Indonesien-Information Nr. 1/2 2000 (Ost-Timor)

Ost-Timor: Der Weg in die Freiheit

27. Januar 1999: Überraschend für In- und Ausland kündigt Indonesiens Präsident B.J. Habibie an, Ost-Timor in die Unabhängigkeit zu entlassen, sollte sich die Bevölkerung gegen die von Indonesien angebotene "weitreichende Autonomie" entscheiden. Kreise innerhalb des indonesischen Militärs rüsten darauf hin paramilitärische Truppen(Milizen) aus und schüren gezielt Gewalt. Die Milizen werden als sogenannte pro-indonesische Kräfte ins Feld geführt. Der Weltöffentlichkeit soll das Bild eines Bürgerkrieges in Ost-Timorvermittelt werden.

5./6. April: Milizen stürmen mit Rückendeckung des indonesischen Militärs die Kirche in Liquisa und richten ein Blutbad an. Zahlreiche Menschen hatten sich vor dem Terror der Banden in die Kirche geflüchtet.

16. April: Ungehindert von den Sicherheitskräften ziehen die Milizen durch die Straßen von Dili und greifen gezielt Unabhängigkeitsbefürworter und deren Organisationen an. Es kursieren Todeslisten. Seitens des indonesischen Militärs trägt die Operation den Namen Clean-Up; ohne sich selbst die Finger dabei schmutzig zu machen, versuchen sie, Präsident Habibies Vorstoß zu einer politischen Lösung des Konfliktes zu sabotieren.

5. Mai: Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stimmen Indonesien und Portugal einem Vertragswerk zu, das eine Volksbefragung über die Zustimmung oder Ablehnung einer "weitreichenden Autonomie" von Indonesien vorsieht. Den Vereinten Nationen wird die Aufgabe übertragen, eine freie und faire Befragung durchzuführen. Eine Überwachung der vertraglichen Bestimmungen durch bewaffnete UN-Sicherheitskräfte lehnt Indonesien ab. Indonesien garantiert die strikte Neutralität von Militär und Polizei, denen die Aufgabe übertragen wird für ein Klima frei von Gewalt und Einschüchterung zu sorgen.

Die politischen wie kirchlichen Vertreter der Ost-Timoresen warnen unermüdlich davor, die Mission ohne den Schutz von Friedenstruppen durchzuführen. Einzig und allein der Rückzug des indonesischen Militärs aus Ost-Timor könne den paramilitärischen Banden den Boden entziehen.

11. Juni: Der UN-Sicherheitsrat erteilt das Mandat für die UN-Mission in Ost-Timor (UNAMET) zur Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung. Die Mission umfasst 271 unbewaffnete Polizisten, 50 militärische Berater, 210 internationale UN-Mitarbeiter, 422 UN-Freiwillige und 670 örtliche Mitarbeiter. Als Wahltag wird der 28. Juli 1999 festgesetzt.

Juli/August: Da die Sicherheitslage in Ost-Timor sehr angespannt ist, sieht sich der UN-Generalsekretär gezwungen, die Abstimmung zweimal zu verschieben. Tagtäglich wird gegen das UN-Abkommen verstoßen. Das Militär und die Polizei hindern die Milizen nur halbherzig oder gar nicht an ihren Einschüchterungskampagnen, geschweige denn, sie zu entwaffnen oder gar zu verhaften.

Auch Mitarbeiter der UN werden eingeschüchtert und angegriffen. Inzwischen verschlechtert sich die humanitäre Lage drastisch: ca. 60.000 Menschen haben aus Angst vor dem Milizenterror ihre Dörfer verlassen und in den Wäldern, abgeschnitten von jeglicher Versorgung, in kirchlichen Einrichtungen und Lagern Zuflucht gesucht. Jede weitere Verschiebung des Wahltages würde ihre Lage noch verschlechtern, ein Abbruch würde den Ost-Timoresen auf absehbare Zeit jede Möglichkeit zur Lösung des Konfliktes nehmen. Xanana Gusmão, der in Jakarta unter Hausarrest stehende Führer der Widerstandsbewegung, wie auch Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta sprechen sich dafür aus, an dem Referendum festzuhalten. Als Termin für die Volksabstimmung wird der 30. August festgesetzt.

Die Vereinten Nationen und einzelne Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft mahnen die Regierung Indonesiens zur Einhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen an. General Wiranto, Oberkommandierender der Streitkräfte und Verteidigungsminister der Habibie Regierung, beteuert, dass alles Erdenkliche getan werde, um die Sicherheit zu garantieren.

Insgesamt 446.666 Ost-Timoresen lassen sich bei UNAMET für die Wahl registrieren, davon 422.575 innerhalb Ost-Timors.

Watch Indonesia! ist mit 10 Beobachtern vor Ort, um die Ost-Timoresen auf diesem schwierigen Weg zu begleiten, durch Anwesenheit zum Schutz der zivilen Bevölkerung beizutragen sowie Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und entsprechendes Handeln der internationalen Staatengemeinschaft zu fordern. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit mit kirchlichen Hilfswerken im Rahmen der Wahlbeobachtung der Internationalen Föderation für Ost-Timor (IFET), einem Zusammenschluss von 35 Organisationen aus 22 Ländern. Mit einer flächendeckenden Anwesenheit von fast 150 ausländischen Beobachtern in allen Bezirken Ost-Timors war IFET-OP neben dem timoresisch-indonesischen Beobachtungsprojekt KIPER das größte derartige Projekt.

30. August: Wahltag: Entgegen aller Befürchtungen bleibt es am Wahltag relativ ruhig. Vereinzelt gibt es Übergriffe, Straßensperren und Einschüchterungen. Die Wahlbeteiligung liegt nach Angaben der UN bei 98,6%. Dies wird als breite Zustimmung der Bevölkerung für eine Loslösung von Indonesien gesehen. Die Welt zeigt sich beeindruckt vom Mut der Ost-Timoresen, die allem vorangegangenen Terror zum Trotz an diesem Tag ihre Stimme abgeben.

31. August: Die Wahlurnen werden nach Dili gebracht und dort zentral ausgezählt. 1. September: Der Frieden währt keine 24 Stunden. Im ganzen Land errichten die Milizen Straßensperren. In Gleno, im Bezirk Ermera, stoppen die Milizen einen UN-Konvoi und hindern die 150 internationalen Beobachter und UN-Mitarbeiter stundenlang an der Weiterfahrt nach Dili. Sie beschießen das UN-Hauptquartier in Dili und zünden umliegende Häuser an. Sie machen gezielt Jagd auf einheimische UN-Mitarbeiter. Journalisten und ausländische Beobachter werden bedroht. Ein BBC Korrespondent wird vor laufender Kamera mit dem Gewehrkolben traktiert. Bewaffnet mit Gewehren und Macheten patrouillieren die Milizen in den Straßen von Dili, zahlreiche Ost-Timoresen flüchten auf das UN-Gelände. Nach Angaben von Beobachtern und Journalisten sieht die indonesische Polizei dem Treiben tatenlos zu.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilt die Gewalttaten auf einer Dringlichkeitssitzung "aufs Schärfste", ergreift jedoch keine Maßnahmen gegenüber der indonesischen Regierung.

3. September: Indonesien schickt zur "Verstärkung" 1.500 zusätzliche Truppen. Militärische Fachleute und Politiker sind sich einig darin, dass General Wiranto den Terror in Ost-Timor sofort beenden könnte, wenn er nur wollte.

Die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Mary Robinson, spricht sich für die Entsendung einer größeren Blauhelmtruppe nach Ost-Timor aus, um die Bevölkerung und die UN-Mitarbeiter zu schützen.

4. September: Angesichts der eskalierenden Gewalt hat sich die UN dazu entschlossen, das Ergebnis der Volksabstimmung 3 Tage früher als geplant zu verkünden. Zeitgleich geben UN-Generalsekretär Kofi Annan und der UN-Leiter für Ost-Timor, Ian Martin, in New York und Dili bekannt, dass78,5% der Stimmberechtigten das Autonomieangebot Jakartas ablehnen.

UNAMET ruft aus Sicherheitsgründen seine Mitarbeiter aus den meisten Städten zurück, räumt die Außenposten und verschanzt sich im Hauptquartier in Dili. Von Macheten zerstückelte Leichen einheimischer UN-Mitarbeiter werden gefunden, von anderen fehlt jede Spur. "Wir waren von Anfang an nicht in der Lage uns zu schützen", räumt der UNAMET-Pressesprecher Wimhurst ein. Auch die Teams der unabhängigen Wahlbeobachter werden nach Dili zurückbeordert.

5. September: Erneut tritt der Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Man beschließt, eine Delegation von 5 Mitgliedern nach Jakarta zu entsenden. Derweil liegen Rauchwolken über Dili. Die Stadt ist in der Hand der Milizen, die von der indonesischen Armee inzwischen ganz offen unterstützt werden. Milizen stürmen das Hotel Makhota und postieren Schützen auf dem Dach. Unbehelligt führen sie Personenkontrollen am Flughafen durch. Ihr Terror treibt die ausländischen Augenzeugen aus dem Land.

Verteidigungsminister und Armeechef Wiranto fliegt zusammen mit weiteren drei Ministern nach Dili. Sie wagen sich aber selbst nicht in die Stadt. Ein Krisengespräch mit UN-Vertretern findet am Flughafen statt.

Die Bevölkerung flieht in die Berge, sucht Zuflucht auf dem UN-Gelände und in Kirchen. Rund 2.500 Menschen haben Zuflucht auf dem Gelände um die Residenz von Bischof Belo gesucht. Der Bischof macht die indonesischen Militärs für die anhaltenden Gräueltaten verantwortlich und fordert die Staatengemeinschaft eindringlich auf, Friedenstruppen zu schicken, um dem Morden ein Ende zu bereiten.

Am Abend und in der Nacht attackieren die Milizen die Rechtshilfeorganisation Yayasan Hak, das Krankenhaus und das Anwesen des Internationalen Roten Kreuzes, wo sich ca. 2.000 Flüchtlinge aufhalten. Sie dringen in Kirchen und Konvente ein, bedrohen und töten Priester und Schwestern, vertreiben die dort Schutz suchenden Menschen. UN-Sprecher Nick Birnback bestätigt, dass Milizen gemeinsam mit indonesischen Truppen Tausende von Menschen auf Lastwagen verladen und nach West-Timor abtransportieren. Die ganze Nacht über ist Maschinengewehrfeuer zu hören, unzählige Menschen finden den Tod.

6. September: Am frühen Morgen stürmen die Milizen die Residenz von Friedensnobelpreisträger Bischof Belo und brennen sie nieder. Es gibt Dutzende von Toten und Verletzten unter den dort Schutz suchenden Menschen. Bischof Belo wird in einem indonesischen Polizeihubschrauber nach Baucau geflogen und am Tag darauf "inkognito" in einer australischen Militärmaschine zusammen mit den UNAMET-Mitarbeitern und IFET-Wahlbeobachtern nach Darwin/Australien ausgeflogen.

Die Gewalt eskaliert, die Lage gerät völlig außer Kontrolle. Milizen ziehen mit Unterstützung der Armee plündernd und mordend durch Ost-Timors Städte und Ortschaften. Die Vereinten Nationen beginnen daraufhin, einen Teil ihrer Mitarbeiter nach Darwin zu evakuieren. Die letzten internationalen Wahlbeobachter, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Journalisten schließen sich dem an. Ein Konvoi wird auf dem Weg zum Flughafen von Milizen beschossen.

Die Europäische Kommission verurteilt die Gewalt in Ost-Timor schärfstens und unterstützt Forderungen nach einer internationalen Friedenstruppe. Eine Verhängung von Sanktionen gegen Jakarta wird gegenwärtig nicht erwogen. Die EU-Außenminister fordern weiterhin, die internationale Gemeinschaft solle "frühzeitig handeln", um die Umsetzung des Abstimmungsergebnisses zu sichern.

7. September: Indonesien entlässt Unabhängigkeitsführer Xanana Gusmão nach fast sieben Jahren Haft. Die britische Botschaft in Jakarta bietet ihm Zuflucht an. Auf einer Pressekonferenz wirft er der indonesischen Armee vor, sich an dem brutalen Vorgehen gegen die Bevölkerung zu beteiligen. Die internationale Staatengemeinschaft fordert er auf, der Gewalt nicht mehr tatenlos zuzusehen.

Weltweite diplomatische Bemühungen bringen keinen Durchbruch: UN-Generalsekretär Kofi Annan fordert Indonesiens Präsidenten B.J. Habibie ultimativ auf, "die Lage so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen". Als Reaktion auf die weltweite Empörung verhängt er das Kriegsrecht über Ost-Timor. Angesichts der direkten Beteiligung der Streitkräfte an den Terrorakten wird dies als untaugliches Mittel eingeschätzt. Das Hauptquartier der UN in Dili wird weiterhin belagert. Ian Martin, Chef von UNAMET, hält es inzwischen für möglich, dass die gesamte UN-Mission abgebrochen und das Personal ausgeflogen wird. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR sind allein aus Dili 35.000 Menschen vertrieben worden, Ian Martin spricht von "vorsätzlichen Zwangsvertreibungen in sehr großem Ausmaß".

Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) fordert den unverzüglichen Einsatz von Friedenstruppen. Soldaten im australischen Darwin werden in Alarmbereitschaft versetzt, damit die Regierung in Canberra innerhalb von 24 Stunden in Ost-Timor eingreifen kann.

8. September: Erstmals äußert sich Außenminister Joschka Fischer zur Lage in Ost-Timor. Er verurteilt die Politik des Massenterrors und der Vertreibung mit Nachdruck. "Indonesien muss jetzt handeln, oder eine Friedensmission muss die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten". Der außenpolitische Sprecher des Bundeskanzlers, Michael Steiner, hält den Einsatz einer Friedenstruppe für verfrüht. Zunächst gehe es darum, Indonesien nicht aus der Pflicht zu entlassen, die es im Vertrag von New York eingegangen sei.

Der UN-Sonderbotschafter für Ost-Timor, Jamsheed Marker, räumt ein, dass Indonesien seit Vertragsunterzeichnung seinen Verpflichtungen zur Gewährleistung der Sicherheit nicht nachgekommen sei.

Eine fünfköpfige UN-Delegation reist zu Krisengesprächen nach Jakarta, doch die indonesische Regierung bleibt bei ihrer Ablehnung einer internationalen Intervention. "Sie müssen sich schon den Weg freischießen", erklärt Indonesiens Außenminister Ali Alatas.

Unterdessen kapituliert die UN in Ost-Timor vor der Gewalt und bereitet den Abzug sämtlicher Mitarbeiter für den nächsten Tag vor. Noch unklar ist das Schicksal der einheimischen UN-Mitarbeiter und deren Familien sowie das der ca. 1.500 Flüchtlinge, die auf dem UN-Gelände Zuflucht gesucht haben. Milizen blockieren einen Hilfskonvoi mit Lebensmitteln, der für die UN bestimmt ist.

9. September: Die beiden großen Kirchen in Deutschland fordern die sofortige Entsendung einer UN-Friedenstruppe. Die Autorität der Vereinten Nationen stehe auf dem Spiel, wenn nicht schnell wirksam gegen Mord und Vertreibung vorgegangen werde. Die UN trüge die Verantwortung für die Umsetzung des Ergebnisses der Volksabstimmung, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Nach Einschätzung von Ministerin Wieczorek-Zeul haben die Vereinten Nationen das Recht, notfalls auch ohne die Zustimmung Indonesiens eine Friedenstruppe nach Ost-Timor zu entsenden. Staatsminister Ludger Volmer vom Auswärtigen Amt hält dagegen, dass ein Eingreifen von außen gegen den Willen Indonesiens nicht in Frage komme.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte fordert eine Sondersitzung der UN-Menschenrechtskommission über die "extrem ernste Lage" in Ost-Timor.

In einer beispiellosen Revolte gegen ihren obersten Chef Kofi Annan weigern sich einige UN-Vertreter, in Ost-Timor das Feld zu räumen. Sie seien nicht bereit, die lokalen Mitarbeiter ihrem ungewissen Schicksal zu überlassen. Es sei wichtig, so UNAMET Sprecher Wimhurst, eine symbolische Präsenz aufrecht zu erhalten.

10. September: Die Bundesregierung stellt vorsorglich 1 Millionen DM für humanitäre Hilfe an die Opfer in Ost-Timor bereit. Sie kommt damit einem Aufruf des UN-Sicherheitsrates nach. Staatsminister Ludger Volmer sieht keine Möglichkeit für einen Einsatz von UN-Friedenstruppen. Dies läge vor allem an der Haltung Russlands und Chinas.

11. September: Die Delegation des UN-Sicherheitsrates reist in Begleitung von General Wiranto nach Dili. Begleitende Journalisten sagen aus, dass die Stadt nur noch als Ruinen bestehe und menschenleer sei. Die UN-Delegierten tragen kugelsichere Westen und besuchen auch die sechzig unbewaffneten UN-Mitarbeiter, die dort freiwillig zusammen mit ca. 2.000 Flüchtlingen ausharren.

12. September: Indonesiens Regierung lenkt ein und akzeptiert die Einsetzung einer internationalen Schutztruppe.

In Surabaya stürmen ca. 400 Demonstranten das australische Konsulat. Sie werfen Australien vor, sich mit seiner Unterstützung für Ost-Timor in die inneren Angelegenheiten Indonesiens einzumischen. Die Polizei sieht bei der Aktion zu ohne einzugreifen.

13. September: Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Robinson will sich dafür einsetzen, dass die verantwortlichen indonesischen Militärs vor Gericht kommen. Gleichzeitig räumte sie Versäumnisse der UN ein: Schon vor dem Referendum hätten UN-Friedenstruppen entsandt werden müssen.

15. September: Der UN-Sicherheitsrat billigt in einer Resolution einstimmig eine internationale bewaffnete Schutztruppe (INTERFET) unter Führung Australiens. Des weiteren beteiligen sich: Ägypten, Brasilien, Dänemark, Fidschi, Frankreich, Irland, Italien, Jordanien, Kanada, Kenia, Nepal, Neuseeland, Norwegen, Philippinen, Russland, Singapur, Südkorea, Thailand.

Die Milizen verlagern ihre Aktivitäten nach West-Timor und machen in den Flüchtlingslagern gezielt Jagd auf Unabhängigkeitsbefürworter. Die Lage der ca. 200.000 Flüchtlinge in Ost-Timor spitzt sich zu. Tausende von Ost-Timoresen sind nach UN-Angaben vom Hungertod bedroht, weil sich die indonesische Regierung weigert, Sicherheitsgarantien für Hilfsflüge zu geben.

16. September: Die Europäische Union verhängt ein vorläufig auf vier Monate befristetes Embargo für Waffenexporte und militärische Zusammenarbeit mit Indonesien.

In Indonesien wächst die Stimmung gegen das Ausland, insbesondere richtet sich der Protest gegen Australien und die USA. Vor den Botschaften demonstrieren zahlreiche Indonesier gegen die "neokolonialistische Einmischung" des Auslandes. Den Vereinten Nationen wird vorgeworfen, die Ost-Timoresen beeinflusst zu haben.

20. September: Die ersten Einheiten der INTERFET (International Force for East Timor) landen in Dili. Sie finden ein Land vor, dessen Bevölkerung zu 80% vertrieben ist und das zu mindestens 70% zerstört ist.

23. September: Das Kriegsrecht über Ost-Timor wird aufgehoben. Die aus Ost-Timor abziehenden indonesischen Soldaten hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Sie überfallen nicht nur Lebensmittellager und Hilfstransporte der Vereinten Nationen, sondern zerstören gemeinsam mit pro-indonesischen Milizionären systematisch alle Infrastruktureinrichtungen und öffentlichen Gebäude.

23.-27. September: Die UN-Menschenrechtskommission tritt in Genf zu einer Sondersitzung zusammen, um sich mit der Situation in Ost-Timor zu befassen und zu entscheiden, ob erste Schritte in Richtung eines internationalen Tribunals ergriffen werden sollen. Trotz erheblicher Widerstände seitens der asiatischen Staaten wird beschlossen, den UN-Generalsekretär mit der Bildung einer dies bezüglichen Untersuchungskommission zu beauftragen.

24. September: Erste Nahrungsmittel werden über Ost-Timor abgeworfen.

27.- 29. September: Bischof Belo kommt auf Einladung der Salesianer und der Deutschen Bischofskonferenz nach Deutschland. In Gesprächen mit Bundespräsident Rau, Außenminister Fischer und Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul bittet er um Hilfe für sein Land. Auf einer Pressekonferenz in Berlin unterstreicht der Bischof, dass Milizen und Militär Hand in Hand arbeiteten und es sich keineswegs um einen Bürgerkrieg handle, sondern um einen strategisch geplanten Krieg des indonesischen Militärs. Er forderte die strafrechtliche Verfolgung der Täter und Verantwortlichen für die Massaker und Zerstörungen.

4. Oktober: Der Gouverneur von West-Timor erlaubt den Vereinten Nationen, die 230.000 ost-timoresischen Flüchtlingen zurückzuführen, teilt das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen mit.

6. Oktober: Bischof Belo kehrt nach Ost-Timor zurück. Hilfsorganisationen und INTERFET zeigen sich zunehmend besorgt über den Verbleib von mehreren Hunderttausend Menschen. Dörfer und Städte, die eingenommen und gesichert werden, sind zum Teil völlig menschenleer. Bei einem Gefecht mit INTERFET-Soldaten werden zwei Milizionäre getötet. Zwei australische Soldaten werden dabei verletzt.

7. Oktober: Trotz zahlreicher Bedenken stimmt der Bundestag mit breiter Mehrheit der Entsendung von bis zu 100 Sanitätssoldaten der Bundeswehr zur Unterstützung der UN-Friedenstruppen in Ost-Timor zu. Aufgabe der in Darwin/Australien stationierten deutschen Sanitäter ist es, verletzte INTERFET-Soldaten aus Ost-Timor auszufliegen und medizinisch zu versorgen. Neben Fragen nach der Finanzierung und warum Deutschland sich ausgerechnet in Ost-Timor engagieren solle, monierten die Parlamentarier, dass Außenminister Fischer öffentlich vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 16. September die Entsendung eines Sanitätskontingents zugesagt hatte, ohne den Bundestag vorher einzubeziehen. Die PDS lehnt den Antrag ab und stellte stattdessen eine Alternative zur Abstimmung, die humanitäre Hilfe entsprechend den Bedürfnissen der Menschen in Ost-Timor(Wasserversorgung,medizinische Hilfe etc.) in gleicher finanzieller Größenordnung vorsieht.

8. Oktober: Die ersten Flüchtlinge werden vom UNHCR mit Transportflugzeugen nach Ost-Timor zurückgebracht und in Dili in Zelten untergebracht.

19. Oktober: Das indonesische Parlament erkennt das Ergebnis des Referendums und damit die politische Unabhängigkeit von Ost-Timor an.

In Liquisa entdecken INTERFET-Soldaten ein Massengrab.

20 Oktober: Abdurrahman Wahid geht als Sieger aus den indonesischen Präsidentschaftswahlen hervor. Megawati Sukarnoputri wird Vizepräsidentin.

21. Oktober: Xanana Gusmão kehrt nach Ost-Timor zurück und wird von den Menschen begeistert empfangen.

22. Oktober: Die multinationale Schutztruppe landet mit Hubschraubern und Booten in der ost-timoresischen Enklave Oekussi in West-Timor. Bis auf die Kirche sind die Häuser zu 100% zerstört, die Bevölkerung ist verschwunden, auf den Straßen liegen Leichen herum. Die INTERFET-Soldaten stoßen auf ca. 40 bewaffnete Milizen; die meisten flüchten sich über die Grenze nach West-Timor.

25. Oktober: Der UN-Sicherheitsrat überträgt den Vereinten Nationen das Mandat zum Aufbau der Verwaltung in Ost-Timor (UNTAET - UN Transitional Authority for East Timor) im Rahmen einer friedensbildenden Maßnahme mit Blauhelmen. Die UN will bis zu 8.950 Blauhelme, 200 Militärberater, 1.640 Polizisten und eine unbekannte Zahl ziviler Mitarbeiter nach Ost-Timor schicken. Die Blauhelme werden Anfang 2000 die multinationale Schutztruppe ablösen. UNTAET wird von dem Brasilianer Sergio Vieira de Mello geleitet. In 2 bis 3 Jahren wollen die UN freie Wahlen zur Bildung einer ost-timoresischen Regierung durchführen. Die politischen Vertreter Ost-Timors sollen auf jeder Ebene in die UNTAET-Planung und den Aufbau des Landes involviert sein. UNTAET soll eine zivile Verwaltung, ein Justizwesen sowie politische Institutionen aufbauen und die humanitäre Hilfe koordinieren.

31. Oktober: Die letzten indonesischen Truppen verlassen Ost-Timor

18. November - 13. Dezember: Die fünfköpfige UN-Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor, darunter die ehemalige Bundesjustizministerin und FDP-Abgeordnete Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als einzige Europäerin, nimmt die Arbeit vor Ort auf.

20. November: Rund 80.000 Flüchtlinge konnten nach Angaben des UN-Flüchtlingswerkes bislang von West-Timor zurückgeführt werden. Dies wird jedoch immer schwieriger, betont UNHCR-Sprecher Kris Janowski: Die Milizen in West-Timor setzen ihre Drohungen und Einschüchterungen gegenüber den Flüchtlingen fort und kontrollieren ungehindert die Lager.

21. November: Die Nationale Menschenrechtskommission in Indonesien kommt nach Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass das Brandschatzen, Morden, Vergewaltigungen und Vertreibungen in Ost-Timor auf das Konto der militärischen Spitze in Jakarta gehen. Führende Militärs haben Massaker, wie den Sturm auf die Residenz von Bischof Belo, den Mord an Nonnen und Priestern in Suai und die Massaker an Tausenden von Flüchtlingen persönlich überwacht. Die Kommission kündigt an, die Generäle zum Verhör vorzuladen.

6 Dezember: In den Flüchtlingslagern in West-Timor sind nach Angaben des UNHCR in den vergangenen Monaten mindesten 160 Menschen an Krankheiten gestorben. Hilfsorganisationen erhalten keinen ungehinderten Zugang zu den Lagern.

17. Dezember: Die Weltbank und Vertreter von mehr als 50 Ländern verständigten sich bei einer Geberkonferenz in Tokio darauf, Ost-Timor in den kommenden drei Jahren 520 Millionen Dollar (1 Milliarde Mark) zur Verfügung zu stellen.

30. Dezember: Der Leiter der UN-Übergangsverwaltung (UNTAET), Sergio Vieira de Mello, entschuldigte sich bei der Bevölkerung Ost-Timors dafür, dass die UN nicht rechtzeitig die Gewalt vorhergesagt und verhi ndert haben.

17. Januar: Die Europäische Union hebt das Waffenembargo gegenüber Indonesien wieder auf. Watch Indonesia! forderte eine Verlängerung des Embargos: Dies wäre für die EU eine einzigartige Gelegenheit gewesen, die zivilen Kräfte Indonesiens in ihren Bemühungen um Demokratisierung zu unterstützen und zugleich der Kritik an der Machtposition und dem Verhalten des Militärs Nachdruck zu verleihen.

24. Januar: Entgegen anfänglicher Überlegungen, den portugiesischen Escudo zur Landeswährung zu machen, wird der US-Dollar offizielle Währung in Ost-Timor. Darauf verständigten sich die UNTAET Vertreter und die Vertreter Ost-Timors im National Consultative Council.

Januar: Die UN-Untersuchungskommission für Ost-Timor kommt in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass es vor und nach dem Referendum in Ost-Timor zu schweren Menschenrechtsverletzungen kam, für die die indonesische Armee und die paramilitärischen Einheiten verantwortlich seien. Die Kommission empfiehlt den Vereinten Nationen, einen Internationalen Menschenrechtsgerichtshof für Ost-Timor einzurichten. Die Regierung Indonesiens lehnt ein internationales Tribunal ab und beteuert, die mutmaßlichen Verbrecher vor ein nationales Gericht stellen zu wollen.

31. Januar: Indonesiens Nationale Menschenrechtskommission legt einen 2000 Seiten starken Bericht über die Verwüstung in Ost-Timor vor und nach dem Referendum vor. Ähnlich wie der UN-Bericht, kommt die Kommission zu dem Schluss, die indonesische Armeeführung habe die systematische Einschüchterung und Zerstörung Ost-Timors zumindest toleriert, Milizen hätten Waffen, Training und finanzielle Unterstützung erhalten und Soldaten hätten sich an den Morden und Plünderungen beteiligt. Die Kommission fordert die Einrichtung eines Menschenrechtsgerichtes und empfiehlt dem Generalstaatsanwalt, die weitere Ermittlung und gegebenenfalls die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen sechs Generäle, darunter der damalige Oberbefehlshaber General Wiranto. Die beschuldigten Offiziere lehnen jede Verantwortung ab und erklären, einige überemotionale Soldaten hätten sich an der Gewalt beteiligt, aber die Terrorwelle sei keineswegs vom Militär organisiert worden.

14. Februar: Indonesiens Präsident Wahid suspendiert nach 14-tägigemTauziehen General Wiranto von seinem Ministeramt als Sicherheitskoordinator solange, bis geklärt ist, inwieweit der General für die Gräueltaten in Ost-Timor mitverantwortlich ist.

14./15. Februar: UN-Generalsekretär Kofi Annan besucht Indonesien. Neben Fragen nach einem Strafgericht für Ost-Timor legt der Generalsekretär besonderes Augenmerk auf die Situation der Flüchtlinge in West-Timor. Gut 5 Monate nach dem Eingreifen der internationalen Friedenstruppen leben nach Schätzungen des UNHCR noch immer ca. 110.000 Ost-Timoresen in den Flüchtlingslagern in West-Timor. Mehr als 700 Menschen, allen voran Frauen und Kinder, seien aufgrund der schlechten Versorgung und den katastrophalen humanitären Bedingungen ums Leben gekommen. Das UNHCR hat noch immer nur begrenzt Zugang zu den Lagern und wird zuweilen auch selbst zur Zielscheibe der Milizen, ungeschützt vom indonesischen Militär oder der Polizei. Der indonesische Verteidigungsminister Dr. Juwono Sudarsono verspricht dem UN-Generalsekretär bei dessen Besuch in Jakarta, dass die indonesischen Soldaten, die Flüchtlinge in den Lagern einschüchterten, unter Kontrolle gebracht werden würden.

16./17. Februar: In Ost-Timor macht sich Kofi Annan ein Bild von der Verwüstung. Erneut spricht er sich dafür aus, dass sich die Täter vor einem internationalen Tribunal verantworten müssen, sollte Indonesien dieser Aufgabe nicht angemessen nachkommen.

23. Februar: INTERFET rückt ab. Übergang der militärischen Kommandogewalt von der Friedenstruppe INTERFET auf Blauhelme der Vereinten Nationen (UNTAET PKF, Peacekeeping Force). Der australische Generalmajor Peter Cosgrove wird abgelöst durch den philippinischen Generalleutnant Jaime de los Santos. Zu den 19 Nationen, die sich an INTERFET beteiligt haben, kommen nun noch Truppen aus Bangladesch, Chile, Pakistan und Portugal.

29. Februar: Erstmals besucht der indonesische Präsident Abdurrahman Wahid das unabhängige Ost-Timor. Bei einer Kranzniederlegung auf dem Santa-Cruz Friedhof entschuldigt er sich bei der Bevölkerung "für die Dinge, die sich in der Vergangenheit ereignet haben." Bei seiner Ankunft wird der Präsident von Xanana Gusmão und rund 4.000 Menschen herzlich begrüßt. Eine Gruppe von Demonstranten fordert ihn auf, die für die Verbrechen in Ost-Timor verantwortlichen Militärs vor Gericht zu stellen. Der Präsident unterzeichnet ein gemeinsames Kommunique über die künftigen Beziehungen zwischen Indonesien und der UN-Übergangsverwaltung. Darin wird auch die Eröffnung einer indonesischen diplomatischen Vertretung in Dili und einer ost-timoresischen in Jakarta geregelt.

März: Von West-Timor aus operierende Milizen kommen über die Grenze und liefern sich Gefechte mit den Blauhelmen. Ein Zivilst wird dabei getötet. Die UN-Übergangsverwaltung wird darauf hin in Jakarta vorstellig und beschwert sich über mangelnde Grenzsicherung durch die indonesische Armee (TNI). Auch die australische Regierung legt offiziellen Protest ein, der Botschafter der USA beschuldigt TNI, die Milizen weiterhin direkt zu unterstützen. Von der Militärführung werden diese Vorwürfe zurückgewiesen. Man habe vielmehr mit der Entwaffnung der Milizen begonnen.

März: Es mehrt sich der Unmut der Ost-Timoresen über den schleppenden Wiederaufbau und die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung. Das Verhalten der UN-Übergangsverwaltung und der vielen Hilfsorganisationen wird von vielen Einheimischen als Bevormundung aufgefaßt.
 

>
Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage