1998 verfasste der australische Politikwissenschaftler Damien Kingsbury einen kleinen Magazinbeitrag, der sich nach sechs Jahren als erstaunlich zukunftsweisend erwiesen hat1. In ihm verwies er auf fünf Generäle der rot-weißen Fraktion der Nationalisten des Militärs, die in der anstehenden Periode des Machtübergangs von Suharto zu einem Nachfolgepräsidenten die Geschicke von Militär und Politik entscheidend bestimmen würden. Sie wurden damals in Kreisen der Staatspartei Golkar mythologisierend als die Pandawa Lima, die fünf edlen Ritter (ksatria) des Mahabharata-Epos, bezeichnet. Sie, so prophezeite der Mythos, würden das Militär in die Transitionsphase der nach-Suharto-Herrschaft führen. Von diesen fünf haben es vier ehemalige Generäle in führende Positionen außerhalb des Militärs geschafft: Susilo Bambang Yudhoyono, bis vor wenigen Tagen Koordinierungsminister für Sicherheit und Politik, Hendropriyono, Chef des staatlichen Nachrichtendienstes BIN, Wiranto, ein chancenreicher Präsidentschaftskandidat, und Agum Gumelar, Minister im Kabinett Megawati.
Im historischen Rückblick stehen diese vier für den Triumph der rot-weißen Generalsfraktion über die „ABRI Hijau“ (die „grünen Streitkräfte“), die vom Präsidialdiktator in seinen letzten Amtsjahren geförderten islamisch-orientierten Generalsnetzwerke, für die u.a. der Name Prabowo Subianto stand. Sie personifizieren aber auf ihre Weise auch die Transition von der ABRI, dem Suharto-Militär, zur heutigen TNI (Streitkräfte der Republik Indonesien), und sind die Vorzeigeexemplare eines neuen Typus von Generälen, die den Sprung aus dem Militär heraus an die Spitze der Staatsführung geschafft haben, ohne der Assistenz spezieller Sospol-Dienstpostenzuweisungen zu bedürfen, die bis 1999 aussteigewilligen Generälen als Dienst-Ausstiegs-automatik zur Verfügung standen. 2
Das Ende der Suharto-Ära bedeutete für indonesische Generäle das Ende der dienstlichen Betreuung von der Wiege (sprich Militärakademie) bis zur Bahre (dem Ehrenbegräbnis auf dem Soldatenfriedhof Kalibata). Heute müssen sie mit Erreichen der vorgeschriebenen Pensionsgrenze von rüstigen 55 Lebensjahren nach neuen Jobs Ausschau halten, zumal mit der Parlamentswahl von 2004 auch die militärischen Fraktionssitze in den Parlamenten – auch eine klassische Altersbeschäftigung von Militärs – abgeschafft werden. Für die Karriere eines durchschnittlichen Generals hat das die Konsequenz, im Alter von etwa fünfzig Jahren und mit Erreichen der Dienstgrade Oberst oder Brigadegeneral, die letzten fünf Dienstjahre intensiv für den Umstieg ins Zivilleben zu nutzen.
Die vier verbliebenen Pandawa
Lima wären, mit der Ausnahme von Yudhoyono (Militärakademie-Jahrgang
1973), ohnehin bereits im Ruhestand. Im Heer rüstet sich schon eine
neue Generation aktiver Generäle zur
Übernahme der Top-Positionen. Sie sind die juniors der fünf Pandawa.
Die letzte Rotation von Dienstpositionen von Dezember 2003 bis Januar 2004
signalisierte die Ankunft der Militärakademie-Absolventen der Jahrgänge
1973 bis 1975, mit besonderer Betonung der mittleren Alterskohorte der
1974er. Vorläufig dominieren die alten Jahrgänge 1971 und 1972
die Führungspositionen von TNI und Heer, aber sie werden nach der
finalen Präsidentenwahl die Altersgrenze von 55 Lebensjahren erreicht
haben und das Kommando an ihre Nachfolgegenerationen weiter reichen.
Akmil-Klasse | Geburtsjahre | Pensionsjahre |
1971 | 1947-1949 | 2002-2004 |
1972 | 1948-1949 | 2003-2004 |
1973 | 1950-1951 | 2005-2006 |
1974 | 1950-1952 | 2005-2007 |
1975 | 1952-1953 | 2007-2008 |
Die Spitzenreiter der jungen Generäle sind der Heeresstabschef Ryamizard Ryacudu (Jahrgang 1974) und sein Stellvertreter, Generalleutnant Djoko Santoso (1975). Mit dem aus politischen Erwägungen heraus zu erwartenden Abtreten des Panglima TNI (Armeebefehlshabers) Endriartono Sutarto (Jahrgang 1971 und bereits über die Altersgrenze, aber mit Dienstzeitverlängerung Megawatis noch auf seinem Posten) nach den Wahlen, werden auch der Chef des Generalstabes Djamary Chaniago (1971), der Kommandeur der Kostrad, Bibit Waluyo (1972) sowie alle Generäle auf Verwaltungspositionen von TNI und Heer abtreten. Die in großer Zahl frei werdenden Positionen werden von den Nachrückern übernommen werden, und der Charakter der Streitkräfte wird sich neu ergeben.
Die letzte Dienstpostenrotation
hat insbesondere auf den Positionen der zwölf Kodam (Wehrbereichskommandos)
den Generationenwechsel getätigt. Die Pangdam (Kodam-Kommandeure,
Dienstgrad Mayjen – zwei Sterne) und Kasdam (Kodam-Stabschefs, Dienstgrad
Brigjen – ein Stern) in der Auflistung vom Januar 2004:
Kodam Iskandar Muda (Aceh):
- Mayjen Endang Suwarya (1973) - Brigjen Mohamad Yahya (1974) |
Kodam I / Bukit Barisan
(Nordsumatra):
- Mayjen Tri Tamtomo (1974) - Brigjen Liliek A.S. Sumaryo (1975) |
Kodam II / Sriwijaya
(Südsumatra):
- Mayjen Syahrial B.P. Peliung (1973) - (Kasdam nicht bekannt) |
Kodam III / Siliwangi
(Westjava):
- Mayjen Iwan Ridwan Sulandjana (1974) - Brigjen Mulyono (1974) |
Kodam IV / Diponegoro
(Zentraljava):
- Mayjen Sunarso (1973) - Brigjen Mochamad Sochib (1975) |
Kodam V / Brawijaya (Ostjava):
- Mayjen Ahmad Djunaedi Sikki (1973) - Brigjen Suhartono (1975) |
Kodam VI / Tanjungpura
(Kalimantan):
- Mayjen Hery Tjahjana (1973) - (Kasdam nicht bekannt) |
Kodam VII / Wirabuana
(Sulawesi):
- Mayjen Suprapto (1974) - Brigjen Muslihan Sulchan (1974) |
Kodam IX / Udayana (kleine
Sundainseln):
- Mayjen Supiadin Yusuf AS (1975) - Brigjen Suseno Yudoprawiro (1973) |
Kodam Jaya (Jakarta):
- Mayjen Agustadi (1974) - Brigjen Mochamad Irianto (1974) |
Kodam XVI / Pattimura
(Molukken):
- Mayjen Syarifuddin Sumah (1973) - Brigjen Ginting Munthe (1973) |
Kodam XVII / Trikora
(West Papua):
- Mayjen Nurdin Zainal (1974) - Brigjen Getson Manurung (1974) |
Die 74er halten auch die Zwei-Sterne Positionen des Kommandeurs der Kopassus (Mayjen Sriyanto), Sjafrie Syamsuddin (Chef des Infozentrums der TNI) und Bambang Darmono (Militäroperationschef in Aceh in 2003).
Die 74er litten insbesondere
unter den großen Absolventenzahlen ihrer Vorgängerklassen und
gelangen deshalb relativ spät in die Chefetagen. Sie stehen deshalb
unter einem Zeitdruck, in maximal drei Jahren das meiste aus ihren Positionen
zu machen. Die Nachfolger der 75er und jüngere Klassen drängen
nach 3.
Die Kinder der Neuen Ordnung
Die neuen Führungsgenerationen im Militär sind die ersten akademie-ausgebildeten Berufsoffiziere der indonesischen Armee. Sie sind professionelle Berufssoldaten, die außer ihren Dienst, ihren soldatischen Aufgaben und Pflichten nichts anderes kennen. Sie sind, anders als ihre Vorgänger, die Soldat und Politiker in Personalunion waren, weniger auf persönliche Außenwirkung bedacht, selten charismatisch und deshalb in der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt. Mit ihnen endet die Epoche der Politikgeneräle mit ihrem markanten Image. Die Zeit der Murdanis und Wirantos geht ihrem Ende entgegen. Doch keinesfalls endet mit ihnen das Erbe Suhartos. Ganz im Gegenteil.
Diese Generation wurde Kadett, als die Armee den Staat zu beherrschen begann, der Staat zum Militärstaat mutierte. Diese Generation kennt nichts anderes als Suharto und seine Armee in einer Zeit, als sie stark war. Sie sind die ersten Kinder der Neuen Ordnung.
Um diese Alterskohorte einschätzen
zu können, müssen wir drei Jahrzehnte in die Vergangenheit reisen,
an die gerade neu strukturierte Militärakademie Akabri in Magelang,
Zentraljava. Die Generation des Ryamizard, Prabowo 4 und
Sjafrie Sjamsoeddin trat 1971
5 eine Akademie ein, die
geleitet wurde von einem der anrüchigsten Vertreter, den die indonesische
Armee jemals produziert hatte: den Heeresfallschirmjäger (heute Kopassus)-General
Sarwo Edhie, der ab 1966 für den Tod von Tausenden als Kommunisten
verfolgter und umgebrachter Indonesier verantwortlich zeitigt. Sarwo Edhie
leitete die Akabri von 1971 bis 1977 und formte sie zu einer Kaderschmiede
einer ultranationalistischen, auf Disziplin und Kadavergehorsam gedrillten
künftigen Generalselite, deren schulische Prägung ab der Mitte
der achtziger Jahre in Osttimor ihrer anschauliche Umsetzung fand. Wir
besitzen in einer 1973 erschienenen und kürzlich neu aufgelegten Studie
6 einen bis heute einmaligen Einblick in die damalige
Zeit und finden beim Lesen eine bis heute nur wenig veränderte Militäranstalt
zur Formung einer einheitlichen militärischen Persönlichkeit
vor, die in vier Jahren des totalen Abschlusses von der Außenwelt
die jungen Kadetten ihrer familiären und heimatlichen Prägung
beraubt und sie zu mental-ideologisch ausgerichteten Angehörigen und
Gläubigen einer elitären Kommandeurskaste domestiziert. Die Produkte
Sarwo Edhies beherrschen heute die indonesischen Streitkräfte.
Man nannte sie damals die
ksatria, die Ritter einer javanisch-kulturell geprägten Kommandeurskaste.
Die Akabri war der Urknall, aus der sie als junge Leutnante in das Militär entlassen wurden. Ihre weiteren Lebenswege verliefen unterschiedlich, und die Bewertung von ganzen Akabri-Generationen bedarf der Analyse der individuellen Karrieren. Nur wenige schafften es an die Spitze, die Konkurrenz war mörderisch, zumal jedes Jahr neue Militärakademie-Absolventen auf den Markt der militärischen Dienstposten geschwemmt werden. Aber sie haben Gemeinsamkeiten, die in den vergangenen drei Jahrzehnten zu beobachten waren. Diese Generationen haben die Neue Ordnung nicht nur gelebt, sie haben sie betrieben. Es wird interessant werden zu beobachten, wie sie die indonesische Demokratie gestalten werden. <>
1 Vgl. Damien
Kingsbury, 1998, „Watch these Five! Damien Kingsbury puts his money on
five military winners in the presidential stakes. Indonesians call them
the five Pandawas”, in: Inside Indonesia, January-March, p. 12-13., und
„Resurgence of the Five Pendawa”, in: laksamana.net, August 13, 2003
2 So genannte
sozio-politische Positionen (Sospol) wurden turnusgemäß in Politik
und Wirtschaft für führendes Militärpersonal bereit gestellt,
für die keine Verwendung mehr im Militär bestand.
3 Die Klassenstärken:
Jahrgangsklasse 1971 (328 Absolventen), 1972 (388), 1973 (416), 1974 (451),
1975 (303), 1976 (85), 1977 (79), 1978 (93).
4 Prabowo
Subianto gehört eigentlich zum Akabri-Jahrgang 1973, wurde jedoch
wegen undisziplinierten Verhaltens – er machte sich mehrfach verbotenerweise
über das Wochenende nach Hause auf und wurde deshalb zurückversetzt
in die Klasse von 1974. Sjafrie Sjamsoeddin
5 Vgl. Douglas
Kammen und Siddharta Chandra, 1999, A Tour of Duty: Changing Patterns of
Military Politics in Indonesia in the 1990s, Cornell Modern Indonesia Project,
insbesondere Appendix 1.6.
6 Peter
Britton, 1996, Profesionalisme dan ideologi militer Indonesia, LP3ES, Jakarta,
vgl. besonders Kapitel 7: „Mendidik Generasi Magelang“
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