„Das Andere Muslimische Land. Zum Verhältnis der Religionen in Indonesien“
05. Dezember 2007
Tagung des Evangelischen Missionswerks in Südwestdeutschland (EMS), Stuttgart, 23.-25. November 2007
von Samia Dinkelaker
Im Fokus der Diskussionen auf der diesjährigen Indonesien-Tagung des EMS standen die Beziehungen zwischen Islam und Christentum in Indonesien, Spannungen innerhalb der Religionen und die Beziehung von Politik und Religion. Aus Indonesien waren Dr. Luthfi Assyaukanie, Mitbegründer des „Netzwerk des Liberalen Islam“ (Jaringan Islam Liberal, JIL) und Dr. Zakarias Ngelow, Dozent an der Staatlichen Theologischen Hochschule Rantepao, Toraja, angereist.
Prof. Dr. Dietrich Becker vom Lehrstuhl Missionstheologie und Religionswissenschaft der Augustana Hochschule Neuendettelsau referierte über die Geschichte der beiden Schriftreligionen in Indonesien und spannte zugleich den Bogen zu den aktuellen Fragen, die in Indonesien hinsichtlich des Verhältnisses von Religion und Politik von Relevanz sind: Die Einführung von Sharia-Gesetzen in zahlreichen Distrikten Indonesiens, christliche Gegenreaktionen, die Rolle des politischen Islam auf der einen Seite und die Rolle der muslimischen Zivilgesellschaft Indonesiens im Demokratisierungsprozess auf der anderen Seite. Die Beziehung der christlichen Kirchen und der Politik kam mehrmals zur Sprache: Zakarias Ngelow kritisierte das unkritische Verhältnis vieler indonesischer Kirchen gegenüber den staatlichen Autoritäten während der Kolonialzeit und unter Suharto. Dieses Erbe belaste die indonesischen Kirchen noch bis heute. Was die Demokratisierung des Landes betreffe, setze er mehr Hoffnungen in die Zivilgesellschaft: „I believe in NGOs”.
Kontroverse Diskussionen löste die Frage der erstarkenden charismatischen Kirchen sowie des muslimischen Radikalismus aus. Welche Strategien für Verständigung finden Angehörige beider Religionen in Indonesien? Wie kann Dialog über Konferenzräume hinaus wirksam werden? Der Begriff Dialog sei kein beliebter Begriff unter Muslimen, so Luthfi Assyaukanie. Viele Muslime in Indonesien seien misstrauisch, dass hinter dem Begriff Dialog in Wirklichkeit eine schleichende Christianisierung stehe. Er plädiere für ein Konzept der Religionsfreiheit. Zakaria Ngelow gestaltet seit den 80er Jahren Dialogprojekte in Makassar mit. Seiner Meinung nach muss Dialog auch das Gespräch mit radikalen Gruppen beinhalten; in seinem Handy habe er viele Nummern von Muslimen aus dem radikalen Spektrum gespeichert. Die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und Bildung seien außerdem notwendige Schritte, um dem Radikalismus entgegenzutreten.
Die Frage nach der Rolle der Religionen in Konflikten wurde an konkreten Beispielen in Gruppen bearbeitet. Sonia Parera-Hummel von der Vereinten Evangelischen Mission referierte über die Situation auf den Molukken, Dr. Uwe Hummel vom West-Papua-Netzwerk über West-Papua und Samia Dinkelaker von Watch Indonesia! zur Einführung der Sharia in Aceh.
Schließlich beschränkten sich die Diskussionen nicht allein auf die inner- und interreligiösen Beziehungen in Indonesien. Die Teilnehmenden brachen die Frage der interreligiösen Verständigung auf den hiesigen Kontext herunter. Das Fazit: Hierzulande fehle oftmals das Wissen über den Islam. Vielleicht könnten wir von Herrn Ngelows Erfahrungen lernen?
Eine Dokumentation der Tagung ist erhältlich unter: http://www.ems-online.org/