Nach 19 Jahren als Bischof von Dili trat der Friedensnobelpreisträger
Carlos Ximenes Belo Anfang November 2002 1 von seinem
Amt zurück. „Ich leide unter einer großen Erschöpfung,
sowohl physischer als psychischer Natur, und benötige eine lange Ruhepause,
um wieder zu genesen,“ 2 begründete er seinen Schritt.
Beobachter diskutieren eine Vielzahl von Gründen, welche den Ausschlag
für Belos Rücktritt gegeben haben könnten.
Zum einen gibt es Berichte über Meinungsverschiedenheiten mit dem Vatikan. Während des Besuches von Belo und Bischof Nascimento (Baucau) gab der Vatikan Anfang November 2002 offiziell bekannt, in Manutai, im Süden Osttimors, innerhalb der nächsten drei Jahre eine dritte Diözese einrichten zu wollen. Belo trat hingegen dafür ein, eine Nuntiatur (päpstliche Botschaft) in Osttimor zu eröffnen, damit die diplomatischen Kontakte nicht mehr über Jakarta laufen müssten. 3
Belastet war aber auch Belos Verhältnis zur Politik in Dili. Durch seine anhaltende Kritik begab sich Belo auf Konfliktkurs mit der Fretilin-Regierung. Er bemängelte, der Aufbau gehe nicht schnell genug voran, die Bevölkerung verharre in einer Bittstellermentalität und im Versöhnungsprozess setze man falsche Prioritäten 4. Im September 2002 erklärte er gegenüber dem portugiesischen Präsidenten Jorge Sampaio: „Osttimor geht es jetzt schlechter als vor der Unabhängigkeit.“ 5
Angesichts derart harter Worte musste auch Belo einiges einstecken. Es wurde Kritik an seiner starken moralischen und sozialen Stellung geübt. Den Vorwürfen eines portugiesischen Journalisten, er hätte mehr Macht als Präsident Xanana Gusmão und verfolge eine zu konservative Linie gegenüber Animisten (Anhängern der vorkolonial weitverbreiteten Naturreligionen), begegnete er mehr als harsch. Er forderte öffentlich, seinen Kritiker, den Lusa-Korrespondenten Sampaio, des Landes zu verweisen, und bewies damit nicht unbedingt moralische Größe und demokratisches Verständnis. Ähnlich wie Sampaio äußerten sich aber auch Vertreter der Kirche. Der Erzbischof von Lissabon, Kardinal Policarpo, meinte, die osttimoresische Kirche müsse ihren politischen Protagonismus und ihre Einflussnahme ablegen, um sich in ihrer Rolle als Dienstleister zu bestärken. Sie müsse nach den langen Jahren der Besatzungszeit lernen, in einem demokratischen, unabhängigen Land zu funktionieren. 6
Es sei dahingestellt, ob die kraftraubendenden Auseinandersetzungen mit einer Vielzahl von Gegenspielern und Kritikern letztlich den Ausschlag für Belos Schritt gegeben haben. Es darf jedenfalls nicht vergessen werden, welche Spuren die enorme psychische und physische Belastung des Widerstandskampfes der letzten Jahrzehnte bei Ximenes Belo hinterließ. Arnold Kohen, der Belos Wirken über viele Jahre hinweg begleitet hat, erklärte: „What happened in 1999 really devastated him, that he was somehow unable to prevent it. Then when the UN came in, he expected things to be done more quickly than they were done. A good deal of the territory remains in ruins. Even though he knew he was not the one responsible, it had a tremendous effect on him and contributed to his decline in health.“ 7
Belos Rücktritt stieß auf Überraschung, Unverständnis bis hin zu Bestürzung bei weiten Teilen der politischen Führung wie auch der Bevölkerung Osttimors 8. Aber Belo wird sich nicht zurückziehen. Im Gegenteil, er wird durch den Rücktritt von seinem Amt mehr Gewicht auf seine Position als Friedensnobelpreisträger legen und sich mehr politischen Freiraum schaffen können. Er bleibt eine der moralischen Identifikationsfiguren, die das osttimoresische Volk angesichts der schweren Aufgaben der nächsten Jahre brauchen wird. So akzeptierte er Anfang Januar 2003 die Einladung von Präsident Xanana Gusmão, Mitglied des Concelho do Estado 9 zu werden. Ferner gab er bekannt, spätestens im Juli wieder dauerhaft in Osttimor zu sein, um Theologie zu lehren 10. <>
1 Allerdings reichte Belo bereits weit vorher,
im August 2002, sein Rücktrittsgesuch beim Vatikan ein. (Expresso,
26.11.02, „D. José Policarpo estranha resignação“).
2 AFP, 26.11.02, „East Timor: Country’s spiritual
leader Bishop Belo announces resignation“.
3 Bereits vor zwei Jahren kritisierte Belo diese
Pläne in einem Interview mit LUSA: Er beabsichtige nicht, im Falle
einer dritten Diözese Kardinal zu werden oder nach Rom zu wechseln.
Vgl. Lusa, 11.11.02, „East Timor: Bishop Belo denies report he planning
to resign“; Expresso, 09.11.02, „D. Ximenes resigna e abandona Timor“;
Expresso, 16.11.02, Interview mit Ximenes Belo, „Estou aborrecido com a
Santa Sé“.
4 Vgl. Catholic News Service, 27.11.02, Stephen
Steele, „Bishop Belo can be more efficient in retirement, says biographer;
Sydney Morning Herald / The Age, 28.11.02, Jill Jolliffe, „Bishop Belo’s
resignation leaves East Timorese wondering why“; UCA News, „East Timor:
Bishop says people must not wait for handouts“.
5 Die Hauptprobleme lägen in der mangelnden
Sicherheit, der Landwirtschaft, der Arbeitslosigkeit und der dringenden
Notwendigkeit, verstärkt Portugiesischkenntnisse zu vermitteln. (The
Portugal News, 28.09.02, „Timor worse now than before independence“).
6 Vgl. The Portugal News, 01.06.02, „Church should
lose political protagonism – Cardinal“; Asia Pacific Programs, 27.11.02,
„East Timor: Bishop Carlos Belo steps down after 19 years“.
7 So Arnold Kohen zitiert in: Catholic News Service,
27.11.02, Stephen Steele, „Bishop Belo can be more effective in retirement,
says biographer“. Belo hielt sich mehrmals in Porto, Portugal, auf, um
sich medizinischer Behandlungen wegen Bluthochdruck (Lusa, 11.11.02, „East
Timor: Bishop Belo denies report he planning to resign“).
8 Dazu zählen bspw. Präsident Xanana
Gusmão, Außenminister Ramos-Horta, Ministerpräsident
Alkatiri und der designierte Generalkonsul für Australien, Abel Guterres.
(AFP, 26.11.02, „East Timor: Country’s spiritual leader Bishop Belo announces
resignation“; Asia Pacific Programs, 27.11.02, „East Timor: Bishop Carlos
Belo steps down after 19 years“; Catholic News Service, 27.11.02, Stephen
Steele, „Bishop Belo can be more efficient in retirement, says biographer).
9 Der Concelho do Estado ist ein beratendes Gremium
des osttimoresischen Präsidenten, dem er selbst, der Ministerpräsident,
der Parlamentssprecher, fünf vom Parlament gewählte Bürger
sowie weitere fünf vom Präsidenten ernannte Bürger angehören.
(Vgl. Lusa, 21.01.03, East Timor: Ex-Bishop of Dili invited to serve on
Council of State).
10 Ebd.
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