Womit hat Papua das verdient?
West Papua Netzwerk, E-Info 133 vom 5. Dezember 2003
Zwei Hauptverantwortliche für die Massaker in Osttimor 1999 bekommen freie Hand in Papua.
Im November meldete die Zeitung Radar Timika in Papua die Gründung eines Zweiges der „Front zur Verteidigung von Rotweiß“ (FPMP). Zunächst ahnte niemand, was hinter dieser Organisation steckte, sprachen die Gründer doch von einer nationalen Jugendorganisation. Wer jedoch die Zeitungsmeldung genau las, erfuhr, dass die Gründung im Hauptquartier des Militärs stattfand. Was hat das Militär mit einer Jugendorganisation zu tun? Eingeweihte wussten aber bereits, welcher Name sich hinter der „Front zur Verteidigung von Rotweiß“ verbarg: Eurico Guterres, wegen Menschenrechtsverletzungen in Osttimor zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Bald tauchte auch die Kopie eines Briefes des Guterres auf, mit dem er die Gründung der „Front“ in Timika anordnete. Recherchen einiger Nichtregierungsorganisationen ergaben, dass er seinen Mittelsmännern in Timika ein militärisches Training in Java zusagte und ihnen dann Waffen „für den Kampf in Papua“ angeboten hatte. Anmeldeformulare wurden in Timika verteilt, angeblich sollen sich schon einige Hundert registriert haben, meistens Osttimoresen, die pro-indonesisch eingestellt waren und nach der Unabhängigkeit Osttimors nach Papua geflohen waren. Die zuständigen Regierungsbehörden, Polizei und Militär erhielten eine Durchschrift des Briefes. Eine Genehmigung zur Gründung der Organisation brauchte Guterres offensichtlich nicht, schließlich hatte er ja die volle Unterstützung der Militärführung.
Eurico Guterres war der Milizenführer im Osttimor des Jahres 1999. Er war der Handlanger der Generäle, die 1999 eine Politik der verbrannten Erde beschlossen hatten – für den Fall, dass bei dem von der UNO im August 1999 durchgeführten Referendum die Befürworter der Unabhängigkeit eine Mehrheit erhalten würden. Guterres befehligte die Milizen, die vor und nach dem Referendum schreckliche Massaker an der Zivilbevölkerung ausübten, vor allem an denjenigen, die sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatten. Seine Milizen wüteten mit Billigung der indonesischen Polizei und des Militärs. Erst als Truppen der UNO eingriffen, floh Guterres nach Jakarta. Dort wurde er im August 2003 als einer der Hauptverantwortlichen vor den Ad-Hoc-Gerichtshof gestellt und von indonesischen Richtern zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Da seine Anwälte Berufung einlegten, brauchte er die Gefängnisstrafe noch nicht antreten. Ob es jemals zu einer Berufungsverhandlung kommen wird? Ein Testfall für die Glaubwürdigkeit der indonesischen Justiz.
Doch in Papua gibt es ja noch einen unabhängigen Polizeipräsidenten, der sich nicht von Leuten wie Guterres auf der Nase herumtanzen lassen möchte, den Brigadiergeneral Budi Utomo. Er hat erst vor einem Jahr seinen Dienst angetreten als Nachfolger des in mancher Hinsicht sehr erfolgreichen Balinesen Made Mangku Pastika. Budi Utomo war zwar nicht gefragt worden, ob er die Gründung der „Front zur Verteidigung von Rotweiß“ genehmigt. Doch er äußerte sich dazu. Er sagte, er werde die Ziele dieser Gruppe gründlich prüfen. Nur wenn sie das friedliche Zusammenleben in Papua förderten, werde er die Gründung der Gruppe genehmigen. Ob ihm bewusst war, mit wen er sich da anlegte? Kaum hatte er sich so geäußert – da war er schon nicht mehr Polizeipräsident von Papua, sondern nach Kalimantan versetzt worden. Sein Nachfolger wurde ein alter Freund Guterres’ aus den Tagen in Osttimor, Timbul Silaen.
Nicht nur in Osttimor waren sich die beiden begegnet, sondern auch vor dem Ad-hoc-Gericht in Jakarta. Timbul Silaen war in Osttimor 1998 /1999 Polizeipräsident. Er hatte in den kritischen Wochen im August 1999 8 – 9000 Polizeikräfte unter sich, aber es gelang ihm nicht, die Lage unter Kontrolle zu halten. Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob er bestimmte Massaker in Dili hätte verhindern können, oder ob er bewusst, durch Nichtstun – oder durch Unfähigkeit? – dazu beigetragen hatte, dass immer wieder Menschen ermordet wurden. Er war z.B. verantwortlich für den Schutz des Amtssitzes des bekannten Bischofs Belo in Dili, hat aber nichts gegen die marodierenden Milizen des Guterres unternommen, die den Amtssitz verwüsteten. Als es nicht mehr anders ging, schickte er einen Hubschrauber, um Bischof Belo zu evakuieren. Das Gericht konnte oder wollte ihm keine böse Absicht unterstellen und sprach ihn frei. Das Buch „Masters of Terror“ beschreibt ausführlich die Rolle, die Guterres und auch Silaen in Osttimor 1999 gespielt haben.[1]
Die Führung in Jakarta hat ausgerechnet den 1. Dezember 2003, den heimlichen „Unabhängigkeitstag der Papua“, gewählt, um die Ernennung bekannt zu geben, ein Signal, eine Drohung – oder Teil eines längst festgelegten Plans, den Frieden in Papua zu zerstören.
Und noch eine Nuance ist bemerkenswert, die in den bisherigen Kommentaren und Nachrichten noch nicht erwähnt wurde. Laut § 48,5 des Gesetzes über die Sonderautonomie der Provinz Papua kann ein Polizeipräsident nur ernannt werden, wenn der Gouverneur zustimmt. In keiner der Nachrichten wurde erwähnt, dass der Gouverneur gefragt wurde – geschweige denn dass er zugestimmt habe. Schon bei der Ernennung von Budi Utomo war der Gouverneur nicht informiert worden. Hier hat die Regierung wieder einmal gezeigt, was sie von der Sonderautonomie für Papua hält – gar nichts. (sz)
[1] In der Nr. 98 der Schriftenreihe Gerechtigkeit und Frieden, herausgegeben von der Deutschen Kommission Justitia et Pax, findet sich die 12-seitige Anklageschrift und eine Mitschrift über die Hauptverhandlung gegen Timbul Silaen. Die Anklageschrift belegt, dass die Taten des Angeklagten nach den §§ 42, 7, 9, und 37 des Gesetzes 26/2000 (Gerichtsbarkeit für Menschenrechte) unter Strafe stehen. – Bernd Häusler, Gerechtigkeit für die Opfer, Bonn, April 2003, Justitia et Pax.