Indonesien-Information Nr. 1/2 2000 (Papua)

Freeport unter Beschuss - Kissingers schmutziges Geschäft

von Siegfried Zöllner *

Freeport, die große Kupfer- und Goldmine in der Timika-Region Papuas (früher Irian Jaya), ist unter Druck geraten. In den Vereinigten Staaten haben einige namhafte Nichtregierungsorganisationen das Unternehmen kritisiert - und in der indonesischen Tagespresse finden sich fast täglich Forderungen nach Kündigung des Regierungsvertrages, seit der neue Umweltprüfungsbericht vorliegt. Er wurde von der Firma Montgomery Watson erstellt und von Freeport bezahlt. Freeport schickte den ehemaligen Außenminister Henry Kissinger nach Jakarta, um die Wogen zu glätten. Kissinger ist nicht nur ein elder statesman, ein bekannter und gewandter Politiker und Diplomat, sondern hochdotiertes Aufsichtratsmitglied, das die Interessen des freien Marktes, der amerikanischen Wirtschaft und nicht zuletzt des Unternehmens vertritt. Wir berichten über Einzelheiten und Hintergründe.

Kritik der Nichtregierungsorganisationen

Die Leitung von Freeport in den USA hatte im Herbst 1999 neue Richtlinien zur Sozial- und Menschenrechtspolicy des Unternehmens beschlossen. Amnesty International und das Robert F. Kennedy Memorial Center for Human Rights haben die Richtlinien analysiert und haben in einem Gespräch mit der Unternehmensleitung kritische Anmerkungen vorgebracht und erläutert. Es ist sicher positiv zu werten, dass die Unternehmensleitung sich auf ein Gespräch eingelassen hat - man ist immerhin bemüht, seinen notorisch schlechten Ruf in den USA zu verbessern. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die neuen Richtlinien in der Alltagspraxis des Unternehmens in Papua Anwendung finden.

Der Umweltprüfungsbericht 1999 von Montgomery Watson

Der Verbesserung des schlechten Rufes galt auch der lange angekündigte Prüfungsbericht. Er wurde im Dezember 1999 fertig gestellt und veröffentlicht. Schon bei unserem Besuch in Timika und Tembagapura im November 1999 wurden wir immer wieder auf diesen Bericht verwiesen. Dieser Bericht werde nachweisen, dass viele oder alle Vorwürfe, die Mine verschmutze, vergifte und zerstöre die Umwelt, haltlos seien. Außerdem werde der Bericht beweisen, dass das Unternehmen in allen Fragen Transparenz zeige. Was steht nun wirklich im Bericht? Da uns der Bericht noch nicht vorliegt, kann ich nur wiedergeben, was aus den Presseberichten hervorgeht.

1. Laut Umweltbericht arbeitet Freeport vorbildlich und in völliger Übereinstimmung mit Vorschriften und Gesetzen zum Schutz der Umwelt.

2. Der Bericht hat 24 Empfehlungen zur Verbesserung des Umweltmanagements ausgesprochen. Er empfiehlt z.B., das Grundwasser gründlich zu untersuchen und regelmäßige biologische Untersuchungen der Gewässer unterhalb der Abraumhalde durchzuführen. Damit soll eine etwaige Veränderung bzw. Vergiftung von Weichtieren (Mollusken) kontrolliert werden. Außerdem soll Freeport die Pläne für die endgültige Schließung der Mine und für die Gestaltung der riesigen Abraumhalde modifizieren. /Jakarta Post vom 10. Februar 2000/

3. Alan J. Krause, der Leiter der Untersuchung, soll die Vermutung geäußert haben, das Grundwasser könnte kontaminiert sein, da der alpine Wanagonsee trockengelegt wurde und jetzt mit Abraum aufgefüllt wird. /Antara vom 24. Februar 2000/

Es gibt also bedrängende Fragen zur Umweltzerstörung, - insbesondere zur Vergiftung der Gewässer - die keineswegs geklärt sind!

Umweltminister Sonny Keraf verärgert

Nach der Fertigstellung des Berichts hat Freeport sofort einige positive Passagen in Zeitungsannoncen veröffentlicht - statt den Bericht zunächst mit dem Umweltminister zu beraten. Das hat zu erheblicher Verärgerung des Umweltministers Sonny Keraf geführt. Sonny Keraf ist ein ehemaliger Umweltaktivist und arbeitete bei einer indonesischen Nichtregierungsorganisation. Unter dem Suharto-Regime gehörte er zu den gefährdeten Oppositionellen. Von Präsident Wahid wurde er ins Ministeramt gehoben. Er duldet kein "Vertuschen" unbequemer Wahrheiten. Er hat den Bericht geprüft und einige "Widersprüchlichkeiten" festgestellt, die das Unternehmen weder schriftlich noch mündlich zu seiner Zufriedenheit klären konnte. Außerdem bemängelte er das ungenügende Abraummanagement. Er kündigte an, dass die Regierung eine völlig neue Umweltprüfung veranlassen und möglicherweise den Vertrag kündigen werde. Wörtlich sagte er: "Ich habe immer gesagt, es ist sinnlos, dass wir uns Geld vom Ausland für irgend ein Entwicklungsprojekt leihen, wenn wir den Gewinn daraus nacher wieder dazu gebrauchen, den Schaden zu beheben, den dieses Entwicklungsprojekt angerichtet hat." /Jakarta Post vom 10. und vom 21. Februar 2000/

Weitere Vorwürfe

Im Dezember 1999 und Anfang Februar haben Mitglieder des Parlaments die Mine besucht. Sie forderten, den Vertrag mit Freeport zu kündigen, da er gegen Investitionsvorschriften und gegen die Verfassung von 1945 verstoße. Sie stellten fest, das Unternehmen sei verantwortlich für soziale Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und politische Spannungen. Der 1% - Fond sei völlig unzureichend. /Jakarta Post vom 21. Februar 2000/

Jetzt meldeten sich auch Stimmen aus der betroffenen Provinz selbst. Der Leiter des Umweltamts der Provinz, M. Ali Kastella, war offensichtlich durch die riesige Abraumhalde von 125 km2 beeindruckt - hat er sie denn all die Jahre nicht gesehen? Er meinte, Freeport müsse mehr tun, um eine Wiederbepflanzung voranzutreiben. /Antara vom 24. Februar 2000/

Auch Menschenrechtsverletzungen werden plötzlich offen angesprochen. Der Wirtschaftsprofessor Sri Adiningsih aus Yogyakarta erwähnte, dass laut Berichten eine Gruppe von Gefangenen in einem Container eingeschlossen im Meer versenkt worden sei. Er forderte neue unabhängige Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen. Frühere Untersuchungen - unter anderem seitens der Kirchen - seien unter dem alten Suharto-Regime geschehen. Damals habe die Möglichkeit bestanden, die wahren Tatsachen zu verschleiern. Daher müsse aufs neue untersucht werden. /Kompas 3. März 2000/

Einsetzung eines interministeriellen Ausschusses

Am 21. Februar wurde berichtet, dass vier Ministerien und die Provinzregierung einen Ausschuss eingesetzt haben, der den Vertrag zwischen Freeport und der Regierung überprüfen soll. Beteiligt sind das Umweltministerium, das Bergbau- und Energieministerium, das Innenministerium und das Finanzministerium. Dabei soll auch geprüft werden, ob bei der Neufassung des Vertrages im Jahr 1996 Bestechung im Spiel war /Indonesian Observer vom 21. Februar 2000/. Die Arbeitsgruppe hat drei Monate Zeit, die Arbeitsweise - und Vertragstreue - von Freeport zu prüfen. Im Juni wird sie eine Empfehlung aussprechen. /Media Indonesia vom 4. März 2000/

Am 26. Februar drohte Sonny Keraf mit der Möglichkeit, Freeport ganz zu schließen. "Wenn Freeport die Umwelt verschmutzt, wird die Regierung eine Warnung aussprechen. Wenn Freeport die Warnung nicht beachtet und die Umwelt in hohem Grade verschmutzt ist, kann die Regierung Freeport schließen." /satunet.com BRT Jakarta vom 26. Februar 2000/

Kissinger in Jakarta

Vielleicht löste diese Äußerung des indonesischen Umweltministers ein letztes Alarmzeichen in New Orleans aus. Am 29. Februar erschien Henry Kissinger in Jakarta. In direkten Gesprächen mit Präsident Wahid warnte er Indonesien vor einer Kündigung des Vertrages. Er drohte: Eine Kündigung des Vertrages wird das Investitionsklima verschlechtern und weitere Investoren abschrecken. Und er schmeichelte: es ist doch im Interesse von Indonesien, einmal geschlossene Verträge zu achten /South China Morning Post, 29. Februar 2000/. Präsident Wahid ernannte Kissinger prompt zu seinem persönlichen Berater - in Freeport-Angelegenheiten. Ein Schachzug Wahids - um die Amerikaner zu beruhigen?

Als Außenminister war Kissinger am 6. Dezember 1975 mit Präsident Ford in Jakarta. Damals gaben die beiden grünes Licht für die Invasion Indonesiens in Ost-Timor. Einen Tag später begann die Militäraktion, die über 200.000 Menschen das Leben kostete.

Diesmal gelang es Kissinger, die Regierung Wahid zu spalten. Während Sonny Keraf an einer Überprüfung des Vertrages mit der Möglichkeit der Kündigung festhielt, schlug der Bergbau- und Energieminister Susilo B. Yudhoyono leisere Töne an: die indonesische Regierung wird den Vertrag achten, sagte er mehrere Male /Dow Jones, Jakarta, 3. März 2000/. Auch der Außenminister Alwi Shihab sagte, die Regierung werden den Vertrag achten. Doch erwartet Shihab Zugeständnisse (concessions) von Freeport. An einer Formulierung solcher Zugeständnisse wird offenbar schon gearbeitet /Kompas 3. März 2000/. Indonesien erwartet einen größeren Gewinnanteil als bisher. Das zusätzliche Geld soll zur Finanzierung von gezielter Ausbildung genutzt werden. "Wir werden nicht akzeptieren, dass das Ausland in dieser Angelegenheit Druck auf uns ausübt", sagte er.

Sonny Keraf ließ sich nicht beeindrucken. Er wies hin auf die Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe und deren Empfehlung, die im Juni dieses Jahres vorliegen soll. Freeport habe sich in §26 des Vertrages verpflichtet, die Umwelt zu schonen und zu berücksichtigen. Wenn Freeport seine Verpflichtungen nicht eingehalten habe, müsse der Vertrag eben neu formuliert werden. Scharfe Töne kamen auch von der indonesischen Umweltstiftung Walhi: Kissingers Einmischung sei nicht ethisch und behindere den Prozess der Demokratisierung Indonesiens, sagte die Direktorin Emmy Hafild. /Media Indonesia vom 4. März 2000/

Weitere Stellungnahmen aus Indonesien

Offensichtlich war in der indonesischen Öffentlichkeit so etwas wie eine Lawine losgetreten. Andere prominente Politiker meldeten sich zu Wort. Amien Rais forderte eine Überprüfung und ggf. eine Neuformulierung des Vertrages mit Freeport. Das habe nichts mit einer Missachtung von Verträgen zu tun. Wenn Freeport die Umwelt zerstört und den dort lebenden Menschen Schaden zugefügt habe, müsse der Vertrag eben entsprechend verbessert werden.

Auch der Gouverneur von Papua, Freddy Numberi, äußerte sich. Er forderte eine Beteiligung der Provinzregierung an den Aktien und lehnte die Einmischung Kissingers strikt ab. Wörtlich sagte er: "Die Provinz Irian Jaya ist es gründlich leid, von ausländischen Unternehmen und der Zentralregierung in Jakarta ausgeplündert zu werden. Diese Art und Weise wird von den Menschen dort als eine viel schlimmere Form von Kolonialismus empfunden als der holländische Kolonialismus. Wenn sich da nichts ändert, wollen nicht nur die Provinz Irian, sondern auch andere Provinzen die Unabhängigkeit" /AFP Jakarta vom 3. März 2000/ - eine bemerkenswerte Wandlung für einen getreuen Gefolgsmann Suhartos, der von diesem mit dem Posten des Gouverneurs belohnt wurde! Außerdem solle Freeport mehr für die Ausbildung einheimischer Fachkräfte tun. "Unsere Leute sollen nicht nur als Kuli arbeiten, sondern auch als Manager!" /Kompas vom 4.3.2000/. Allerdings bestritt Numberi, dass Freeport an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sei. Er behauptete, keinen schriftlichen Bericht über solche Vorgänge gesehen zu haben.

Auch ein führender Wirtschaftsfachmann, Sumitro Djojohadikusumo, kritisierte Kissinger: "Es geht nicht um die Interessen der Amerikaner, sondern um die Interessen meines Volkes. Selbstverständlich muss der Vertrag an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.!" /Asia Pulse vom 10.3.2000/

Neue Einmischung der amerikanischen Regierung

Offenbar glaubten die Amerikaner doch nicht mehr so recht an den Erfolg der Mission Kissingers. Ist es Zufall, dass wenige Tage später der außenpolitische Berater der Regierung der USA, Thomas R. Pickering, in Jakarta erscheint und zusammen mit dem Botschafter der USA in Jakarta, Robert S. Gelbard, vor die Presse tritt und sich zu Freeport äußert? Pickering beschwor das arg gefährdete Investitionsklima, während Gelbard alle Beschuldigungen zurückwies, Freeport sei für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. "Die Regierung soll ihr Militär untersuchen, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht," sagte er. /Republika vom 4.3.2000/

Einige Tage später meldete er sich erneut zu Wort: Die Regierung möge aufhören, US-amerikanische Unternehmen der Korruption zu beschuldigen, ohne Beweise vorzulegen. Sonst werde es keine amerikanischen Investitionen mehr geben. Mit diesem Anliegen besuchte er Präsident Wahid, den Finanzminister und den Generalstaatsanwalt. Niemand könne Korruptionsvorwürfe beweisen. "Freeport erfüllt absolut seinen Vertrag. Das Unternehmen leistet auch im Blick auf die Umwelt eine ausgezeichnete Arbeit. Freeport hat in den vergangenen Jahren US$ 3,1 Milliarden an Steuern und Gebühren bezahlt. Die Regierung muss sich fragen, was sie mit diesem Geld für die Papua getan hat." /Indonesian Observer, 14.3.2000/

Was bezwecken die USA mit dieser fragwürdigen Intervention? Sie wissen doch, welche Summen Freeport direkt an Präsident Suharto und seine Clique gezahlt hat. Sie wissen doch, dass das Militär in Timika mit Geldern von Freeport finanziert wird. Auch das ist Teil des Vertrages! Sie wissen, dass eine Abraumhalde von 125 km2 und inzwischen 12 m Höhe die Landschaft bei Timika verwüstet hat. Sie wissen, dass täglich 212.000 Tonnen Abraum dieser Halde zugeführt werden. Sie wissen, dass möglicherweise das Grundwasser in der gesamten Region verseucht - und damit die Lebensgrundlage von annähernd 100.000 Menschen gefährdet ist. Sie wissen, dass Hunderte von Menschen im direkten oder indirekten Zusammenhang mit der Mine aus ihren Dörfern vertrieben, getötet, verschwunden, gefoltert, verwundet oder vergewaltigt wurden. Warum diese Leidenschaft? <>

* Siegfried Zöllner ist Koordinator des West-Papua Netzwerkes in Deutschland
 

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