Aceh auf dem Holzweg
Rettet den Regenwald, 15. Februar 2006
von Marianne Klute, Watch Indonesia!
Auf dem Simpang Kiri in Aceh
In weiten Bögen strömt der Simpang Kiri durch die tief liegenden Gebiete des Leuser-Nationalpark zum Meer. Weiter nördlich fließt er als Simpang Alas durch die Stadt Kutacane. Der Alas enspringt am Gunung Leuser, dem Dreitausender, der dem Nationalpark seinen Namen gibt. Bevor der Simpang Kiri schließlich bei Singkil in den Indischen Ozean mündet, mäandert er durch ein biologisch einzigartiges Sumpfgebiet.
Wir fahren in einem niedrigen Sampan den Simpang Kiri hoch: Feri Irawan von Mandela, Yashut von Walhi Kutacane, ein Reporter der Tageszeitung Serambi (Aceh) und ein lokaler Bootsführer. Die Flüsse sind hier im Südwesten der indonesischen Provinz Aceh bevorzugte Transportwege, besonders für Holz. Drei Susilo, eine lokale Zibetkatzenart, vergnügen sich beim Fischfang, ein bunter Tukan fliegt über den Fluss, aus dem Ufergebüsch kriecht eine lange Schlange zum Wasser. Kettensägen kreischen.
Die Holzfäller in der Nähe des Ufers – sie verstecken ihre Stiehl-Sägen notdürftig unter Gestrüpp vor uns – haben leichte Arbeit. Hohe Bäume gibt es hier nicht mehr. Die Fäller machen nur noch Kleinholz und roden den Boden für den (illegalen) Anbau von Ölpalmen.
Wir geben vor, einen Naturfilm drehen zu wollen. Zögernd geben die Männer Auskunft über ihre Arbeit, ihren Verdienst und ihren Chef. Sie wissen genau, wohin das Holz der Bäume, die hier standen, geliefert wurde: über Fluss und Straße nach Medan in Nord-Sumatra oder vom Hafen in Singkil mit Schiffen nach Singapur und Malaysia.
Weiter oben reiht sich Holzlagerstätte an Holzlagerstätte. Es ist Schnittholz, direkt an Ort und Stelle gesägt und aus den höher gelegenen Regionen über Holzrutschen ans Ufer transportiert, teilweise aus Entfernungen von über 20 km. Arbeiter von der Insel Nias flözen das Holz dann bis zum Hafen in Singkil oder zu flachen Uferstellen, wo es auf Lastwagen verladen und dann nach Medan in Nord-Sumatra gebracht wird.
Die Niasser lächeln verlegen. Sie wissen, was sie tun. Aber sie tun es, weil sie doppelt soviel verdienen wie normal, nämlich fünf Euro am Tag.
Illegaler Holzeinschlag im Süden von Aceh
Seit Mai 2005 und besonders seit Mitte des Jahres 2005 beobachten Umweltschützer im Süden von Aceh verstärkte Aktivitäten von illegalen Holzfällern. Die „Hotspots“ für das Geschäft mit dem wertvollen Tropenholz aus dem letzten großen Naturschutzgebiet Sumatras, dem Leuser-Nationalpark mit dem ihn umgebenden Ökosystem, liegen bei Kutacane (Bezirk Aceh Tenggara in Südost-Aceh) und an der Küste bei Singkil (Bezirk Aceh Selatan in Süd-Aceh).
Die Holzeinschlagsunternehmen rekrutieren Arbeitskräfte unter dem Vorwand, das Holz würde für den Wiederaufbau von Aceh benötigt. Die lokale Bevölkerung bestätigt, dass die schwer mit Holz beladenen Lastwagen in den ersten Monaten nach der Tsunami-Katastrophe sogar Aufschriften wie „Für den Wiederaufbau von Aceh” trugen. Jetzt fahren die Holzlaster doppelt so viele Touren wie vor dem Tsunami. Allein aus dem Sumpfgebiet um Singkil kommen nach Recherchen von MANDELA und WALHI Kutacane täglich etwa 20 LKW-Ladungen mit circa 15 m3 .
MANDELA-Mitarbeiter und WALHI-Freiwillige fotografierten sogar mit Holz beladene, von der Holzmafia eingesetzte LKWs internationaler Hilfsorganisationen. Zwar achten die meisten Hilfsorganisationen darauf, kein illegales Holz beim Wiederaufbau zu verwenden, doch haben sie kaum Kontrolle in den von der Hauptstadt Banda Aceh weit entfernt liegenden Gebieten im Süden von Aceh.
„Das meiste Holz ist erstklassige Ware“, erklärt mir Yashut von WALHI Kutacane. Bevorzugte Holzarten sind Semaram, Merbau, Kruing und Meranti: sie erzielen höhere Preise auf dem internationalen Markt. Ein Kubikmeter kostet 18 Mio. Rupiah, entsprechend 1.600 Euro. Für das Gebiet Singkil allein bedeutet dies täglich: 20×15×1.600 bzw. eine halbe Million Euro. „Klar, dass das Holz nicht für Aceh bestimmt ist“, sagt Yashut. „Es wird illegal ins Ausland exportiert.“
Hotspot Kutacane
Kutacane liegt in einem Tal zwischen zwei Flanken des Leuser-Gebirges, mit direkter und guter Straßenverbindung nach Medan in Nord-Sumatra. Die Stadt ist nur durch eine Bergkette von Bukit Lawang am Bohorok getrennt, wo am 2. November 2003 mehr als zweihundert Menschen, auch Touristen aus Deutschland, bei Überschwemmungen sterben mussten, erschlagen von Tausenden im Leuser-Nationalpark illegal gefällten Holzstämmen.
Gerade die Gegend um Kutacane leidet unter dem Kahlschlag im südlichen Leuser. Seit den 80er Jahren wird sie immer häufiger von Erdrutschen und Überschwemmungen heimgesucht. Allein 2005 musste Kutacane zwei tödliche „Flash Floods“ erleiden, am 15. April und zuletzt am 18. Oktober. Ursache dieser Überschwemmungen sind tropische Regenfälle, die verheerende Ausmaße erreichten, weil die kahl geschlagenen Berghänge das Regenwasser nicht mehr aufnehmen können und die Wassermassen die Holzlagerstätten mit den illegal geschlagenen Tropenhölzern mit sich reißen.
„Woche für Woche erlebt Aceh Blitzfluten“, sagt Bambang Antariksa von WALHI Aceh. Bambang beobachtet, dass im Namen des Wiederaufbaus Acehs der Wald übermäßig gefährdet, dass im Leuser immer ungehemmter Holz eingeschlagen wird und dass dies keineswegs den Flüchtlingen und Obdachlosen zugute kommt. „Wir schaffen uns neue Katastrophen“, sagt Bambang.
Tatsächlich forciert die Holzmafia im Schatten des Wiederaufbaus den illegalen Holzeinschlag. Die Wälder in der Nähe von Kutacane sind ein Zentrum dieser kriminellen Aktivitäten. Die Holzmafia hier ist skrupellos. Sie bedroht und schikaniert Umweltschützer und Bevölkerung, sie kontrolliert die lokale Presse, sie hat direkte Verbindungen zu hohen Politikern und Militärs. Über die Checkpoints des Militärs auf der Strecke nach Medan lacht die Holzmafia nur. Unbehelligt donnern die schweren Lastwagen daran vorbei. Bisher erfreuen sich die Holzbarone immer noch ihrer Profite – und der Straflosigkeit.
Das könnte jetzt anders werden. Mitarbeiter von MANDELA „verfolgen“ seit einem halben Jahr gezielt die illegalen Aktivitäten der Holzmafia bei Kutacane. Die Polizei und das Forstministerium von Nord-Sumatra konnten im Dezember 2005 Lastwagen voller Holz konfiszieren. Bisher hat sich der Besitzer noch nicht gemeldet. Ein großer Erfolg aber ist die Aufdeckung des Holzmafiaringes, dem Marzuki Desky, genannt Kiki, der Sohn des Bupati (Bezirkspräsident) von Kutacane, Armen Desky, und weitere bekannte Politiker oder deren Familienmitglieder angehören.
Kiki steht jetzt in Jakarta vor Gericht. Wenn die nationale Justiz den Mut aufbringen sollte – die Staatsanwaltschaft und die Richter des Bezirks Kutacane scheinen da ängstlicher zu sein – Kiki zu verurteilen, würde dies nicht nur ihn treffen. Sein Vater Armen Desky soll, so sagt ein anonymer Forest-Ranger, zusammen mit Mitgliedern des Bezirksrats und Militärs, die Kontrolle über den illegalen Holzeinschlag in ganz Südost-Aceh ausüben. Auch politisch plant Bupati Armen Desky Großes. Er setzt sich zur Zeit kraftvoll dafür ein, dass der Bezirk Südost-Aceh mit der Bezirkshauptstadt Kutacane inklusive des Alas-Gebietes den Status einer eigenen Provinz (Aceh Leuser Antara, ALA) bekommt. Dann könnte Armen Desky Gouverneur werden, und sein Sohn und sein Business wären womöglich gerettet. MANDELA- und WALHI-Mitglieder allerdings müssten dann einen weiten Bogen um Kutacane machen.
Hotspot Singkil
Wo auch immer das MANDELA-Team in das Torf-Sumpfgebiet bei Singkil hinkommt, überall entdeckt es Kahlschlag und illegale Aktivitäten von Holzfällern. Seit Oktober 2005 untersucht MANDELA besonders die leichter zugänglichen Ufer des Simpang Kiri/Simpang Alas. Doch auch in schwer erreichbaren Gebieten an der Westküste entdecken die Umweltschützer häufig illegalen Holzeinschlag.
Das Singkil-Sumpfgebiet und der nördlich liegende größere Kluet-Torf-Sumpf sind einzigartige Schutzgebiete, seit geraumer Zeit die letzten ihrer Art in Indonesien. Hier leben Orang-Utan, die sich durch besondere Fähigkeiten auszeichnen. Wissenschaftler haben beobachtet, dass die Kluet-Orang-Utan keine Einzelgänger sind, sondern in Gruppen leben. Außerdem benutzen sie kleine Äste als Werkzeug, um an Nahrung zu kommen. Schon vor dem Tsunami war die Hälfte des Sumpfgebietes und damit der Lebensraum der Menschenaffen zerstört. Ein Verlust dieser Torf-Sümpfe wäre ein ökologisches Disaster für Indonesien, dass schon mehr als 80% seiner Torf-Sumpfgebiete verloren hat.
Es gibt wenig Hoffnung auf Rettung für die Torfsümpfe von Singkil und dem nördlich gelegenen Kluet. Seit dem Ende der Suharto-Ära (1998) herrscht, so die Londoner Umweltorganisation Environmental Investigation Agency, EIA, Anarchie in Singkil. Entscheidungen des indonesischen Präsidenten Susilo B. Y. und der Forstbehörden, endlich gegen die kriminellen Holzunternehmer vorzugehen, helfen wenig, wenn Polizei und Forstbeamte eingeschüchtert oder sogar selbst beteiligt sind.
Umweltorganisationen wie WALHI Kutacane und MANDELA machen Druck. Das reicht aber nicht. Sie müssen selbst Polizeiaufgaben übernehmen, die Holzlagerstätten identifizieren und Beweise zusammentragen. Das erfordert enormen Mut angesichts der handfesten Drohungen der Holzmafia. Die Rückendeckung durch und die Präsenz von Unterstützern aus dem Ausland macht ihre Arbeit ein wenig sicherer. Wenn dann erste Erfolge zu verzeichnen sind, wie im Illegal-Logging-Fall von Kutacane, könnten auch Singkiler Polizeibeamte ermutigt werden, strikter gegen die illegalen Holzfäller vorzugehen.
„Denn es geht nicht um den Wiederaufbau von Aceh“, sagt Feri Irawan. „Es geht nur um Profite.“
Die Provinz Aceh
Größe: 5 Mio Hektar
Waldfläche: 3,1 Mio Hektar
Geschützter Wald: 2,7 Mio Hektar
Produktionswald: 0,64 Mio Hektar
Torf-Sumpfgebiet Kluet: 0,12 Hektar