Mit Beginn des neuen Jahres werden die ca. 30.000 in Westtimor verbliebenden
Osttimoresen nicht länger als Flüchtlinge betrachtet, verkündete
das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), das eine
seiner schwierigsten Rückführungsmissionen damit beendet und
im Laufe des Jahres sein Engagement in Timor einstellen wird. Nach der
Abstimmungsniederlage beim Referendum 1999 in Osttimor verwüsteten
Milizen mit Unterstützung des indonesischen Militärs das Land
und vertrieben über 200.000 Osttimoresen nach Westtimor. Weitere 50.000
bis 80.000 Osttimoresen suchten freiwillig den Weg über die Grenze.
220.000 Flüchtlinge konnten mit Hilfe des UNHCR und weiterer internationaler
Hilfswerke zurückgeführt werden, gegen vielfältigen Widerstand
ihres Umfeldes und in einem Klima der Bedrohung und Einschüchterung.
/UN High Commissioner for Refugees (UNHCR): East Timorese refugee saga
comes to an end, 30.12.2002/
Noch über drei Jahre nach dem Referendum kontrollieren bewaffnete Milizen und ihre politischen Führer die Flüchtlingslager, benutzen die Flüchtlinge als politisches Pfand und schüchtern sie mit abstrusen Horrorgeschichten über die Zustände in Osttimor und das Treiben der UN ein. Mitarbeiter der Hilfswerke hatten zunächst nur begrenzt Zugang und konnten sich oft nur unter Begleitschutz der indonesischen Polizei in die Lager wagen, eben jener Polizei, die die Milizen ebenso ungehindert schalten und walten lässt. Am 6. September 2000 eskalierte die Situation: drei internationale Mitarbeiter des UNHCR wurden von Milizen bestialisch massakriert. Die UN zog daraufhin umgehend alle Mitarbeiter ab, internationale Hilfsorganisationen folgten diesem Schritt. Der UN-Sicherheitsrat forderte in einer Resolution die umgehende Entwaffnung und Auflösung der Milizen, doch außer Bekundungen des guten Willens erfolgten seitens der Regierung Indonesiens kaum ernsthafte Bemühungen. Statt die Auflösung der Milizen voranzutreiben, ließ sie im Juni 2001 eine wenig aussagekräftige Registrierung der Flüchtlinge durchführen, die das Problem einer Lösung nicht näher brachte. Sie stellte zwischenzeitlich die Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge ein, woraufhin die Flüchtlinge sich mit Kleinhandel und Landwirtschaft und nicht zuletzt auch mit Kleinkriminalität über Wasser zu halten suchten. Die sozialen Spannungen mit der ansässigen Bevölkerung drohten zu explodieren (vgl.: Indonesien-Information: „Keine Lösung für Ost-Timor Flüchtlinge in Sicht“, Nr.1, 2002 und „Binnenflüchtlinge in Indonesien“, Nr. 3, 2002)
Der Wiederaufbau Osttimors und die Vorbereitungen auf eine baldige Unabhängigkeit des Landes schritten hingegen merklich voran. Das komplexe Problem der Flüchtlinge in Westtimor beeinflusst und behindert in vielfältiger Weise den gesellschaftspolitischen Aufbauprozess. Solange die Milizen aus den Lagern in Westtimor heraus mit den Flüchtlingen als Schutzschild nach Osttimor hinein operieren, stellt dies ein fortwährendes Sicherheitsrisiko dar. Wie einfach es ist, unbemerkt über die Grenze zu kommen, zeigte der Milizenübergriff auf zwei Dörfer im Dezember 2002. Die politische Führung in Osttimor räumt der Rückkehr der Flüchtlinge Priorität ein, auch um der Milizen „habhaft“ zu werden, die sich je nach Schwere ihrer Taten vor Gericht oder vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission zu verantworten haben. Ziel ist es, sie in die Gesellschaft zu reintegrieren und so das Sicherheitsrisiko für Osttimor zu reduzieren.
Da die Milizen in Westtimor weiterhin ungehindert für Gewalt und Terror sorgen, sieht sich die UN gezwungen, die Sicherheitsrisiko als sehr hoch einzustufen. Doch angesichts der prekären humanitären Lage organisierte das UN-Flüchtlingshilfswerk von Osttimor aus ab August 2001 wieder Rückführungsprogramme. Mit vielfältigen Aktionen und großem Einsatz gelang es, den Einfluss der Milizen auf die Flüchtlinge zum Teil zu untergraben. Unter Einbeziehung von lokalen Dorfeliten organisierten UNHCR und IOM (International Organisation for Migration) „Komm und schau“-Besuche von Flüchtlingsdelegationen und sorgte mit Informationsarbeit für Aufklärung. Bischof Belo warb um Vertrauen und Rückkehr, ebenso Präsident Xanana Gusmão, der mehrfach nach Westtimor reiste und in den Lagern zu den Menschen sprach. In den letzten Monaten stockte der Rückkehrerfluss merklich, trotz weiterer Bemühungen von Präsident Xanana und UNHCR. Die jetzt noch verbleibenden ca. 28.000 Flüchtlinge sind in großer Zahl dem Pro-Autonomie Lager zuzurechnen: Milizenangehörige und politische Führerschaft, aber auch ehemalige Verwaltungsbeamte und Militärs.
Mit der Einstellung der Flüchtlingsarbeit des UNHCR endet auch
die Unterstützung für die Flüchtlinge durch die indonesische
Regierung und weitere Hilfsorganisationen. Selbstverständlich steht
es den Menschen jederzeit frei, doch noch nach Osttimor zu übersiedeln.
Das UNHCR betrachtet sie jedoch nicht länger als eine Gruppe, die
dazu internationalen Schutz benötigt, und mittels Um- und Wiederansiedlungsprojekten
soll das Flüchtlingsproblem in Westtimor nun endgültig gelöst
werden.
Keine Bewegung in den Flüchtlingslagern
In den Wochen vor dem Jahreswechsel sind die Flüchtlinge über alle mit ihrem Status verbundenen Maßnahmen und Änderungen durch die Organisationen aufgeklärt worden. Trotzdem, so die Beobachtungen der Mitarbeiter des Jesuit Refugee Service West Timor, entscheiden sich nur wenige, die Lager zu verlassen. Hierfür listet der Service eine Reihe von Gründen auf:
Manche der Flüchtlinge glauben nicht so recht daran, dass UNHCR und Regierung Ernst machen werden. Viele warten auf höheres „Repatriationsgeld“. Als Anreiz zur Rückkehr hatte die indonesische Regierung vor August 2002 jeder Familie 750.000 Rupiah angeboten (seinerzeit ca. 85 Euro), dann wurde diese Maßnahme gestoppt. Jetzt ist sie erneut aufgenommen und auf 1.500.000 Rupiah erhöht worden. Es herrscht die Meinung, es sei besser abzuwarten, die Rückkehrprämie würde weiter steigen.
Einige der Flüchtlinge möchten das Angebot auf Umsiedlung innerhalb Indonesiens annehmen, fühlen sich Indonesien verbunden und haben sich schon immer für eine Integration Osttimors eingesetzt. Sie möchten auch die indonesische Staatsbürgerschaft annehmen und warten auf 7,5 Mio. Rupiah Flüchtlingsunterstützung, ein völlig aus der Luft gegriffenes, aber in den Lagern weit verbreitetes Gerücht. Andere sind aus vielerlei Gründen unfähig, eine Entscheidung zu treffen. Sie möchten einfach da bleiben, wo sie sind. Sie fürchten die lokalen Behörden nicht und versteifen sich darauf, in den Lagern zu bleiben.
Ehemalige Milizenangehörige, die Verbrechen begangen haben, misstrauen
der Wirksamkeit der Gerichte in Osttimor, ehemalige Angehörige von
Militär, Polizei und Beamtenapparat warten noch immer auf ihre
Pensionen. Sie fürchten die Arbeitslosigkeit in Osttimor und sehen
sich durch ihre Pensionen auch ohne Arbeitsstelle abgesichert. Frauen,
ältere Personen und Kinder sind nicht befugt, eigene Entscheidungen
zu treffen, dies ist Sache des „Familienoberhauptes“. Dann gibt es Flüchtlinge,
die auf jeden Fall nach Osttimor zurückkehren möchten, aber noch
nicht wissen wann, da die Lage für sie dort noch nicht sicher scheint.
Sie fürchten Vergeltungsmaßnahmen und sehen ihr Problem als
nicht lösbar an. /Jesuit Refugee Service (JRS), Update from JRS Indonesia
Nr.32, 24.12.2002/.
Lösung durch Umsiedlung?
Zur Lösung des Flüchtlingsproblems in Westtimor unterstützt das UN-Flüchtlingshilfswerk nun Bemühungen der Regierung Indonesiens, die verbleibenden ca. 28.000 Flüchtlinge innerhalb Indonesiens neu anzusiedeln. „Wir glauben, über kurz oder lang ist es besser, [die verbleibenden Flüchtlinge] weg von Westtimor und insbesondere weg von der Grenzregion zu Osttimor anzusiedeln, um mögliche Probleme in der Zukunft zu verhindern“, so der Regionalvertreter des UNHCR, Robert Ashe /AFP, Pilot Projekts to resettle East Timorese in Eastern Indonesian Island, 15.1.2003/.
In Form eines Pilotprojektes sollen in Kürze 70 osttimoresische Flüchtlingsfamilien nach Denduka, einem Dorf in Westsumba umgesiedelt werden. Ihnen könnten weitere 300 Familien, ungefähr 1.500 Menschen, in sieben Gemeinden auf Sumba folgen, erläuterte Fernando Protti-Alvarado, stellvertretender Regionalvertreter des UNHCR. Die Bewohner des Dorfes Denduka hätten zugestimmt, den Flüchtlingen Gemeinschaftsland zum Anbau abzutreten und ihnen Zugang zu Wasser und weiteren Notwendigkeiten zu ermöglichen. Im Umkehrschluss erhoffen sich die Dorfbewohner besseren Zugang zu Programmen der Gemeindeentwicklungshilfe sowie mehr Geld für Schulen und Verwaltungseinrichtungen.
Die von Jakarta und UNHCR zur Verfügung gestellten Mittel für Wohnraum, Einrichtung und Nahrung für die Flüchtlinge sollen, abhängig von der Anzahl der Familien, die von den Dörfern aufgenommen werden, auch der lokalen Bevölkerung zugute kommen. Es sei ein Experiment, so Protti-Alvarado, doch gut sei, dass sie die Unterstützung der Regierung hätten, jegliches Potential für Konflikte so gering wie möglich zu halten. Den Flüchtlingen soll zunächst die Möglichkeit gegeben werden, ihre neuen Nachbarn kennen zu lernen und sich ihre Häuser anzuschauen. Die Dorfbevölkerung in Sumba macht klar, dass sie den Flüchtlingen nicht zahlenmäßig unterlegen sein möchte und dass sie nur Menschen christlichen Glaubens akzeptieren /AFP, Pilot Projekts to resettle East Timorese in Eastern Indonesian Island, 15.1.2003; The Age/Sydney Morning Herald: Refugees find a home on another island, 16.1.2003/. Die indonesischen Regierungsbehörden gaben bekannt, dass neben Sumba auch die Provinzen Süd- und Zentralkalimantan der Aufnahme von Flüchtlingen zugestimmt hätten und Umsiedlungsgebiete vorbereitet würden. Auch Distrikte in Westtimor haben Zusagen für ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlingen gemacht.
Inwieweit diese Umsiedlungsprogramme zu einer zufrieden stellenden Lösung
beitragen können, dürfte in erster Linie von der Qualität
der Maßnahme und der guten Vorbereitung der Neusiedlungen abhängen.
Während der Direktor der Regierungsbehörde (Bakornas PBP), Bakri
Beck, das Unterstützungspaket für die Umsiedler – Haus, landwirtschaftliche
Anbaufläche, Zugang zu Schulen und Gesundheitsstationen, notwendige
Güter für bis zu neun Monate – als neues System preist, weist
der Distriktmilitärkommandant von Kupang, Pieter Lobo, auf altbekannte
Probleme hin: „Viele Umsiedlungsgebiete sind geschaffen worden, doch die
Häuser sind schlichtweg nicht bewohnbar.“ Als Beispiel nannte er Siedlungen
in Westsumba und weitere in der Provinz Ostnusatenggara, die weder sanitäre
Anlagen besäßen noch Zugang zu sauberem Wasser und landwirtschaftlicher
Anbaufläche. Die Flüchtlinge wiederum unterstrichen, dass sie
nur dann umsiedeln wollten, wenn die Bedingungen dort besser seien als
in den Lagern in Westtimor. Und sie harren weiter der Dinge, die da kommen
/Jakarta Post: No more assistance for East Timorese ‚refugees’, 3.1.2003;
Govt provides housing for East Timorese refugees, 30.12.2002/. <>
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