Indonesien braucht keine Vermittler
23. Januar 2001
von Alex Flor
Die Situation in Aceh wird zunehmend bedrohlicher. Erwartungsgemäß brachte auch der jüngste Waffenstillstand, der letzte Woche in der Schweiz vereinbart wurde und seit Montag in Kraft ist, kein Ende der Gewalt mit sich. 16 Menschen kamen alleine in den ersten beiden Tagen des neuen Waffenstillstandes ums Leben berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Andere Quellen berichten von mindestens drei getöteten Militärs sowie sechs getöteten GAM-Kämpfern bis Mittwoch, dem dritten Tag des Abkommens.
Wie zu befürchten war, sah Indonesiens Sicherheitsapparat in dem Abkommen kein Hindernis, von bereits zuvor angekündigten sweeping operations (Razzien) Abstand zu nehmen, bei denen ganze Siedlungen nach illegalen Waffen durchkämmt werden.
In einer letzte Woche verbreiteten Analyse warnte Watch Indonesia! vor der zunehmenden Gefahr für Menschenrechtsaktivisten und andere neutrale Kräfte in Aceh. Indonesiens Hardliner werten deren Tätigkeit als – wissentliche oder fahrlässige – Hilfe für den bewaffneten Widerstand der GAM. Aus jedem Hinweis auf die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen seitens des Militärs und der Polizei läßt sich für die in Sachen Menschenrechte ebenfalls nicht zimperliche GAM politisches Kapital schlagen. In den vergangenen Monaten wurden nicht nur angesehene Menschenrechtsaktivisten wie Jafar Siddiq Hamzah umgebracht. Indonesische Uniformierte griffen auch freiwillige Helfer von internationalen Hilfsorganisationen wie OXFAM (UK) oder RATA (Dänemark) tätlich an. Drei Mitarbeiter von RATA wurden Anfang Dezember kaltblütig erschossen. Die wenigen noch verbliebenen Projekte zur humanitären Hilfe in den Flüchtlingslagern kamen dadurch fast völlig zum Erliegen.
Neuesten Meldungen zu Folge möchte Indonesiens Regierung nun offenbar auch die letzten vor Ort befindlichen internationalen Kräfte loswerden – die Mitarbeiter des Henri Dunant Centre. Dieser schweizerischen Nichtregierungsorganisation war es gelungen, die beiden Konfliktparteien erstmals zu Verhandlungen an einen Tisch zu bringen. Vorläufiges Ergebnis der Gespräche war das Abkommen über die „humanitäre Pause“, das im Juni letzten Jahres in Kraft trat und vergangenen Montag durch ein einmonatiges Waffenstillstandsabkommen abgelöst wurde.
Obwohl die „humanitäre Pause“ als gescheitert gilt und auch das neue Waffenstillstandsabkommen kaum eine Verbesserung verspricht, leistete das Henri Dunant Centre durch seine Vermittlungen in der Schweiz und seine beiden (!) Mitarbeiter in Aceh selbst einen wichtigen Schritt in Richtung der einzig möglichen Lösung des Konfliktes – einem am Verhandlungstisch vereinbarten Frieden.
Die jüngsten Bemerkungen des Koordinationsministers für Sicherheitsfragen, Bambang Susilo Yudhoyono, lassen darauf schließen, dass das Militär im internen Clinch mit den zivilen Kräften innerhalb der Regierung in Jakarta die Oberhand gewonnen hat und nun darauf setzt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Aceh „reinen Tisch“ zu machen.
Seit längerem drängte das Militär auf die Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes über Aceh.
Im vergangenen Jahr wurden 960 Personen Opfer der Gewalt in Aceh – der überwiegende Teil davon Zivilisten. Mehr als 70 Menschen kamen in den wenigen Wochen des gerade angebrochenen Jahres 2001 bereits ums Leben. <>