Bauernopfer im Kalten Krieg
junge Welt, 14. Dezember 2005
Rainer Werning
Vor 30 Jahren fiel das indonesische Militär in Osttimor ein und verübte dort mit Wissen und Duldung des Westens einen Völkermord. Bemühungen um Aufdeckung der historischen Wahrheit werden systematisch blockiert
Am 7. Dezember vor 30 Jahren besetzte Indonesiens Militär Osttimor, das sich nach portugiesischer Kolonialherrschaft zur Republik erklärt hatte. In diesem Zusammenhang enttäuschte jetzt der Präsident Osttimors Xanana Gusmão, ehemals gefeierter Befreiungskämpfer gegen das koloniale Joch und die indonesische Miliärdiktatur, seine Anhänger und ehemaligen Weggefährten schwer. Gusmão, ein international bekannter politischer Gefangener der Suharto-Diktatur in Indonesien (1965–1998), lehnte in einer Parlamentsansprache am 28.November 2005 die Veröffentlichung des gerade von der sogenannten Wahrheitskommission des Landes erstellten Berichts ab. In dem 2500 Seiten starken Dokument geht es um die Menschenrechtsverbrechen insbesondere des indonesischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung Osttimors. Präsident Gusmão weigerte sich auch, westliche Regierungen zur Wiedergutmachung aufzufordern, die die Besetzung Osttimors durch Indonesien gebilligt und dessen Machthaber Hadji Mohamed Suharto mit Waffen und militärischem Knowhow beliefert hatten.
Fatales (Ver-)Schweigen
Präsident Gusmãos Rede fiel auf ein geschichtsträchtiges Datum. Genau 30 Jahre zuvor, am 28. November 1975, hatte die aus Wahlen siegreich hervorgegangene Unabhängigkeitsbewegung Fretilin, deren Führer er damals war, die Demokratische Republik Osttimor ausgerufen. Gerade mal neun Tage überlebte diese Republik, dann machte die indonesische Soldateska ihr gewaltsam den Garaus. Das Regime in Jakarta annektierte Osttimor ein Jahr später völkerrechtswidrig als 27. Provinz Indonesiens und errichtete dort ein Terrorregime, das sich bis 1999 an der Macht halten konnte.
Das alles scheint heute, zumindest aus Sicht der Herrschenden in Osttimors Hauptstadt Dili, kein Thema mehr zu sein. Während seiner dreieinhalbjährigen Amtszeit hat sich Gusmão zum Sachwalter einer Politik des Verschleierns, Verschweigens und Vergessens gemacht, um die Beziehungen zum übermächtigen Nachbarn Indonesien nicht zu belasten. Die Deutsche Kommission Justitia et Pax, eine katholische Menschenrechts- und Entwicklungshilfeorganisation, appellierte in einer am 2. Dezember gemeinsam mit Misereor, missio, und der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia! veröffentlichten Presseerklärung an das Parlament von Osttimor, den Bericht und die Empfehlungen der Wahrheitskommission öffentlich zu machen und sicherzustellen, daß die Bevölkerung in Osttimor, insbesondere die Opfer und ihre Familien, Kenntnis davon erhalten.
Osttimors Wahrheitskommission hatte die Aufgabe, die von April 1974 bis zum Abzug des indonesischen Militärs im Oktober 1999 begangenen Menschenrechtsverbrechen zu untersuchen, Versöhnungsprozesse einzuleiten und einen Abschlußbericht mit Empfehlungen vorzulegen. Die Kommission fand breite Akzeptanz in der Bevölkerung und erläuterte in ihrem Report, welche konkreten Maßnahmen auf dem Weg zu Gerechtigkeit, Versöhnung und nationalem Frieden umzusetzen seien. Das rührige National Security Archive an der George Washington University in Washington, D.C., hatte der Wahrheitskommission zahlreiche deklassifizierte Dokumente früherer US-amerikanischer Regierungen mit brisantem Inhalt zur Verfügung gestellt (siehe unten).
Suhartos »Neue Ordnung«
In Osttimor, der früheren Kolonie Portugiesisch-Timor, begann vor 30 Jahren ein Massaker an der Zivilbevölkerung, das zu den schlimmsten nach dem Zweiten Weltkrieg zählt. Untersuchungen von Amnesty International, Human Rights Watch und anderer Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen gehen davon aus, daß von Ende 1975 bis zum Frühjahr 1998, als Indonesiens Präsident Hadji Mohamed Suharto zurücktrat, über 200.000 der etwa 800.000 Einwohner Osttimors infolge der indonesischen Besatzung ums Leben kamen. Exekutiert wurde dieser Genozid von den Sicherheitskräften eines Regimes, dessen Oberhaupt der ausgesprochene Darling der »westlichen Wertegemeinschaft« in Südostasien war. Suharto selbst hatte sich Anfang Oktober 1965 als General der Eliteeinheit Kostrad blutig an die Macht geputscht, Hunderttausende Regimegegner und vermeintliche Kommunisten (die KP Indonesiens, PKI, war damals die weltweit drittstärkste KP) massakrieren lassen und damit den Grundstein seiner »Neuen Ordnung« gelegt.
»Ich habe vermutlich viel Blut an meinen Händen, aber das ist nicht unbedingt schlimm. Manchmal muß man hart durchgreifen«, erklärte Robert Martens, der 1965 Mitarbeiter der US-Botschaft in Jakarta war und dort als Kommunismusexperte den Schergen Suhartos zuarbeitete. In der Botschaft liefen sämtliche sensiblen Informationen über die PKI-Struktur zusammen, die sodann indonesischen Militärs übermittelt wurden, welche ihrerseits die Drecksarbeit erledigten. Indonesien galt Mitte der 60er Jahre als ein »Modell für Vietnam«, so William Colby, der 1965 in der CIA für den Fernen Osten zuständig war, und danach zum Chef des »Phönix«-Progamms in Südvietnam avancierte. Durch diese Militäraktion sollte die Infrastruktur des Widerstandes gegen die USA und ihre südvietnamesischen Marionetten zerstört werden. Laut Colby wurden dabei »nur gut 20.000 Vietnamesen« umgebracht.
»Amerikanische Elitemedien begrüßten den Völkermord«, schrieb kürzlich Åsa Linderborg in der Stockholmer Tageszeitung Aftonbladet, »laut Time war das die ›beste Nachricht seit Jahren in Asien‹, und das Magazin kommentierte glücklich ›das heiße Blutbad, das 400.000 Leben kostete, und kaum jemand bemerkte‹. Selbst die New York Times war außer sich, hat das entsetzliche Geschehen aber mehrere Jahre später als ›eine der barbarischsten Massenabschlachtungen in der modernen politischen Geschichte‹ bezeichnet«.1 Indonesien, der bevölkerungsreichste und größte Staat Südostasiens, sollte unbedingt ein Vorposten westlicher Interessen in der Region bleiben, den es ein für allemal »vom Virus der Subversion und Instabilität«, so der damalige US-Außenminister Henry A. Kissinger, zu befreien galt. Aus diesem Grund wurden sämtliche innen- wie außenpolitischen Schandtaten während der Suharto-Ära in den westlichen Hauptstädten stillschweigend geduldet. Schließlich wollte man das eigene Business und lukrative Aufträge aus Jakarta nicht gefährden.
Komplizenschaft mit dem Westen
Als in Portugal im Frühjahr 1974 die Nelkenrevolution das diktatorische Salazar-Regime vom Sockel stürzte und die neuen Machthaber einen Dekolonialisierungsprozeß einleiteten, waren davon nicht nur die großen Kolonien in Afrika (Angola und Moçambique), sondern auch im Fernen Osten das kleine Osttimor betroffen. Weil dort nicht nur aus Wahlen die Befreiungsbewegung Fretilin als Sieger hervorgegangen war, sondern auch noch Ende November 1975 die unabhängige Republik Osttimor ausgerufen wurde, schrillten in Jakarta die Alarmglocken. Ein »zweites Kuba« sollte im Keim erstickt werden – mit Wissen, Duldung und aktivem Flankenschutz aus Washington.
Der damalige US-Präsident Gerald R. Ford und sein Außenminister Kissinger hatten sich nicht nur für massive Waffenlieferungen an Jakarta stark gemacht. Das Ford-Kissinger-Tandem befand sich Ende 1975 auch auf Stippvisite in Ost- und Südostasien und stattete Suharto just einen Tag vor der indonesischen Invasion in Osttimor am 7. Dezember 1975 einen Besuch ab. Ford und Kissinger enthielten sich jedweder Kritik. Mehr noch: Kissinger gab Suharto zwei Hausaufgaben auf. Erstens: Jakarta solle die Invasion erst beginnen, wenn er (Kissinger) und der Präsident wieder in Washington gelandet seien. Just so geschah es denn auch. Zweitens: Suharto wurde zum »quick fix« gedrängt – im Klartext: Das Militär sollte den Einmarsch auf schnellstmöglichem Wege durchführen.
An der engen Komplizenschaft westlicher Regierungen mit dem Suharto-Regime änderte sich auch nach der Osttimor-Invasion und der grausamen Besetzung der Region durch indonesisches Militär nichts. Im Gegenteil: Osttimor war nichts als ein Bauernopfer im Kalten Krieg, zu unbedeutend und klein, als daß man seinetwegen die großen Interessen und Geschäfte aufs Spiel setzen wollte. Die Regierungen der USA und Australiens waren dabei zweifellos die engsten Verbündeten der Machthaber in Jakarta. In London, so der frühere britische Botschafter in Jakarta, John Ford, brüstete man sich mehrfach öffentlich damit, die Kontroverse um »die Vorfälle in Osttimor« vom Parkett der internationalen Politik und Diplomatie ferngehalten zu haben, vor allem als Großbritannien den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehatte. Selbst der Tod zweier britischer Journalisten, die im Oktober 1975 in Osttimor bei Recherchen von indonesischen Sicherheitskräften umgebracht worden waren, war London keiner hartnäckigen Untersuchung wert.2 Und auch bundesdeutsche Stellen mischten mit und hielten Jakarta die Stange. So besuchten beispielsweise indonesische Offiziere Ausbildungskurse an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese. Und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn vereinbarte mit Jakarta 1984 als sogenannte entwicklungspolitische Hilfe ein Kooperationsabkommen über Polizeiausbildung und -technologie.
Militär gegen Unabhängigkeit
Erst als Suhartos Nachfolger Bacharuddin Jusuf Habibie 1998 ankündigte, in Osttimor ein Referendum durchführen zu lassen, wurde die Osttimor-Frage (bedingt) internationalisiert. Doch das Militär rief sofort zum Widerstand gegen diese Entscheidung auf, jene Kraft also, die zuvor die eigentlichen Zitadellen der Macht gebildet hatte. Die Militärführer befürchteten, daß mit Osttimor ein Fanal gesetzt würde und in der Folge auch in anderen Regionen des Archipels Unabhängigkeitsbestrebungen entstehen könnten, welche den Zentralstaat in seinem Bestand bedrohten. Tatsächlich setzte der kommandierende Oberst der indonesischen Truppen in Osttimor um, was er zuvor angedroht hatte: »Sollte die Unabhängigkeitsbewegung gewinnen, wird alles zerstört. Osttimor wird nicht mehr so sein, wie es jetzt noch ist. Es wird schlimmer als vor 23 Jahren werden«.3
Sofort nach dem Referendum vom 30. August 1999, in dem die Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit stimmte, nahmen Greueltaten, organisiert und überwacht vom indonesischen Militär, erschreckende Ausmaße an. Am 7. September zitierte die französische Nachrichtenagentur AFP einen proindonesischen Milizenführer, der die Strategie Jakartas ungeschminkt offenlegte: Ziel sei es, bis zu 300.000 Osttimoresen in den (indonesischen) Westteil der Insel zu deportieren und Osttimor mit Indonesiern neu zu bevölkern. Die ohnehin zu spät in die Krisenregion entsandte UN-Mission UNAMET (United Nations Assistance Mission in East Timor) gab in ihrem Bericht vom 11. September folgende Lageeinschätzung: »Die unmittelbare Verbindung zwischen Milizen und Militär steht außer Zweifel (…) Ausmaß und Intensität der Verheerungen, die Osttimor während der vergangenen Woche erlebt hat, demonstrierten ein neues Niveau der offenen Beteiligung des Militärs an Operationen, die vormals eher verdeckt durchgeführt wurden.« Und UNAMET warnte: »Das Schlimmste dürfte erst noch bevorstehen. Es ist nicht auszuschließen, daß hier die erste Phase einer Völkermordaktion abläuft, mit der das Problem Osttimor gewaltsam aus der Welt geschafft werden soll.«4
Während die indonesischen Streitkräfte und ihre Milizen im September 1999 mordend und plündernd durch Osttimor zogen, die Hauptstadt Dili niederbrannten und massenhaft Menschen nach Westtimor verfrachteten5, blieb man in den westlichen Hauptstädten auch dieses Mal tatenlos. UN-Generalsekretär Kofi Annan bemühte sich derweil in Jakarta um ein Plazet dafür, mehr Beobachter und Blauhelme nach Osttimor schicken zu dürfen. Das veranlaßte Noam Chomsky, seit dem Vietnamkrieg einer der profiliertesten Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik, zu der Feststellung: »Die US-Luftwaffe, die in Jugoslawien zivile Ziele punktgenau vernichten konnte, sah sich außerstande, Nahrungsmittel für hungernde Menschen abzuwerfen, die vom Terror der indonesischen Streitkräfte in die Berge getrieben wurden – von Truppen also, die von den USA und ihren Verbündeten ausgerüstet und ausgebildet werden.«
Wer heute vollmundig über die Notwendigkeit des »weltweiten Kampfes gegen den Terror« redet, darf zumindest über Kissinger und seine Rolle in Osttimor, Indonesien, Kambodscha, Chile und anderswo nicht schweigen. Gleichermaßen ist heute jenen Kräften in Osttimor und Indonesien internationale Rückendeckung zu verwehren, die Wahrheitskommissionen und in Gang gesetzte Versöhnungsprozesse in ihr Gegenteil verkehren und einzig zum Zwecke kollektiver Amnesie mißbrauchen.
1 Åsa Linderborg, »Selektives Schweigen. Zwei Völkermorde, die wir offensichtlich vergessen sollen: Indonesien 1965 und Osttimor 1975, in: Aftonbladet, 27.10.2005 (Übersetzung aus dem Schwedischen: Renate Kirstein)
2 Donald Greenlees, »Complicity shown in Timor takeover«, International Herald Tribune, 1.12.2005
3 Australian Financial Review, 14.8.1999 unter Bezug auf ein Radio-Interview
4 Bericht an den UN-Sicherheitsrat über die UNAMET-Mission nach Jakarta und Dili, 8. bis 12.9.1999
5 Siehe u.a.: »Jakarta’s Bloody Hands: Military Back Killings«, Sydney Morning Herald, 6. September 1999; »UN Finds High-level Army Terror Role«, The Age (Melbourne), 5. September 1999; »Victims ›left to die‹ on streets where they fell«, South China Morning Post (Hong Kong), 11. September 1999
Osttimor – Eine kurze Chronologie
* 16. Jahrhundert: Portugal treibt seit dem frühen 16. Jahrhundert Handel mit Timor und beginnt um 1650, die Insel zu kolonisieren
* 1859: Regionale Rivalitäten zwischen den Kolonialmächten Portugal und den Niederlanden, die das Gebiet des heutigen Indonesien kontrollieren, führen zu einem Aufteilungsvertrag; Portugal tritt die westliche Hälfte der Insel Timor an die Niederlande ab
* 1942 – 1945: Japan okkupiert Osttimor
* 1945 – 1975: Portugal bleibt weitere drei Jahrzehnte Kolonialmacht
* 28. November 1975: Die Befreiungsbewegung Fretilin erklärt Portugiesisch-Timor (Osttimor) für unabhängig und ruft die Demokratische Republik aus
* 7. Dezember 1975: Indonesien erkennt die neue Republik nicht an und erteilt dem Militär Order, in Osttimor einzumarschieren und das Land zu besetzen
* Juli 1976: Osttimor wird von Indonesien annektiert und offiziell zu dessen 27. Provinz erklärt
* ab Juli 1976: Mehrere blutige »Befriedungsfeldzüge« des indonesischen Militärs, in deren Verlauf mindestens ein Viertel der Bevölkerung das Leben verliert, lassen die Insel nicht zur Ruhe kommen
* Dezember 1996: Der katholische Bischof von Dili, Carlos Belo, und der damalige Sprecher der Unabhängigkeitsbewegung und heutige Außenminister, José Ramos-Horta, erhalten für ihr unermüdliches Engagement den Friedensnobelpreis
* Mai 1998: Indonesiens Präsident Hadji Mohamed Suharto tritt zurück und benennt seinen Vize Bacharuddin Jussuf Habibie zu seinem Nachfolger. Dieser stellt ein alsbaldiges Referendum in Osttimor in Aussicht
* Sommer 1999: Die indonesische Soldateska entfesselt, von proindonesischen Milizen unterstützt, ein erneutes Massaker in Osttimor, als dessen Bevölkerung im Referendum vom 30. August 1999: mit 78,5 Prozent für die Unabhängigkeit der ehemaligen portugiesischen Kolonie stimmt
* Ende September 1999: Nachdem der Westen und die UN wochenlang untätig geblieben waren, als in Osttimor Gewalt und Chaos herrschten, gelingt es der maßgeblich von Australien geführten International Force for East Timor (INTERFET), dem Brandschatzen und Morden ein Ende zu bereiten
* 20. Mai 2002: Osttimor wird international als souveräner Staat anerkannt
* 28. November 2005: Osttimors Präsident Xanana Gusmão plädiert im Parlament dafür, den Abschlußbericht der Wahrheitskommission nicht publik zu machen
Mit Argusaugen – das National Security Archive
Das National Security Archive (NSA – http://www.nsarchive.org) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut mit angeschlossener Bibliothek an der George Washington University in Washington, D.C. Seit Jahren sammeln und publizieren die Mitarbeiter des Archivs sogenannte deklassifizierte Dokumente früherer US-amerikanischer Regierungen, die auf der Basis des Freedom of Information Act (FOIA) publik gemacht werden müssen.
Bereits am 27. Juli 2001 veröffentlichte das NSA Dokumente des State Department (Außenministerium) auf seiner Homepage im Internet (http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB52/). Titel: »Die auswärtigen Beziehungen der Vereinigten Staaten, 1964 bis 68 – Band XXVI: Indonesien; Malaysia-Singapur; Philippinen«. Allein der für Indonesien relevante Teil belegt auf reichlich 500 Seiten die aktive Zusammenarbeit US-amerikanischer Politiker, Diplomaten und Militärs mit dem Suharto-Regime, das seinen betont prowestlichen, antikommunistischen Kurs als »Neue Ordnung« deklarierte.
Am 6. Dezember 2001 legte das NSA unter der Federführung von William Burr und Michael L. Evans Dokumente aus der Zeit der Osttimor-Invasion 1975/76 vor (http://www.gwu.edu/~nsarchiv/ NSAEBB/NSAEBB62/), die zweifelsfrei die Komplizenschaft der damaligen Ford-Administration mit dem Suharto-Clan belegen. Diese Dokumente vermitteln tiefe Einblicke in das, was der Publizist Anthony Lewis am 8. September 1999 in der International Herald Tribune »Kissingerschen Realismus« genannt hatte. So hatte beispielsweise US-Außenminister Henry A. Kissinger unmittelbar nach dem Suharto-Besuch Anfang Dezember 1975 kritische Nachfragen in seinem eigenen Stab mit dem ihm eigenen derben Argument pariert, es widerspräche dem nationalen Interesse, wegen Osttimor den »Indonesiern die Zähne einzuschlagen«. Bereits im Oktober 1975, also etwa sechs Wochen vor der Osttimor-Invasion, hatten indonesische Eliteeinheiten dort mit Wissen Kissingers Geheimoperationen durchgeführt. Daraufhin konstatierte dieser gegenüber seinem engsten Stab von Mitarbeitern: »Ich gehe davon aus, daß Sie in dieser Angelegenheit wirklich den Mund halten«. In einem exklusiv für Kissinger bestimmten Memorandum hatte David Newsom, zu der Zeit US-Botschafter in Jakarta, bereits im März 1975 (knapp neun Monate vor der Osttimor-Invasion) skizziert, worum es eigentlich ging: »Die USA haben beträchtliche Interessen in Indonesien und keine in Timor«. Und beim Einmarsch in der ehemaligen portugiesischen Kolonie war das größte Waffenkontingent der indonesischen Truppen made in the USA.
Schließlich machte das NSA am 28. November 2005 weitere Dokumente zugänglich, die Brad Simpson, Historiker an der University of Maryland und Direktor des Indonesien- und Osttimor-Dokumentationsprojekts der NSA, wie folgt kommentierte: »Diese Dokumente verdeutlichen die Notwendigkeit, international auf eine genuine Aufklärung hinzuarbeiten und die Schuldigen der unsäglichen Leiden in Osttimor zu benennen, zumal nunmehr Indonesien daran geht, den Prozeß seiner eigenen Aufarbeitung der jüngeren Geschichte einzuleiten«.