Made in Germany
Dezember 2007
Deutsch-indonesische Waffengeschäfte
„Länderprofil Indonesien. Demokratischer Aufbruch, gesellschaftlicher Wandel und Folgen der Globalisierung“, Dezember 2007
Alex Flor
Waffenschmuggel mit deutschen MP´s?
General Koesmayadi erlag im Juni 2006 einem Herzinfarkt. Soldaten durchsuchten daraufhin seine Wohnung im Norden Jakartas, um Eigentum der Streitkräfte sicher zu stellen. Ihr Fund übertraf alle Erwartungen: 145 Gewehre, 42 Handfeuerwaffen, ein paar Handgranaten und ca. 30.000 Schuss Munition – nach Expertenmeinung genug, um zwei Kompanien auszurüsten. Seither rätselt man über die Motive des Generals. War er einfach ein Waffennarr? Gehörte er einer putschbereiten Militärclique an? Versorgte er Milizen in Konfliktregionen mit Waffen? Oder betrieb er gar Handel über die Grenzen Indonesiens hinaus? Spekulationen wurden genährt, als Ende September 2006 auf der US-Südpazifikinsel Guam der indonesische Admiral a. D. Erick Wotulo festgenommen wurde. Er steht in Verdacht, den Verkauf von Waffen an die in Sri Lanka aktive Bürgerkriegspartei Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) geplant zu haben. Aus deutscher Sicht ist pikant, dass sich unter den bei Koesmayadi gefundenen Waffen auch MP-5 Maschinenpistolen der Marke Heckler & Koch befanden. Woher? Neben dem Mutterkonzern in Oberndorf produziert auch der türkische Lizenzbetrieb MKEK diese Waffe. Der Export unterliegt allerdings laut Endverbleibsklausel einer Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung. Ein Verstoß gegen die Vorschrift müsste automatisch mit einem Embargo Deutschlands gegenüber der Türkei geahndet werden, meint Jürgen Grässlin, Autor des Buches „Versteck dich, wenn sie schießen. Die wahre Geschichte von Samiira, Hayrettin und einem deutschen Gewehr“ über Heckler & Koch.
Die Bundesregierung erteilte vor einiger Zeit unter Auflagen eine Ausfuhrgenehmigung für die MP-5 an die Präsidentengarde Indonesiens. Der Fall Koesmayadi wirft nun allerdings die Frage auf, ob dabei der Endverbleib sicher gestellt wäre. Ein gewisser Captain Achmad Irianto soll versucht haben, den Fall zu vertuschen, indem er Waffen von Koesmayadis Erstwohnsitz zu dem Haus in Nord-Jakarta transportierte. Irianto ist der Schwiegersohn Koesmayadis und – Angehöriger der Präsidentengarde!
„Alles, was schwimmt, geht“
Lange wäre eine Ausfuhrgenehmigung für Kleinwaffen nach Indonesien praktisch undenkbar gewesen. Vor den Menschenrechtsverletzungen der bis 1998 herrschenden Diktatur und den gewaltsamen Konflikten der Folgejahre konnte auch die deutsche Politik die Augen nicht verschließen. Dennoch versuchte man freilich, gute Kontakte zu pflegen. Nicht direkt gegen Oppositionelle einsetzbare Waffensysteme („Alles, was schwimmt, geht“) und Militärtrainings blieben im Angebot. Der wohl bekannteste Trainingsabsolvent war Prabowo, Ex-Schwiegersohn des früheren Präsidenten Suharto. In Rekordzeit machte er Karriere und brachte es bis zum Kommandeur der Elitetruppe Kopassus. Kurz vor der politischen Wende 1998 übernahm er den Befehl über die strategische Heeresreserve Kostrad – exakt die Position, die sein Schwiegervater bei der Machtübernahme 1965 innehatte. Laut der jüngst erschienenen Autobiographie von Ex-Präsident Habibie spielte auch Prabowo im Mai 1998 mit Putschgedanken. Wenig später wurde er wegen des Verschwindenlassens von Aktivisten unehrenhaft aus der Armee entlassen. Nach einigen Jahren im jordanischen Exil ist er heute als Geschäftsmann wieder in Indonesien tätig.
Prabowo war wohl ein Ausrutscher. Der Hoffnungsträger der Deutschen hieß Bacharuddin Jusuf Habibie. Der in Aachen promovierte Luft- und Raumfahrtingenieur war im Kernforschungszentrum Jülich und danach als Direktor bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) tätig. Mitte der 70er Jahre machte ihn Suharto zum Forschungs- und Technologieminister, ein Amt, welches er bis Ende der 90er bekleidete. Nach Suhartos Rücktritt im Mai 1998 durfte er bis zu den Wahlen 1999 als Übergangspräsident walten.
Habibie – Prächtige Beziehungen zur deutschen Rüstungsindustrie
Habibie verstand es, Suharto zu überzeugen, Unsummen für seine „strategischen Industrien“ zu investieren – hochmoderne Betriebe, die Flugzeuge, Schiffe und Waffen und anderes High-Tech-Geräte produzierten. Der Draht zu MBB erwies sich als nützlich. In Lizenz fertigte die Vorzeigefabrik IPTN Hubschrauber und Airbus-Komponenten. Ähnliche Kooperationen wurden zwischen PT PAL in Surabaya und den Werften Lürssen (Bremen) beziehungsweise Meyer (Papenburg) geschlossen. Ein Blick auf die Liste indonesischer Honorarkonsule in Deutschland zeigt, wie eng Geschäfte mit persönlichen und politischen Kontakten verwoben sind: Friedrich Lürssen, Bremen; Dieter Murmann, Kiel, Vorsitzender des Außenwirtschaftsausschusses des DIHT und von 1988 bis 2000 Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates … Zu Habibies Freunden aus Studientagen zählt auch Karl von Menges, bis 2002 Vorstandsvorsitzender der MAN-Tochter Ferrostaal AG. Gemeinsam mit Klöckner und Siemens war Ferrostaal am Aufbau von PT Krakatau Steel beteiligt und fungierte seitdem bei vielen Projekten als Konsortialführer. In Indonesien wurde der Konzern durch Siti Rahayu Fatimah Yayuk, einer Schwester Habibies, vertreten. Anfang der 90er Jahre sollen je 200.000 DM von Ferrostaal auf die Privatkonten Habibies und seines Vertrauten Rahardi Ramelan geflossen sein.
Schrottreife NVA-Kriegsschiffe nach Indonesien entsorgt
Zur selben Zeit erregte der zwischen Ferrostaal und Habibie ausgehandelte Verkauf von 39 NVA-Kriegsschiffen die Gemüter. Der letzte Verteidigungs- bzw. Abrüstungsminister der DDR hatte versprochen, die Schiffe zu verschrotten. Doch die Regierung Kohl wollte den Schrott versilbern. Ehemalige Bürgerrechtsaktivisten der DDR sahen sich betrogen und Menschenrechtsgruppen aus dem Westen fürchteten einen Einsatz in Osttimor oder Aceh. Gemeinsam besetzten sie die Schiffe im Hafen von Peenemünde. Doch erst als ein Jahr später die drei führenden indonesischen Zeitschriften Tempo, Editor und DeTik berichteten, der Handel würde den Staat mehr als 1 Mrd. US-$ für Instandsetzung und Ausrüstung kosten, geriet Habibie heftig unter Beschuss. Ziehvater Suharto sah sich gezwungen, die Verantwortung zu übernehmen. Den Preis dafür hatten die drei Magazine zu zahlen, die ab sofort verboten waren.
Die deutsche Wirtschaft glaubte weiter fest an Habibie und den Boom in Asien. Es schien sich auszuzahlen, wofür der frühere Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs (1901–1994), nach der Machtübernahme von Präsident Suharto und der wirtschaftlichen Öffnung des Landes die Grundlage geschaffen hatte. Um Indonesien zahlungsfähig zu machen, hatte er einen Schuldenerlass ausgehandelt, den einige sich fortschrittlich wähnende Stimmen in Verkennung der Motive und der Vergangenheit dieses ehemaligen Finanziers Hitlers bis heute loben.
Wohlwissend um Korruption und Vetternwirtschaft, finanzierten deutsche Banken unrentable Investitionen wie das Siemens-Kraftwerk Paiton. Ohne Rücksicht auf Umweltfolgen gewährte die bundeseigene Hermes-Versicherung Ausfuhrbürgschaften für Papiermaschinen der Firma Klöckner nach Sumatra und die KfW warb offensiv für Investitionen in Indonesien. Alle pumpten kräftig Geld in die Blase, die schließlich in Gestalt der Asienkrise platzen musste.
Die deutschen Großunternehmen haben die Krise nach kurzfristigen Verlusten längst überwunden. Und die Politik hat aus Fehlern gelernt. Ganz oben auf der Agenda der Zusammenarbeit mit Indonesien standen nach 1998 Projekte wie die Restrukturierung der Zentralbank und die Gestaltung eines Kartellgesetzes. Nicht, dass das falsch gewesen wäre – aber uneigennützig war es auch nicht.
Ach ja, die Schiffe:
Fast alle lagen binnen kurzer Zeit auf Dock: nicht einsatzfähig. Die einstigen Kritiker des Exports, nunmehr in rot-grüner Regierungsverantwortung, genehmigten die Nachrüstung mit neuen Motoren. Für das teuer bezahlte Geld sollten die Schrottkähne wenigstens in See stechen können.
Sie können die komplette Broschüre in der Mediathek der Website des Nord-Süd-Netzes des DGB Bildungswerks http://www.nord-sued-netz.de/news/indonesien-steht-fuer-mehr-als-fuer-terror-und-tsunami lesen, bestellen und downloaden.