Ein umfangreiches Straßennetz soll den Pazifischen Ozean
mit der Straße von Malakka und den Norden Acehs mit dem unzugänglichen
Süden verbinden. Die Straßen werden kreuz und quer durch Aceh
führen und den Leuser-Nationalpark durchschneiden.
Das Spinnennetz
„Ladia Galaska“ heißt das Projekt der Regierung von Nanggroe Aceh Darussalam, wie sich die Provinz Aceh seit der im Januar letzten Jahres in Kraft getretenen Autonomieregelung offiziell nennt. Ladia Galaska steht für Lautan India, Gayo, Alas dan Selat Malaka (Indischer Ozean, die Gebiete der Gayo und Alas und Straße von Malakka), ein Straßenbauprojekt riesigen Ausmaßes, das die genannten Regionen miteinander verbinden soll. Mehr als 1.500 km neuer Straßen sind geplant. Offizieller Sinn und Zweck des Straßennetzes ist die Verbesserung der Infrastruktur insbesondere im isolierten und wirtschaftlich kaum entwickelten Südosten der Provinz (Aceh Tenggara). Am 26. November 2002, kurz vor dem Friedensabkommen zwischen der Zentralregierung und der Widerstandsbewegung GAM gab die indonesische Regierung grünes Licht und machte die Mittel frei. Sie stammen aus Töpfen der Zentral- (APBN) und der Provinzregierung (APBD). In drei Jahren soll das Straßennetz fertig sein /Suara Pembaruan 3.11.02/.
Der Plan für ein umfangreiches Straßensystem in Aceh besteht schon seit langem. Es dauerte einige Zeit, bis man um 1990 mit dem Bau beginnen konnte. Nach nur 27 km mussten die Arbeiten aus Sicherheitsgründen eingestellt werden – der Krieg gegen die Unabhängigkeitsbewegung stand dem Weiterbau im Wege, auch in finanzieller Hinsicht. Aceh war kurz zuvor (1989) zum militärischen Operationsgebiet erklärt worden. Der gegenwärtige Gouverneur Abdullah Puteh griff den Plan 2001 wieder auf, um, wie er sagte, isolierte Gebiete im Inneren Acehs anzubinden, die unterschiedliche Entwicklung von Ost- und West-aceh auszugleichen und die Wirtschaft anzukurbeln /Tempo, 30. Juli – 5. August 02/.
Im Volksmund heißt
das wiederbelebte Projekt „Spinnennetz“, denn es soll alle Regierungsbezirke
Acehs mit den Küstenregionen und der Grenze zur Nachbarprovinz Nordsumatra
verbinden und verweben. Insgesamt besteht es aus drei großen Teilstrecken.
Die erste, 505 km lang, soll die Hafenstadt Meulaboh in Westaceh mit Peureulak
an der Ostküste verbinden. Sie führt, dem Verlauf der nördlichen
Ausläufer des großen Leuser-Nationalparks folgend, in einem
großen Bogen durch Aceh Tenggara und trifft in Peureulak auf die
wichtige Küstenstraße (mit Zugang zu den Gas- und Ölvorkommen),
die von Banda Aceh über Lhokseumawe nach Medan führt. Die zweite,
713 km lange Strecke durchschneidet Aceh von Nord nach Süd, und die
dritte führt durch Zentralaceh und den Leuser-Nationalpark bis an
die Grenze nach Nordsumatra und soll 369 km betragen. Eine Anbindung von
Medan an diesen Grenzzubringer steht nicht in Aussicht. Insgesamt umfasst
das Megaprojekt, das Aceh passierbar machen wird, 1.587 km Straßenbau
und soll 1,5 Trillionen Rupiah kosten. Eine Studie der ökologischen
Auswirkungen auf den Leuser-Nationalpark wurde nicht in Auftrag gegeben.
Der Nationalpark
Der Leuser-Nationalpark ist mit seiner abwechslungsreichen Landschaft und seiner Artenvielfalt eines der wertvollsten Naturreservate der Erde. Mehr als 2,6 Mio. Hektar groß, erstreckt er sich mit seinen Pufferzonen, die zusammen mit dem eigentlichen Nationalpark das Leuser-Ökosystem bilden, um die Grenze zwischen den Provinzen Nordsumatra und Nanggroe Aceh Darussalam. Von Küstenlandschaften am indischen Ozean bis zu den Spitzen der 3000er Berge umfasst er Tieflandregenwälder, Bergwälder, Süßwassersümpfe und Vulkane. Seine Regenwälder gehören zu den letzten wirklich ursprünglichen Indonesiens. Große Gebiete sind unerschlossen und undurchdringlich. 8.500 Pflanzenvarietäten wurden gezählt, unter ihnen Bäume wie Meranti (Shorea sp.), Damar (Hopea spp.), Keruing (Dipterocarpus spp.). Dipterocarpus sind mächtige Bäume, die erstmals im Alter von dreißig bis vierzig Jahren Samen tragen. Oft werden sie schon vorher geschlagen, so dass es keinen Nachwuchs gibt. Im Leuserpark wächst auch die berühmte Rafflesia, die größte Blume der Welt, und zwei weitere Rafflesiaarten (R. zippelni und R. acehensis).
Bekannt ist der Leuserpark aber vor allem für seine reiche Tierwelt, dessen wohl prominentester Vertreter der Orang Utan (Pongo pygmeus) ist. Der Park ist darüber hinaus Heimat für weitere seltene und bedrohte Tiere wie das Sumatra-Nashorn und den Sumatra-Elefanten. Wenigstens sieben Katzen hat der Leuser zu bieten: u.a. den Sumatratiger (Panthera tigris sumatera; sehr selten), den gefleckten Leoparden (Neofelis nebulosa), die Goldkatze (Felis Temmincki) und die Marmorkatze (Felis marmorata). Es gibt wilde Hunde (Cuon alpinus), den Honigbären (Helarctos malayanus) und wilde Ziegen (Capricomis sumatrensis).
Die ersten Bemühungen,
das Gebiet um den 3.404 m hohen Leuserberg zum Schutzgebiet zu erklären,
gingen von den Anwohnern aus. Schon 1932 hatten sie nach intensivem Lobbying
Erfolg. Ein kleines Gebiet wurde zum Gunung Leuser Tierreservat erklärt.
Später kamen andere kleine Reservate hinzu. Sie bildeten den Gunung
Leuser Nationalpark, der jedoch immer noch nicht die anvisierte Größe
erreichte. 1995 wurde auf Anregung von Persönlichkeiten aus Aceh und
Nordsumatra das Gunung-Leuser-Projekt zum Schutz der bedrohten Tier- und
Pflanzenwelt begonnen. Die Europäische Union stellte € 50,5 Mio.
zur Verfügung, stoppte ihre Zahlungen aber vorzeitig, da ein nicht
unbedeutender Anteil der Fördergelder auf Nimmerwiedersehen verschwunden
ist (s. „Der Nationalpark Gunung
Leuser“, in: Indonesien-Information Nr. 2/02). 1998 erklärte die
indonesische Regierung per Präsidentenerlass (Dekpres Nr. 33/1998)
ihre Verpflichtung, das Leuser-Ökosystem zu schützen; ihr Engagement
lässt aber auf sich warten.
Das Ende?
Leider hat der Leuser-Nationalpark, der bis vor einiger Zeit als das letzte zusammenhängende Waldgebiet Sumatras galt, viel von seinem ursprünglichen Charakter verloren. Bereits heute durchziehen mehrere Straßen und Transportwege den Nationalpark, die von illegalen Holzfällern genutzt werden, mit der Folge, dass entlang dieser Routen große Teile des Parks entwaldet sind. Besonders seit 1998 wird im Leusergebiet vermehrt illegal Holz gefällt. Ein Viertel des Parks ist schon jetzt zerstört. Immer öfter kommt es nun zu Überschwemmungen und Erdrutschen – traurige Folgeerscheinungen der Abholzung. Sämtliche Bemühungen, den völlig außer Kontrolle geratenen Kahlschlag einzudämmen, sind gescheitert. Militär und Polizei, oft in heftiger Konkurrenz zueinander, beteiligen sich am profitablen Holzeinschlag und schützen die Einschlagfirmen. Es steht zu befürchten, dass mit dem neuen umfangreichen Straßenprojekt Ladia Galaska der Leuser-Nationalpark den Holzfällern gnadenlos ausgeliefert und unwiederbringlich zerstört wird.
Den Trans-Aceh-Highways ist der wirtschaftliche Nutzen sicherlich nicht abzusprechen. Industrie- und Exportgüter könnten unter Umgehung der Seewege von den Industriezonen im Osten an die Westküste (und umgekehrt) transportiert werden. Die Straßen könnten die Anbindung der im Inneren Acehs lebenden Bevölkerung an die Märkte erleichtern. Profitieren würde auch das Militär. Truppen bräuchten sich nicht mehr auf Waldpfaden abquälen, sondern könnten bequeme und schnelle Kraftfahrzeuge benutzen. Jede Bilanzierung von Kosten und Nutzen des Projekts wäre aber unvollständig, wenn sie die Kosten, die durch die Zerstörung des Nationalparks entstehen werden, nicht einbeziehen würde. In der Vergangenheit ist dies durchaus geschehen; so lehnte die Weltbank die Finanzierung früherer Straßenbauprojekte im Leusergebiet aus ökologischen Gründen mehrfach ab, zuletzt im Jahr 2000.
Warnende Stimmen von Umweltschützern bis hin zu Präsidentin Megawati sind zu hören. Umweltminister Nabiel Makarim sagte, der reichste Regenwald der Welt sei von Auslöschung bedroht /„Acehs Autobahn zur Hölle“ in: Tempo, August 2002/. Und die Präsidentin selbst möchte aus Sorge um den indonesischen Wald am liebsten, dass das Bauprojekt vorerst überdacht wird /Jakarta Post, 28.2.03/. Denny Purba, Sprecher des Leuser Managements, sagte, die Zerstörung werde sehr schnell voranschreiten, wenn die Straßen gebaut würden. Erfahrungen in vielen Ländern zeigten, dass Straßen durch Tropenwälder illegale Holzfäller und Wilderer anziehen. Er nannte zum Beispiel den Kerinci Seblat-Nationalpark, der nach dem Bau einer Straße in desolatem Zustand ist. Der Leuser-Nationalpark selbst, so Purba, habe bereits schwere Schäden erlitten, seit 1973 eine Straße von Geumpang nach Marpunga in Aceh Tenggara gebaut wurde. Auf Satellitenbildern sieht man deutlich völlig kahle entwaldete Stellen auf beiden Seiten der Straße /Tempo, August 02/.
Nichtregierungsorganisationen warnen vor weiteren unbedachten Folgen. Die Straßen werden die Einzugsgebiete einiger wichtiger Gewässer in der Region erheblich beeinträchtigen, was zu einer weiteren Erschöpfung der natürlichen Wasserquellen und zu verstärkter Erosion, Überflutungen und anderen Naturkatastrophen führen wird. Damit würde Indonesien sein Gesetz 5/1990 zur Erhaltung natürlicher Ressourcen und ihrer Ökosysteme verletzen. Die langfristigen Schäden und die daraus resultierenden finanziellen Kosten werden den aus dem Straßennetz gewonnenen wirtschaftlichen Nutzen bei weitem überwiegen /Aufruf zur Protestaktion von PanEco, November 2002/. Besonders die Pläne für die nach Süden bzw. an die Grenze zu Nordsumatra führenden Teilstrecken korrespondieren nicht mit der von Indonesien unterzeichneten Agenda 21 der UN-Umweltkonferenz in Rio von 1992. Diese definierte Leuser-Ökosystem als eines der weltweit wichtigsten Gebiete biologischer Diversität, das höchsten Schutz genießen müsse.
Selbst wenn die Gefahr zusätzlichen Holzeinschlags gebannt werden könnte, stellten die Straßen einen gravierenden Eingriff in das Ökosystem dar, da sie für viele Tierarten unüberwindbare Hindernisse darstellen. Die Straßen zerstückeln den Wald in viele kleine Fragmente. Viele Arten können innerhalb dieser begrenzten Fragmente nicht überleben. Sie können die durch die Straßen gebildeten Grenzen nicht überbrücken und drohen auszusterben. Das Ladia Galaska-Spinnennetz wird besonders für seltene und bedrohte Tierarten zur Falle werden. Insbesondere für das Aussterben der verbleibenden lebensfähigen Populationen des Orang Utan wird das Straßennetz zur Verantwortung gezogen werden müssen /PanEco, November 2002/. Damit verstößt Indonesien gegen Gesetz Nr. 5/1994, mit dem das internationale Artenschutzabkommen ratifiziert wurde.
Angeblich hat die Provinzregierung bei der Planung ökologische Prinzipien berücksichtigt und die Straßen so angelegt, dass sie den Nationalpark so wenig wie möglich durchschneiden. Dies wird jedoch von indonesischen und internationalen Umweltorganisationen bezweifelt, zumal es andere Alternativen gegeben hätte. Die Umweltorganisationen haben daher zu Protestkampagnen gegen die Errichtung der Straßen aufgerufen. Nur starker und dauerhafter internationaler Druck könnte den Baubeginn verhindern, denn nicht nur die Provinzregierung hat ein Interesse daran, mit dem Spinnennetz seine Probleme zu lösen. In Jakarta hofft man, die Straßen könnten einen Baustein auf dem Weg zur Lösung des Aceh-Konflikts darstellen. Gerade jetzt, nach Unterzeichnung des Friedensabkommens, eröffnen sich mit den in die Provinz fließenden internationalen Hilfsgeldern für den Aufbau von Aceh weite Möglichkeiten – Möglichkeiten des Zugangs zu entfernten Regionen, aber auch Möglichkeiten für korrupte Geschäftspraktiken. Am Ende wird der Nationalpark zerstört sein, seltene Tiere und Pflanzen ausgerottet, und Unmengen von Geldern verschwendet. Aber eine Hand voll Leute wird wohlhabender sein. <>
Weitere Informationen zur
Ladia Galaska: http://www.skephi.com/modules.php?name=News
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