Von der Weltöffentlichkeit noch weit gehend unbeachtet, versucht
Indonesiens Militär durch ein neues Gesetz seine Macht auszubauen.
Die innere Krise nach dem Sturz von Diktator Suharto 1998, die Demütigung,
die es aufgrund des Verlustes von Osttimor hinnehmen musste, und die internationale
Ächtung wegen der dort begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen
sind überwunden. Spätestens seit der Wahl von Megawati Sukarnoputri
zur Staatspräsidentin im Juli 2001 erleben die indonesischen Streitkräfte
(TNI) ein unaufhaltsames politisches Comeback. Längst hat das Militär
seine Treue zur ehemals regierenden Einheitspartei Golkar aufgegeben. Inzwischen
besetzen ranghohe Militärs Posten in nahezu allen politischen Parteien.
Und mindestens drei Generäle werden als aussichtsreiche Kandidaten
für die nächsten Präsidentschaftswahlen gehandelt, darunter
auch der jüngst von der Staatsanwaltschaft Osttimors wegen Menschenrechtsverbrechen
angeklagte frühere Verteidigungsminister und Oberkommandierende, General
Wiranto.
Somit fiel es der TNI leicht letzten Sommer ihren vorzeitigen Verzicht auf die Sitze im Parlament zu erklären, die bislang dem Militär vorbehalten waren. Mit dieser überraschenden symbolischen Geste war es gelungen den Anschein zu erwecken, die TNI wolle sich künftig der zivilen Regierung unterordnen und auf ihre Vormachtstellung verzichten. Übersehen wurde dabei schon damals, dass die reservierten Parlamentssitze nur das augenfälligste Merkmal ihrer Macht sind. In der Praxis sehr viel bedeutender ist die Territorialstruktur des Heeres, aufgrund derer die TNI auf allen Verwaltungsebenen parallel zu den zivilen Behörden über eine eigene Verwaltung verfügt, die an allen maßgeblichen Entscheidungen beteiligt ist.
Darüber hinaus räumte die Verhängung des Notstandes dem Militär schon bisher fast unbegrenzte Machtbefugnisse in Krisenregionen ein. Die neue Gesetzesvorlage sieht nun vor, dass die TNI künftig selbst den Notstand ausrufen und Truppen in eine Krisenregion verlegen darf, anstatt wie bislang vom Votum des Staatspräsidenten abhängig zu sein. Nach der Verfassung ist der Präsident bzw. die Präsidentin Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der über die Verhängung des Kriegszustandes oder die Verlegung von Truppen in ein Kriegsgebiet zu entscheiden hat. Zur Ausrufung des Notstandes in Krisengebieten muss darüber hinaus auch das Parlament befragt werden.
Dies soll sich nun ändern. Unter Verweis auf die Gefahr separatistischer Unruhen erklärte der Oberkommandierende der TNI, General Endriartono Sutarto: „Wir sprechen hier nicht über den Normalzustand. Meinen Sie, dass wir (die TNI) auf die Anweisungen des Präsidenten warten sollten, wenn in einer bestimmten Region ein schwerer Konflikt ausbricht? Es ist völlig anders in einer Notlage.“
Der gewünschte Freibrief beinhaltet weitaus mehr als die Befähigung zum schnellen Handeln in einer Ausnahmesituation. Denn praktisch würde damit dem Präsidenten der Oberbefehl über das Militär und dem Parlament seine Kontrollfunktion entzogen. „Das Militär testet, wie weit es gehen kann, um sein Comeback zu vollziehen, weil sich die zivile Regierung auf einem Tiefpunkt befindet. Die zivile Führung ist im Bemühen ihre Macht zu sichern angesichts einer stärker werdenden Opposition sehr abhängig vom Militär,“ meinte der Politikwissenschaftler Arbi Sanit von der University of Indonesia.
Beobachter, die in der Neuregelung die Voraussetzung für einen
möglichen Militärputsch sehen, haben die Rolle der indonesischen
Streitkräfte nicht richtig begriffen. Warum sollte das Militär
sich eine gesetzliche Grundlage für einen Putsch schaffen? „Auch ohne
die Gesetzgebung könnte das Militär jederzeit einen Putsch machen,
wenn es dies denn vorhätte,“ erklärte General Endriartono Sutarto
zutreffend. Die Errichtung eines Militärregimes liegt nicht im Interesse
der TNI. Eine demokratisch legitimierte Regierung, die sich ihrer Abhängigkeit
bewusst ist und sich aus dem Hintergrund dirigieren lässt, ist in
den Augen des Militärs weitaus interessanter. <>
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