Sehnsucht nach starkem Mann

Neues Deutschland, 20. September 2004

Ein Exgeneral könnte neuer Präsident Indonesiens werden

von Alex Flor

Neues-DeutschlandIn Indonesien entscheidet die heutige Stichwahl, ob Präsidentin Megawati Sukarnoputri oder ihr Herausforderer Susilo Bambang Yudhoyono in den kommenden fünf Jahren Staatsoberhaupt sein wird.

»Das ist Demokratie pur!«, bejubeln westliche Regierungen und Beobachter das Superwahljahr in Indonesien. Nach den Parlamentswahlen im April und dem ersten Durchgang der Präsidentenwahl sind über 150 Millionen Berechtigte binnen weniger Monate zum dritten Mal zur Stimmabgabe aufgerufen.

Nirgendwo auf der Welt leben mehr Muslime als in Indonesien, weshalb viele Beobachter in dem bisher reibungslosen Ablauf der Wahlen auch einen Beweis dafür sehen, dass »Islam und Demokratie durchaus vereinbar sind«. Hinzu kommt, dass erstmals seit Ende der Diktatur Suhartos 1998 im Parlament keine Sitze für Abgeordnete des Militärs reserviert sind. Allerdings: Von fünf Spitzenkandidaten der Präsidentenwahlen waren zwei Generäle: Susilo Bambang Yudhoyono und der in Osttimor wegen Menschenrechtsverbrechen angeklagte Wiranto. Ein dritter General kandidierte als Vizepräsident. Und die bisherige Staatschefin Megawati Sukarnoputri, die sich zur Wiederwahl stellt, kooperierte während ihrer gesamten Amtszeit stark mit dem Militär, in dem sie den einzigen Garanten für den Zusammenhalt des von Sezessionskonflikten geplagten Einheitsstaates sieht.

Beim Parlamentsvotum im April musste Megawatis Demokratische Partei – Kampf (PDI-P) schwere Verluste hinnehmen. Im ersten Wahlgang zur Präsidentschaft landete sie mit deutlichem Abstand auf Platz zwei. Die einstige Hoffnungsträgerin hat enttäuscht. Die Wirtschaftspolitik der Regierung hat zwar Erfolge wie etwa die Stabilisierung der Währung, die Eindämmung der Inflation und ein mäßiges Wachstum vorzuweisen. Doch die einfache Bevölkerung spürt davon wenig. Die Menschen klagen über gestiegene Preise für Strom, Wasser, Brennstoffe, Transport und Düngemittel bei gleichzeitigem Preisverfall für Agrarprodukte. Investitionen bleiben aus, Fabriken werden geschlossen oder nach China und Vietnam verlegt. Mehrere Millionen Menschen sind arbeitslos. Und längst hat die PDI-P in puncto Korruption mit anderen Parteien mindestens gleichgezogen.

Von all dem profitierten zwei neue Parteien. Die Partai Demokrat von Exgeneral Bambang Yudhoyono gewann im April aus dem Stand 7,5 Prozent der Stimmen. Fast ebenso viele erhielt die zuvor unbedeutende islamische Gerechtigkeitspartei PKS. Die beiden Neuen teilten sich fast zu gleichen Teilen den Verlust der PDI-P. Susilo Bambang Yudhoyono, in Indonesien bekannt als SBY, gilt als diszipliniert und tatkräftig. Schon sein Äußeres bedient das Klischee vom starken Mann, nach dem sich viele sehnen.

Ob die dem Exgeneral zugeschriebene weiße Weste nicht doch ein paar Flecken hat? Jakarta 1996, Osttimor und Aceh sind Stationen seiner militärischen Laufbahn. »Konnte er dort sauber bleiben?« fragen kritische Geister. Doch nachweisen konnte ihm bisher niemand etwas. SBY weist die Angst vor einer Remilitarisierung der Politik zurück: Dass Generäle in der Politik eine so große Rolle spielen, sei kein Zeichen der Überlegenheit des Militärs, sondern Ausdruck der Schwäche ihrer zivilen Gegenspieler. Womit er wohl Recht hat.

In Umfragen lag SBY bis zuletzt immer vor Megawati, aber der Abstand schrumpfte. Grund dafür ist, dass sich die großen Altparteien – insbesondere Golkar, die immer noch mächtige ehemalige Regierungspartei der Ära Suharto – auf die Seite Megawatis geschlagen haben. Im ersten Wahlgang war Golkar noch mit einem eigenen Kandidaten – Wiranto – angetreten.

SBY kann heute möglicherweise die Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinen. Ob er aber auch mit einer Mehrheit im Parlament rechnen darf, scheint fraglich. Um diese zu erlangen, müsste er den Altparteien Zugeständnisse machen, etwa indem er ihnen ein paar prestigeträchtige Kabinettsposten überlässt. Sein Konzept, ein aus Technokraten bestehendes »Arbeitskabinett« zu bilden, wäre damit jedoch gefährdet. Stattdessen wären Entscheidungsprozesse wie bisher von schwerfälliger Suche nach Konsens zwischen Vertretern der verschiedenen politischen Lager gehemmt. Der Mann der Tat wird es schwer haben.

Unser Autor ist Sprecher der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia!


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