Die aktuelle Lage in Banda Aceh, Meulaboh, Lhokseumawe
03. Januar 2005
aus aktuellen Berichten der Koalition der Zivilgesellschaft (Walhi, KontraS, Aceh Kita und Aceh Working Group)
Hilfe für die Opfer kam erst spät. Die Regierung hat zu lange gezögert, internationale Organisationen nach Aceh zu lassen. Auch indonesische Hilfsorganisationen und Freiwilligenteams trafen erst nach Tagen in Banda Aceh ein. Ihre erste Reaktion: Entsetzen und Schock. Bilder aus Zeitungen und TV können nicht vermitteln, wie grauenvoll die Lage in der Hauptstadt ist.
Die Hilfsorganisationen und Freiwilligenteams verstärken, unterstützt von Ärzten, die ersten von Acehnesen errichteten Anlauf- und Hilfsstellen. In Banda Aceh, wo auch fast alle Ärzte konzentriert sind, sind sie rund um die Uhr im Einsatz; ihre erste Aufgabe ist die Bergung der Leichen. Seit dem 1. Januar entstehen Hunderte von Krisenzentren, allein in und um Banda Aceh existieren 26 Lager mit Flüchtlingen und Verletzten. Schwerste Durchfallerkrankungen mit choleraähnlichen Symptomen sind ausgebrochen.
Dringend werden Freiwillige gesucht, besonders Sanitäter und Freiwillige mit medizinischer Ausbildung oder mit Erfahrung in Logistik oder Kochen. (Indonesisches Rotes Kreuz PMI sdmpusat@pmi.or.id) Die Arbeit verlangt physisch und psychisch das Äußerste; einige der freiwilligen Ärzte haben inzwischen erschöpft aufgegeben und sind nach Jakarta zurückgekehrt. Andere freiwillige Ärzte haben begonnen, verwaiste Säuglinge und Kleinkinder nach Jakarta zu bringen, wo sie medizinische Betreuung erhalten. Für sie werden in Indonesien Pflegeeltern gesucht. (Kontakt: Raihana, Fak .Kedokteran & Fak. Kedokteran Gigi Univ. Trisakti, (Medizinische und Zahnmedizinische Fakultät der Universität Trisakti) Jakarta, 0815-8700064).
Es sind die Kinder, die den freiwilligen Helfern die größten Sorgen bereiten. Wie könnte man ihnen in Zukunft beistehen, wenn sie erst diese erste schwere Zeit überleben? Viele haben nicht nur die traumatische Erfahrung der Katastrophe zu verarbeiten, den Verlust von Familienmitgliedern und Zuhause, sie haben schon vorher Krieg, Flüchtlingslager, Bedrohung und Not erlebt, und viele haben daher nicht regelmäßig die Schule besuchen können. Unsere Partner vor Ort schlagen vor, die Kinder sollten langfristig aus der Ferne, unterstützt und gestützt werden. Über Katastrophen- und entwicklungspolitische Hilfe hinaus wünschen sie sich z.B. Schulpatenschaften.
Die ersten Helfer brauchten mehr als zwei Tage, behindert von Schutt und zerstörten Brücken, um von Medan nach Banda Aceh zu gelangen. Heute soll die Straße von Medan über Lhokseumawe etwas leichter passierbar sein.
Auf den Flughäfen von Medan und Banda Aceh sind inzwischen aus allen Städten Indonesiens Hilfsgüter angekommen. Trotz der ersten überwältigenden Spendenbereitschaft aus Indonesien – in Jakarta, Medan und Banda Aceh stapeln sich Kisten und Kartons – fehlt noch viel: Zelte und Decken, vor allem Lebensmittel und Medikamente, aber auch die einfachsten medizinischen Instrumente.
Riesige Probleme bereiten jedoch der Weitertransport und die Verteilung. Es gibt nicht genug Schiffe, Lastwagen, es gibt nicht genug Fahrer, es gibt kaum Benzin. Die Hilfe ist da, kommt aber nicht an. Unglaublich aber ist, dass die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und der Einsatz der Hilfsorganisationen sogar behindert werden. Helfer, die in Medan Fahrzeuge für den Transport der Hilfsgüter anmieten wollten, berichten, dass auf dem Medaner Flughafen Polonia stationierte Truppen ihnen dies verweigert hätten, da keine Passierscheine vorhanden seien.
Kontakte bestehen jetzt auch an die Westküste. Der Hubschrauber der Umweltorganisation Walhi allerdings musste am Sonntag, beladen mit 5.000 Notpaketen, den Flug von Medan in die schwer getroffene Stadt Meulaboh wegen schlechten Wetters abbrechen. Auf dem Landweg jedoch gelang einer Gruppe die Fahrt bis an die Westküste unerwarteterweise ohne Schwierigkeiten. Die Helfer berichten, dass Polizei und Armee schon in Meulaboh sind und Hilfe leisten. Inzwischen fliegt jeden Morgen eine kleine Maschine mit Hilfsgütern von Medan aus nach Meulaboh.
In der Industriestadt Lhokseumawe sind Zelte, Decken, Fahrzeuge äußerst knapp. Allerdings ist es gelungen, die meisten Leichen zu evakuieren oder zu begraben. In Banda Aceh dagegen erfüllt Verwesungsgestank die Luft. Die Koalition der Zivilgesellschaft berichtet heute: „Noch wenig erreicht. Krankenhaus Kesdam überfüllt, Krankenhaus Sakinah überfüllt, Armeestützpunkt in Lamboru voller Flüchtlinge, Ketapang voll mit Flüchtlingen. Sie zeigen Stresssymptome, leiden unter Depressionen…“ <>