Indonesien-Information Nr. 1/2004 (Wirtschaft)

 

Indonesien nach dem IWF: Business as usual

von Satish Mishra *


 
Das 13. Jahrestreffen der Consultative Group on Indonesia (CGI) am 11. Dezember 2003 war ein entschieden optimistisches Event. Wie es zwar in Indonesien üblich, für ein großes Entwicklungsland hingegen unüblich ist, war nahezu das gesamte Kabinett anwesend.

Am Tisch saßen Vertreter von Staaten und Institutionen, bereit, Indonesien bei der Finanzierung des Hauhaltsdefizits im Angesicht der kommenden Wahlen zu helfen Dies würde entweder in Form von Krediten oder Schenkungen geschehen. In den vergangenen Jahren gab es dabei immer ein Gefeilsche hinter den Kulissen. Dieses Jahr jedoch war anders. Es war eine Zeit gegenseitiger Beglückwünschungen. Der IWF verließ ganz offiziell Indonesien. Es war Zeit, sich von einem alten, wenn auch manchmal umstrittenen Freund zu verabschieden. Es war Zeit, dem Teufel zu geben, was ihm zusteht.

Wie erwartet, wurden die indonesische Regierung und ihre Finanz- und Wirtschaftsminister für die gute Arbeit bejubelt! Indonesien hat makroökonomische Stabilität erreicht! Wenn Sie sich nun die Augen reiben, lassen Sie mich erklären.

Makroökonomische Stabilität zu erreichen, ist keine Besteigung des Mount Everest, aber es kann den Führern eines Landes einen beträchtlichen Kick geben. Das ist besonders dann der Fall, wenn das Lob von einer Institution kommt, die mit der Förderung derselben betraut ist. Hieraus könnten Sie folgern, dass es eine schwierige Angelegenheit ist. Die Art Angelegenheit, auf die die Hüter der Staatsfinanzen, welche nicht nur unsere Steuer-Rupiah, sondern auch die Steuer-Dollar der Geber umfassen, gerechtfertigter Weise stolz sein können. Führer mögen gern als starke Männer oder starke Frauen mit unabhängigen Ansichten wahrgenommen werden. Es ist wichtig zu zeigen, dass man etwas tut, was ein Bild von Stärke und unabhängigem Urteilsvermögen vermittelt. Makroökonomische Stabilisierung bietet da genau die richtige Gelegenheit.

Wenn Sie meinen, dies sei eine Übertreibung, betrachten Sie einmal, was das Erreichen von makroökonomischer Stabilität in Indonesien beinhaltet hat. Erstens, und am wichtigsten, bedeutete es, die Inflation von gefährlichen 58 Prozent jährlich 1998 auf nur 5,3 Prozent im November 2003 zu drücken.

Zweitens und damit eng verbunden, musste der Wechselkurs der Rupiah gegenüber dem Dollar stabilisiert werden. Im Bericht der Weltbank für die CGI wird darauf hingewiesen, dass 2003 weder die Bali-Attentate, noch die SARS Epidemie, weder der Irakkrieg, noch das Marriott-Attentat Auswirkungen auf den Wechselkurs hatten.

Drittens, trotz des administrativen Alptraums bei der Umsetzung der Dezentralisierung über 400 Distrikte blieb das Haushaltsdefizit insgesamt unter Kontrolle. Die Regierung beabsichtigt weiter, das Haushaltsdefizit bis Ende 2004 auf 1,2 Prozent zu reduzieren. Wie Vertreter der Geberstaaten besonders gern hervorheben, ist Indonesien kühner als viele ihrer eigenen Länder, wenn es um die Setzung konservativer finanzpolitischer Ziele geht.

Viertens, die öffentliche Verschuldung, vor gar nicht langer Zeit noch bei 100% des Bruttoinlandproduktes (BIP), wird kontinuierlich geringer. Im Moment liegt sie bei 60 Prozent des BIP und wird voraussichtlich weiter abnehmen, da die Zinssätze mit niedrigeren Inflationsraten einher gehen. Das nimmt denjenigen den Wind aus den Segeln, die in der Verschuldung den wesentlichen Hinderungsgrund für eine Erholung der Wirtschaft gesehen haben.

All dies ist Grund für ernsthafte Selbstbeglückwünschung. Auf einer Konferenz auf Bali kürzlich hatte Eisuke Sakikabara, allgemein bekannt als Mr. Yen, die indonesische Wirtschaftskrise für formal beendet erklärt. Er riet den Indonesiern, sich darauf zu konzentrieren, mit den neuen ökonomischen Realitäten in Asien klarzukommen: dem Aufstieg Chinas und Indiens als zwei gigantische Motoren der Zukunft. Ähnliches wurde auf dem CGI-Treffen wiederholt, als verschiedene Delegierte das Ende der Wirtschaftskrise in Indonesien bestätigten. Zuversichtlich sprachen sie darüber, wie makroökonomischen Stabilität als Grundlage für neue Investitionen, Exporte und Arbeitsplätze dienen würde.

Dies ist eine gute Story. Sie macht alle glücklich. Sie stimmt alle optimistisch. Sie ist ein dringend benötigtes Korrektiv zu dem Anfall von Depression, der die erregten Gemüter von Vertretern unserer Zivilgesellschaft in seinem Griff zu haben scheint. Und, wenn auch vielleicht sonst nichts, könnte es einige Investoren, ein paar große würden es schon tun, davon überzeugen, dass es an der Zeit ist, Indonesien erneut einen Besuch abzustatten.

Es gibt da nur zwei Probleme. Die Story ist nicht sehr interessant. Und sie könnte darüber hinaus mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken. Es ist wichtig, die größeren Zusammenhänge im Auge zu behalten.

Lassen Sie uns als erstes die Makroökonomie betrachten. Es stimmt, die Inflation nimmt ab, Zinssätze fallen, das Haushaltsdefizit ist unter Kontrolle, der Wechselkurs ist stabil: alles sicheres IWF Terrain. Dies wäre in der Tat eindrucksvoll in Ländern mit einer Geschichte von Finanzverschwendung. Es gibt viele Staaten in Afrika oder sogar in Europa, die lange eine Neigung gezeigt haben, Inflation hinzunehmen. Das Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu bringen, mag eine noch größere Leistung sein in jenen Staaten Lateinamerikas, in denen Interessenvertreter von Arbeit und Kapital über eine gerechtere Verteilung der nationalen Reichtümer die Klingen kreuzen.

Genauso lobenswert wäre es, wenn in Staaten, die gerade Kriege oder lang anhaltende Konflikte hinter sich haben, wie Irak oder Somalia, das Haushaltsdefizit unter Kontrolle gebracht würde. Denn in diesen Staaten wäre es für eine Konsolidierung der Finanzen notwendig, einerseits die grundlegende Maschinerie des Haushaltens wiederherzustellen und auf der anderen Seite die öffentlichen Ausgaben zu kontrollieren.

In Indonesien haben Makroökonomen ein leichtes Spiel. Es gibt keine Tradition dauerhaft hoher Inflation, keine organisierte und radikale Arbeiterbewegung, keine konkurrierenden politischen Parteien mit klar unterscheidbaren Wählerschaften, die in finanzieller Hinsicht Aufmerksamkeit und Gefälligkeiten benötigen. Große Teile des Staatsapparates, Beamte, Universitätsdozenten, Polizeibeamte und Soldaten sowie die unvermeidlich zu nennenden Richter und Angestellten bei Gericht sind es gewohnt, ein Gutteil ihrer Einkommen über Kanäle außerhalb des offiziellen Haushalts selbst zu beschaffen. Für diese Gruppen, ist Druck auf die öffentlichen Ausgaben die am wenigsten effektive Option zur Erhöhung ihrer Einkommen.

Das ist jedoch nicht alles. Makroökonomische Leitlinien werden in Indonesien von Technokraten in der Regierung und im öffentlichen Dienst bestimmt, die sich rühmen, keine Politiker zu sein. Das ist die verklausulierte Form zu sagen, dass die politischen Implikationen makroökonomischer Strategien sie nicht interessieren. Abgesehen davon, dass dies die gängige Vorgehensweise unter der Neuen Ordnung war, macht es auch die Aufgabe, makroökonomische Stabilität zu erreichen, leichter. Privatisierung staatlichen Besitzes ist ein gutes Beispiel. Hier ist der wichtigste Prüfstein der Politik eher auf die Deckung von Finanzierungslücken im Haushalt als auf Produktivität oder Arbeitsplätze gerichtet.

Es scheint daher, dass es nicht so schwierig ist, in Indonesien makroökonomische Stabilität zu erreichen, wie es öffentlich dargestellt werden mag. Natürlich weisen die Verantwortlichen auf die mächtigen einschlägigen Interessen, die kontinuierlich auf das Parlament Einfluss zu nehmen versuchen. Aber dieses Argument ist ein gefährlicher Weg. Es impliziert, dass diese einschlägigen Interessen während der Neuen Ordnung weniger mächtig und weniger zerstörerisch für die Finanzen der Nation waren als heute.

Das Beste, was wir über makroökonomische Stabilität sagen können, ist, dass es ein guter Anfang ist. Dies ist jedoch keine zündende Nachricht im siebenten Jahr des Übergangs. Es ist in der Tat eher ein beunruhigender Gedanke.

Es scheint, dass Indonesien den leichten Teil der Übergangsreise hinter sich gebracht hat. Die schwierigsten Herausforderungen stehen noch bevor. Diese umfassen die Konsolidierung eines neuen politischen Systems, die Verminderung gesellschaftlicher Spannungen und ethnischer Spaltungen, die Schaffung neuer Jobs für junge Indonesier und Indonesierinnen die Sicherstellung eines gerechteren Anteils an Nationaleinkommen und nationalem Reichtum für den Durchschnittsbürger, unterstützt von einem transparenten, offenen und bezahlbaren Justizsystem.

Hiermit soll nicht geleugnet werden, dass auch auf diesen Gebieten viele Reformen stattgefunden haben. Aber wie jeder weiß, gibt es keinen klaren Spielplan, keinen überzeugenden Zeitrahmen und keine übergreifende Strategie. Ohne deutliche Bewegung an diesen Fronten kann eine Erholung der Wirtschaft nicht von Dauer sein. Genauso wenig kann Indonesien Erschütterungen in seinem politischen und wirtschaftlichen System ohne ernsthafte soziale Spaltungen und Aufruhr überstehen.

Zu viel des Lobes für die makroökonomische Stabilität wird unter diesen Umständen nur falsche Erwartungen wecken. Dies ist kein guter Schachzug in einem Wahljahr, wo es um mehr als um die Erholung der Wirtschaft geht. Wie viele Technokraten mögen wir vielleicht wenig Sympathie für demokratische politische Prozesse haben. Einige von uns mögen vielleicht sogar das mögliche Entstehen einer neuen indonesischen Autokratie als ein irrelevantes Detail seiner Entwicklungsreise betrachten. Eine neue Autokratie könnte durchaus ihre Nützlichkeit haben. Sie könnte die gesellschaftlichen Aktivisten und die religiösen Radikalen in Schach halten. Sie könnte auch, wie einige meinen, den entstehenden geopolitischen Realitäten dienlich sein.

In Indonesien aber würde es das Ende des Reformgeistes und ein Zurück zum business as usual bedeuten. <>
 
 

* Satish Mishra ist Leiter/ Chefberater von UNSFIR, der United Nations Support Facility for Indonesian Recovery

Nachdruck aus der Jakarta Post vom 31.12.2003, aus dem Englischen übersetzt von Petra Stockmann
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage