache und daraus folgender möglicher Konsequenzen der europäischen Politik war sich auch die Regierung Indonesiens bewusst. „Die indonesische Regierung ist sehr besorgt über die EU-Biospritpolitik, die Barrieren beim Zugang zum EU-Markt schaffen könnte“, schrieb das Landwirtschaftsministerium des südostasiatischen Inselreichs noch 2008 in der Palmöl-Werbebroschüre „Hin zu nachhaltiger Zertifizierung“.
Das indonesische Ministerium tourte durch europäische Hauptstädte wie Brüssel, Berlin und London und warb für die „Förderung nachhaltigen Palmöls“. Damit sollte das schlechte Image von Palmöl aufpoliert und weiter steigenden Palmölimporten in die EU Tor und Tür geöffnet werden. Mit Erfolg. Am Ende blieb trotz aller Bedenken gegen Palmöl dieses in der EU-Richtlinie auf die Agrospritziele anrechenbar und förderungswürdig.
Zertifiziertes Palmöl ist keine Lösung
Sowohl EU als auch Bundesregierung wollen zukünftig die Anrechnung von Agrosprit auf die festgelegten Quoten an die Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien binden. Um deren Einhaltung zu überprüfen, ist die Zertifizierung des Agrosprits geplant. Dazu finanziert das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) das Projekt Internationale Nachhaltigkeit- und Kohlenstoffzertifizierung (ISCC). Im Rahmen des ISCC-Projekts wurde ein Zertifizierungssystem aufgebaut, dass sich derzeit in einer Pilotphase zur Erprobung befindet, darunter Palmöl in Malaysia.
Das bisher einzige etablierte Zertifizierungssystem für Palmöl, der „Runde Tisch für Nachhaltiges Palmöl (RSPO)“, schließt die Rodung von Regenwald nicht aus. Nur Primärwälder und sogenannte „Besonders Schützenswerte Gebiete“ (HCV) dürfen unter dem Siegel seit November 2005 nicht für Palmölplantagen gerodet werden. Doch eine international anerkannte Definition, was unter einem solchen HCV-Gebiet zu verstehen ist, gibt es nicht, und auch die Übergänge zwischen Primär- und Sekundärregenwald sind in der Praxis fließend.
Viele mit dem Palmölanbau und den Agrospritzielen von Bundesregierung und EU verbundene Probleme wie die Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln, Preiseinfluss auf Nahrungsmittel und indirekte Landnutzungsänderungen sind mit den Nachhaltigkeitskriterien nicht berücksichtigt und erfassbar. Nach Ansicht von Rettet den Regenwald und Watch Indonesia! ist Zertifizierung kein ausreichendes Mittel, die gravierenden Probleme in den Griff zu bekommen. Die Vereine lehnen deshalb den massiven Anbau auf großen Monokulturen von Produkten wie Palmöl, Soja und Zuckerrohr für Agro-Ethanol für den Export nach Europa ab.
Es ist die falsche Strategie, wenn Europa weltweit immer größere Gebiete für den Ab- und Anbau der von uns konsumierten Rohstoffe in Beschlag nimmt und unser Konsum auf Kosten von Mensch und Natur in den Tropenländern stattfindet. Deutschland und die EU sollten den Bedarf an Pflanzenölen aus heimischer Produktion decken und nicht in Form von Agrosprit verheizen. <>