Nachhaltige Profitmaximierung. Der Palmöl-Industrielle Komplex und die Debatte um „nachhaltige Biotreibstoffe“

PERIPHERIE Nr. 112, 28. Jg. 2008, S. 429-455

Einleitung

Die Palmöl-Kontroverse

Peripherie_LogoWie kein anderes Thema hat die zugespitzte Auseinandersetzung um „Biotreibstoffe“ die Debatte um den Klimawandel neu politisiert. Die Pläne der Europäischen Union, den Anteil von „Biosprit“ und „Biodiesel“ im Transportsektor vom bisherigen, freiwillig zu erreichenden Anteil von 5,75 % auf ein bindendes Ziel von 10 % bis zum Jahr 2020 zu erhöhen (COM 2008), haben zu politischen Kontroversen geführt, die die Kreise der technokratischen Klimaverhandlungen verlassen haben und in den Alltagsgesprächen einer informierten Öffentlichkeit angekommen sind. Dabei sah die „Lösung“ der Klimaprobleme durch Agrartreibstoffe zunächst so vielversprechend aus. Sie war geradezu paradigmatisch für ein technisch orientiertes, marktwirtschaftliches Post-Kyoto-Klimaregime, bei dem die Suche nach neuen Technologien und Möglichkeiten der finanzpolitischen Umsetzung des Emissionshandels und des Clean Development Mechanism (CDM) Fragen zu den gesellschaftlichen Ursachen des Klimawandels, zur Nord-Süd-Gerechtigkeit und zu den „gesellschaftlichen Naturverhältnissen“ verdrängten (Brunnengräber 2002: 199). Die Entdeckung „regenerativer Energien“ durch wichtige Wirtschaftslobbys schien eine „win-win“-Situation zu ermöglichen, in der eine Partnerschaft zwischen Industrie und Umwelt-NGOs eine ökologische Modernisierung Europas erreichen könnte.

Der Umschwung in der öffentlichen Debatte um Agrartreibstoffe und die wachsende Ablehnung des 10 %-Ziels innerhalb der Europäischen Union ist nicht zuletzt auf das Thema Palmöl zurückzuführen. Der Palmöl-Boom hat bei europäischen Umweltschutzorganisationen große Besorgnis ausgelöst und zu einer Reihe von Kampagnen geführt, die dem Image der Palmölindustrie gründlich schaden. Aktionen von Friends of the Earth und klassischen Artenschutzorganisationen wie der Borneo Orangutan Survival Foundation, zum Teil auch des WorldWide Fund for Nature machten die Palmölindustrie für die Regenwaldvernichtung und das Aussterben der letzten Orang-Utans verantwortlich. Sie übten Druck auf beteiligte Banken, Lebensmittelhersteller und Supermarktketten aus, und bekamen durch wissenschaftliche Publikationen (Goossens u.a. 2006) und UN Studien (Nellemann u.a. 2007) „seriöse“ Unterstützung, die die Kritik weit über NGO-Kreise hinaus legitimierte. Noch gefährlicher für die Agenda der Befürworter von Agrartreibstoffen waren Kampagnen, die explizit den klimapolitischen Nutzen von Palmöl als Kraftstoff in Frage stellten wie zum Beispiel von Greenpeace (2007). Von großer Bedeutung war ein Bericht, der von der internationalen NGO Wetlands International zusammen mit der Universität Wageningen kurz vor dem Klimagipfel in Bali veröffentlicht wurde (Hoijer u.a. 2006). Der Bericht machte vor allem den Palmölanbau für das Abholzen und Abbrennen der Torfwälder verantwortlich und schätzte die Menge des dadurch freigesetzten Kohlendioxid auf bis zu 2.000 Megatonnen pro Jahr. Das entspricht ca. 8 % der globalen Kohlenstoffemissionen. Damit rückte Indonesien auf Platz drei der internationalen Rangliste der „Klimakiller“ – nach den USA und China). Auch eine Reihe von Filmen wie „Hier Bio – Dort Tod. Vom Sterben des Orang-Utan“ und Fernsehproduktionen wie „Der Palmölskandal – Wie wir Stromkunden Umweltvernichtung fi nanzieren“ (BR Report München) popularisierten das Thema soweit, dass die Gleichung „Biosprit = Regenwaldvernichtung“ in vielen Gesprächen fast ein Refl ex geworden ist. Es war aber die Lebensmittelkrise und die Rückkehr von Hungerrevolten, die das Thema vollends aus einer klimatechnischen Diskussion zu einer grundsätzlichen sozialen und politischen Zukunftsfrage verwandelte. Jean Ziegler, UN Sonderbotschafter für das Recht auf Nahrung, forderte schon 2007 ein Moratorium auf Agrartreibstoffe, weil er eine Verteuerung von Lebensmitteln befürchtete. Als ein – zunächst zurückgehaltener – Weltbankbericht diese Befürchtungen bestätigte und „Biotreibstoffe“ für bis zu 75 % des Anstiegs der Lebensmittelpreise verantwortlich machte (Mitchell 2008), ist die Verbindung zwischen Hunger und Agrartreibstoffen im politischen
Mainstream angekommen.

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