Indonesien-Information Nr. 1/2005 (Dezentralisierung)

Bringt Dezentralisierung Autonomie in die Regionen?

von Renate Volbracht


Nicht zuletzt nach dem Referendum für Osttimor wurden auf einigen der Außeninseln und in manchen Provinzen Indonesiens Rufe nach mehr Autonomie oder völliger Unabhängigkeit laut. Vor allem in den rohstoffreichen, besonders von Ausbeutung betroffenen Regionen fanden sich sezessionistische Bewegungen im Aufwind: Eine Umstrukturierung des Staates wurde nach dem Fall Suhartos so politisch notwendig wie unausweichlich. Eine Neuordnung der politischen, administrativen und finanziellen Beziehungen zwischen der Zentralregierung und den Regionen musste geschaffen werden.

Mit dem sehr schnell initiierten Dezentralisierungsprogramm - offenbar eher aus der Angst vor einem Zerfall des Staates als von einem starkem politischem Willen, Macht abzugeben, getrieben - sollte dem Staat geholfen werden, seine politischen, ökonomischen und sozialen Krisen zu bewältigen. Die Diskussionen über die Einführung von regionalen Regierungen für autonome Regionen wurde in den Behörden bestritten, bis jetzt wurden weder regionale Vertreter konsultiert, noch die Bevölkerung befragt. Die Politik für die Dezentralisierung sollte dennoch eine ausgeglichene Verteilung und Nutzung natürlicher Ressourcen gewährleisten und ein neues fiskalisches Gleichgewicht zwischen dem Zentrum und den Regionen schaffen.

Dafür begann ab Oktober 1998 eine Revision der Gesetze 5/1974 (Dezentralisierungsgesetz) und 5/1979 (Gesetz über Dorfregierungen), woraus die Gesetze 22/1999 (Gesetz über regionale Regierungsausübung) und parallel das Gesetz 25/1999, das die fiskalische Dezentralisierung ermöglichen sollte, entstanden. Nahezu ohne öffentliche Debatte wurden diese beiden Gesetze im Mai 1999 verabschiedet. Um ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Implementierung zu ermöglichen, sollten sie erst zum 1. Januar 2001 in Kraft treten. Laut ihrer Präambeln versprachen beide Gesetze die Ideale der Demokratie und der Bürgerbeteiligung sowie Gleichheit und Gerechtigkeit in autonomen Regionen zu ermöglichen. Außerdem sollte durch sie das wirtschaftliche Potenzial der Regionen gestärkt und die Rechte der einzelnen Regionen und ihre Diversität anerkannt werden. Diese Gesetze erfuhren, wegen ihrer offensichtlich gewordenen Mängel, im Oktober 2004 eine Neufassung. Das Gesetz zur Regionalen Regierungsausübung 32/2004 hätte durch die bis dahin gemachten Erfahrungen bei den Umsetzungsschwierigkeiten zu einer verbesserten Ausarbeitung führen können, tatsächlich bleibt es aber so ungenau und undemokratisch wie zuvor. Präziser formuliert wurden lediglich Einschränkungen von autonomieförderlichen Potenzialen.

Offenbar hatte die Zentralregierung in Jakarta heiße Füße bekommen, weil die Wünsche nach Dezentralisierung die Entstehung neuer Regionen so schnell verlaufen ließen: Denn mit dem Gesetz 22/1999 (Art. 6) wurde den Regionen die Möglichkeit gegeben, sich neu zu formieren bzw. zu rekonfigurieren. Die von der Gesetzgebung in Aussicht gestellten größeren Selbstbestimmungsmöglichkeiten in den Regionen führten dazu, dass die Zahl der Lokalregierungen sehr schnell anstieg, weil sich Provinzen, Kommunen und Städte teilten. So gab es bereits bis Januar 2004, also in ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes von 1999, sechs neue Provinzen und einen Zuwachs von 146 Städten und Kommunen.

Umfragen (IRDA: 2004) unter NROs, lokalen Parlamentariern, regionalen Oberhäuptern, Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen sowie weiteren gesellschaftlichen Akteuren für Dezentralisierungspolitik und Analysen behördlicher Daten haben ergeben, dass die häufigsten Begründungen für die Neu-Etablierung von Regionen mit großen Hoffnungen auf mehr Chancen ökonomischer Entwicklung verbunden waren, die betreffende Region als zu groß für eine effektive Verwaltung erachtet wurde, oder dass geographische Besonderheiten besser berücksichtigt werden sollten. Sowohl die Verbesserung von politischen und ethnischen Bedingungen vor Ort, als auch Hoffnungen auf verbesserte öffentliche Dienstleistungen und historische Gründe wurden genannt. Entgegen den Wunschvorstellungen Vieler wurde in den neu entstandenen Regionen aber nicht automatisch eine Verbesserung der öffentlichen Dienstleistung oder der Infrastruktur erreicht: Das Personal blieb zu einem hohen Prozentsatz dasselbe und war auch nicht besser qualifiziert worden. Außerdem fehlte für z.T. gute Pläne und Vorhaben, die auf regionaler Ebene gerne in Eigenregie durchgeführt worden wären, eine Bezuschussung aus Geldern des nationalen Haushalts.
Vermutlich wurde durch das neue Gesetz zur Regionalregierung 32/2004 ein Stopp dieses Prozesses der Entstehung kleinerer und überschaubarer Regierungseinheiten eingeleitet. In Art. 5 wird eine Mindestgröße für die Konstituierung einer neuen Region festsetzt: Eine Provinz muss jetzt aus mindestens fünf Kommunen (kabupaten oder Städten) bestehen, eine Kommune (kabupaten) aus mindestens fünf Unterkommunen (kecamatan) und eine Stadt aus mindestens vier kecamatan. Art. 4 besagt außerdem, dass die Teilung einer Region erst dann rechtskräftig wird, wenn eine Mindestzeit eigenständiger Regierungsausübung erreicht wurde: Bei Provinzen zehn Jahre, bei Kommunen/Städten sieben Jahre und bei kecamatan fünf Jahre.

Zur Klärung des Begriffs

Der Theorie nach besteht eine Dezentralisierung aus der Lockerung der Kontrolle der Zentralmacht und beschreibt einen Prozess, durch den diese Macht auf eine größere Anzahl von Handlungsträgern aufgeteilt wird. Sie lässt sich an Komponenten wie der Übertragung von Verantwortung, von Gesetzgebungs- und Personalkompetenzen auf die Regional- und Lokalregierungen ablesen oder auch an dem Ausmaß, in dem Regionen tatsächlich autonom handeln können oder inwieweit Regionen Steuererhebungen tätigen, bzw. selbstständig über ihre Finanzen verfügen können.

Sowohl im Gesetz 22/1999 als auch im nachfolgenden Gesetz 32/2004 wird gleich zu Beginn die indonesische Variante von Dezentralisierung erklärt, die aus „Dekonzentration und Ko-Administration“ bestehen soll. Man spricht im politischen Kontext allgemein von Dekonzentration, wenn Verwaltungs- und Finanzfunktionen, die bislang auf der nationalen Ebene ausgeführt wurden, an lokale Untereinheiten (z.B. an Behörden, Ämter oder Abteilungen) abgegeben werden. Um diese Funktionen im Sinne einer Dezentralisierung wirksam werden zu lassen, müssen auch die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse an die Regionen weitergegeben werden. Dem steht aber die indonesische „Ko-Administration“ entgegen, die zwar auch Personaltransfers durch die Zentralebene beinhaltet, wie sie für eine Dekonzentration von Aufgaben nötig sind, aber Ko-Administration fordert in erster Linie verpflichtend die Durchführung von Aufgaben im Rahmen einer Hierarchie ein. Die Zentralregierung kann Aufgaben bis in alle Ebenen der Regionen bis nach ganz unten in die Dörfer abgeben (32/2004: Art. 1 und 11), ebenso können Provinzregierungen und kommunale Oberhäupter Aufgaben bis zur Dorfebene stellen und/oder weiterreichen. Wie viel Einfluss dies auf die regionale Gesetzgebung, regionale politische Entscheidungsfreiheiten und die Autonomie der Regionen ausübt, werden wir weiter unten noch sehen.

Ob eine politischen Dezentralisierung in Indonesien wirksam werden kann, bleibt fraglich. Denn dafür müsste z.B. explizit geregelt sein, wie viel Verantwortung auf politische Entscheidungsträger in den Regionen übertragen wird, wie groß das Ausmaß der Rückversicherung der Regionalregierungen für Projektdurchführungen bei der Zentralregierung ist und wie groß der Grad der Überwachung durch die nationale Verwaltung bleibt. Einer der wichtigsten Faktoren bei einer politischen Dezentralisierung fehlt gänzlich: In der Gesetzgebung zu den Regionalregierungen war keinerlei Übertragung von Entscheidungsmacht an die Bürgerinnen und Bürger vorgesehen und keine einforderbaren Regelungen für eine Partizipation der Bevölkerung oder gesellschaftlicher Gruppen auf lokaler Ebene getroffen worden. Auch eine Teilnahme von Frauen am Regierungsprozess wurde nicht institutionalisiert.

Die autonomen Regionen

Die regionalen Ebenen einer Region sind Provinzen, mit dem regionalen Oberhaupt eines/r Gouverneurs/in, die Kommunen mit dem bupati und die Städte mit einem/r Bürgermeister/in. Jede Provinz, Kommune oder Stadt besitzt eine Regionalregierung, die aus dem regionalen Oberhaupt und dem regionalen (Verwaltungs-) Apparat besteht, der sich aus einem Sekretariat, Fachbehörden und technischen Einrichtungen zusammensetzt. Die Regierung ist Exekutive. Das regionale Parlament auf Provinz- wie auch auf Kommunalebene ist Legislative und der Regionalregierung gleichgestellt. (32/2004: Art. 1 und Allgemeiner Kommentar 4)

Wie schon 1999 bleibt auch in der Neufassung des Gesetzes (32/2004: Art. 37) die Provinz nicht nur als „autonome Region“ bestehen, sondern gleichzeitig als „administrative Einheit der Zentralregierung“. Der Gouverneur oder die Gouverneurin hat eine Doppelfunktion als Oberhaupt der autonomen Region und als Repräsentant der Zentralregierung in der Region, d.h. er/sie ist Teil der nationalen Verwaltungshierarchie, die vom Zentrum bis in die kleinste Verwaltungseinheit der Dorfebene hineinreicht. Diese Doppelstellung trägt viele Konfliktpotenziale in sich, denn die politischen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen der Zentralregierung und der sogenannten autonomen Region sind nicht unterscheidbar.

Nach Art. 1 (32/2004) soll die regionale Regierungsausübung den Grundsätzen der Autonomie und der Ko-Administration folgen und sich dabei innerhalb der Prinzipien des Einheitsstaates der Republik Indonesien bewegen. Die autonomen Regionen haben demnach das Recht und die Verpflichtung, ihre eigenen Regierungsangelegenheiten zu erledigen und sich selbst nach gesellschaftlichem Wunsch zu regieren und zu verwalten. Der Art. 2 relativiert diese Zusage, indem jene Regierungsaufgaben ausgenommen werden, welche per Gesetz als Angelegenheit der Zentralregierung festgelegt worden sind und eine Verbesserung des öffentlichen Wohls, der öffentlichen Dienstleistungen und des regionalen Wettbewerbs zum Ziel haben. In den Allgemeinen Kommentaren (1) findet sich hierzu, dass die Verbesserung des öffentlichen Wohls als Hauptziel nationaler Entwicklung bezeichnet wird, welches wiederum durch die Ausführung der regionalen Autonomie erreicht werden soll. Der Widersprüchlichkeiten noch nicht genug, verspricht die Zentralregierung an selber Stelle für dieses Ziel Richtlinien und Unterstützung durch Schulungen und Planungen geben zu wollen und dafür die „Standards, Direktiven, Führung, Training, Supervision, Kontrolle, Koordination, Monitoring und Evaluation“ zu setzen und durchführen zu lassen. Es bleibt also die Frage: Wer ist hier autonom? Die Definition von Autonomie bleibt außerdem in den Händen des Gesetzgebers, der sie daher jederzeit neu definieren, beschneiden und auch wieder zurücknehmen kann.

Aufgabenverteilung zwischen den Regierungsebenen

Mit dem Gesetz von 2004 wurde eine Stärkung der Provinzebene gegenüber den Kommunen vollzogen: Beide haben jetzt dieselben Aufgaben und die Provinz bekam neben ihren früheren Koordinations- auch Supervisionsaufgaben für die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Regionen übertragen. Die Provinzen sollen vor allem die innerhalb der Provinz liegenden interkommunalen Angelegenheiten regeln, aber auch solche, die kommunalen Charakters, aber provinzübergreifend gelagert sind. Außerdem hat der/die Gouverneur/in auch eine undemokratische „Schlichterrolle“ bekommen: Er/sie soll einen Disput zwischen Kommunen innerhalb der Provinz schlichten. Wenn der Streit zwischen einer Provinz und einer Kommune (auch provinzübergreifend) oder zwischen Provinzen stattfindet, ist das Innenministerium für die Schlichtung zuständig. Sollte es zu keiner Einigung kommen, hat das Ministerium bzw. der/die Gouverneur/in das Machtwort (32/2004: Art. 198).

Die Zentralregierung definierte ihre eigenen Aufgabenbereiche (32/2004: Art. 10) als die der Außenpolitik, der Verteidigung und inneren Sicherheit, der Fiskal- und Geldpolitik sowie der Justiz und Religion. Dem regionalen Verantwortungsbereich entziehen sich außerdem der Finanzausgleich, die ökonomische Makroebenenplanung, die öffentliche Verwaltung, Wirtschaftsinstitutionen, die Entwicklung menschlicher Ressourcen, der Verbrauch von Naturressourcen, strategische Technologien, Umweltschutz und nationale Standardisierungen. Im Wesentlichen betreffen alle diese Bereiche die Aufsicht, Kontrolle und Evaluation von Politiken sowie die Aufstellung von Normen und Standards. Die von der Zentralregierung formulierte Politik verbleibt dann in ihrer Umsetzung den Regionen, die keine Einflussmöglichkeiten auf die nationale Planung haben. Die Aufgaben und Verantwortungsbereiche, die den sogenannten autonomen Regionen zugestanden wurden, werden so nicht klarer umrissen sondern letztlich ad absurdum geführt, weil es zu viele Überschneidungen mit den Aufgabenbereichen zwischen der Zentralregierung und den Provinz- und Lokalregierungen gibt.

In dieselbe Kerbe schlägt, dass die regionale Entwicklungsplanung „in integrierter Weise“ mit dem nationalen Entwicklungsplan stattfinden soll, und zwar sowohl in „Visionen, Strategien, Aktivitäten, Funktionen und der Evaluation“ (32/2004: Art. 150 - 154). D.h., dass regionale Entwicklungspolitik in Übereinstimmung mit den staatlichen Behörden für Entwicklungsplanung auf allen regionalen Ebenen durchgeführt werden muss. Diese Politik beschränkt sich auf verwaltungstechnische Vorgänge.

Die Zentralregierung kann nicht näher bestimmte „weitere Aufgaben“ an die Regionalregierungen übertragen und sie auch wieder zurücknehmen, je nach dem, welche Regierungsebene sie „effizienter und zuverlässiger“ erledigt (32/2004: Art. 10 und Allgemeiner Kommentar 3). Solche Aufgaben müssen zwar finanziert werden, was aber bis jetzt die lokale Regierungsausübung nicht vereinfachte, die oftmals nicht nur an Geld- und Personalmangel sondern auch an Zeitmangel (v.a. für eigene Projekte) scheiterte. So werden diese Gesetzte auch in Zukunft nicht nur praxisfern, sondern auch leere Versprechungen zur Selbstverwaltung bleiben. Da außerdem bislang Festlegungen für nationale Mindeststandards zu Bildung, sozialen Systemen und Gesundheitsversorgung fehlen, fehlte es den Regionalregierungen i.d.R. an Richtlinien für Maßnahmen zur Verwirklichung eigenständiger Politik. Andererseits entpuppten sich auch sehr ambitionierte regionale Versuche zur Schaffung eigener Normen und Regeln oft als innergesellschaftlich sehr widersprüchlich und konfliktreich und wurden von der Zentralregierung z.T. untersagt.

Auch wenn man die Aufteilung der laufenden Ausgaben und denen für Aufgaben betrachtet, wird der enge Spielraum für eigenes politisches Handeln besonders deutlich: In der Regel werden mehr als drei Viertel des lokalen Haushalts für die Bezahlung der Beamten und den Unterhalt für städtische Gebäude verwendet (77 bis 79%). Oft können die Städte Dienstleistungen nicht erbringen, weil die Budgets niedriger sind als der legitime Bedarf. Dies führte zu einer Belastung des wirtschaftlichen Klimas
mit teilweise kuriosen Auswirkungen auf die Erhebung von Steuern und Gebühren in den Regionen, so dass das Innenministerium immer wieder Verordnungen für rechtswidrig erklärte.

Indonesien blieb ein zentral regierter Einheitsstaat, der jetzt insofern dezentral aufgebaut wurde, als dass die Regionen Zusagen für Selbstbestimmungsrechte bekamen, aber keine eindeutigen Regeln, wie diese durchführbar und v.a. wie sie finanzierbar sind. Alle regionalen Entscheidungen müssen außerdem im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung stehen, wodurch den regionalen Gegebenheiten angepasste Neuregelungen erschwert möglich sind. Die Ungenauigkeit in Bezug auf die fehlende Abgrenzung der Aufgaben scheint programmatisch zu sein. Was 2004 eine verbesserte und ausgearbeitetere Neuauflage der Gesetze für eine Dezentralisierung Indonesiens hätte sein können, scheint eine in Worthülsen weiterexistierende und auf Verwaltungsakte reduzierte Dekonzentration zu sein. In vielen Regionen blieb Skepsis die Mutter der Dezentralisierungspolitik, weil nicht klar wurde, welche Aufgaben eigenständig in den Regionen übernommen werden sollten.

Kompetenzen, Rechenschaften und Verantwortlichkeiten zwischen den Ebenen

Das wirklich Neue am Gesetz 32/2004 sind die darin vorgesehenen Wahlen der regionalen Oberhäupter (also der Gouverneure/innen, bupati und Bürgermeister/innen) sowie deren Stellvertreter. Diese sollen jeweils als Kandidatenpaare in allgemeinen, freien Wahlen vom Volk direkt gewählt werden. Viele der Wahlmodi sind jedoch noch so unklar, dass die ersten dieser Wahlen bereits aufgeschoben wurden (siehe Artikel von Petra Stockmann in diesem Heft). Die Regionalparlamente werden bereits nach den allgemeinen Wahlgesetzen gewählt. Sie sind an der Erstellung des Haushalts beteiligt und können Rechenschaft vom regionalen Oberhaupt verlangen. So haben lokale Parlamente eine wichtige Stellung bei der Kontrolle der Exekutive.

Jedes regionale Oberhaupt muss gegenüber der Zentralregierung, dem Regionalparlament seiner Ebene und der Bevölkerung alljährlich einen Rechenschaftsbericht über die Regierungsausübung vorlegen. Die bupati und Bürgermeister/innen haben außerdem Weisungsbefugnis gegenüber den kleinsten kommunalen Einheiten der kecamatan und kelurahan, deren lokale Oberhäupter sie aus dem Beamtenapparat heraus ernennen, und die ihnen wiederum rechenschaftspflichtig sind. Außerdem haben alle lokalen und regionalen Oberhäupter und deren Stellvertreter die Verpflichtung, eine „eng verflochtene Arbeitsbeziehung“ mit allen administrativen Instanzen des regionalen Apparates zu unterhalten (32/2004: Art. 27, 126, 127). Dieser regionale Apparat besteht in paralleler Hierarchie auf Provinz- und auf kabupaten/Stadt-Ebene aus dem regionalen Sekretariat mit seinen nachgeordneten Fachbehörden und Technischen Einrichtungen und dem Sekretariat des Regionalparlaments. Die Kontrolle des gesamten regionalen Apparates verläuft nach Maßgaben der Verordnungen der Zentralregierung über das Innenministerium auf die Provinzebene, durch den/die Gouverneur/in für die kabupaten/Stadt -Ebene und durch den/die bupati bzw. Bürgermeister/in für die kecamatan und kelurahan.

Die Leitung des regionalen Sekretariats auf Provinzebene wird vom Präsidenten ernannt, das auf kabupaten-/Stadtebene vom Gouverneur bzw. der Gouverneurin. Sie ist dem regionalen Oberhaupt der jeweiligen Ebene gegenüber verantwortlich und dazu verpflichtet, bei der Politikformulierung zu helfen und die regionalen Fachbehörden und technischen Einrichtungen zu koordinieren. Auch sind alle Fachbehörden und technische Einrichtungen dem regionalen Oberhaupt durch das regionale Sekretariat rechenschaftspflichtig. Letztlich kann dieser Apparat kontrollieren, welche Informationen, die die Arbeit der Exekutivorgane betreffen, ein regionales Oberhaupt überhaupt erhält.

Auch das Regionalparlament hat ein Sekretariat, dessen Leitung mit Zustimmung des Regionalparlaments von dem jeweiligen Regionalen Oberhaupt ins Amt gesetzt oder entlassen wird. Das Sekretariat des Regionalparlaments hat die Aufgabe, dessen (Finanz-) Verwaltung zu bestreiten. Der Rechenschaftsbericht des Sekretariats des Regionalparlaments geht an das regionale Oberhaupt, muss diesem aber auch über das regionale Sekretariat zugeleitet werden (32/2004: Art. 120 - 128), d.h., dass insgesamt eine maximale Involviertheit des regionalen Apparates in Regierungsführung, die (Finanz-) Organisation des Regionalparlaments und in die regionale Gesetzgebung hergestellt wird.

Verordnungen, die innerhalb der Regionen erlassen werden können, stammen von einem Regionalparlament oder von einem regionalen Oberhaupt. In der Vorbereitungsphase soll die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, schriftliche oder mündliche Verbesserungsvorschläge einzureichen, wenn das Regionalparlament eine entsprechende Regelung hierfür vorgesehen hat. Vorschläge zu Verordnungen, die vom Regionalparlament ausgehen, müssen von dessen Sekretariat ausgeführt werden; wenn sie von einem regionalen Oberhaupt stammen, müssen sie vom regionalen Sekretariat ausformuliert werden. Diese Vorgehensweise soll sicherstellen, dass die Verordnungen im Rahmen bestehender Gesetze dem „Prinzip von indonesischen Konzepten“ folgen und die „Vielheit in Einheit“ berücksichtigen. Die Inkraftsetzung einer Verordnung erfolgt dann auf der jeweiligen Ebene durch das regionale Oberhaupt und das Regionalparlament. Sollten solche Verordnungen höheren Gesetzen widersprechen oder gegen das öffentliche Interesse gerichtet sein, dann kann die Zentralregierung diese Verordnungen annullieren. Es gibt vor dem Obersten Gerichtshof eine Widerspruchs-möglichkeit (32/2004: Art. 136-145).

Hier greift die Zentralregierung aktiv in gesetzgeberische regionale Gestaltungsprozesse ein und beobachtet nicht nur, wie sich eine als autonom zu bezeichnende Region an die Politikrichtung der Nationalregierung hält. Der Staat spielt also weiterhin die dominante Rolle: Die technischen Einrichtungen und Fachbehörden beeinflussen immer noch sehr stark die Formulierung von Politik, Programmen und Regionalverordnungen, wodurch die zentrale Rolle der Regionalparlamente bei der Entscheidungsfindung untergraben wird.

Last Not Least: Alle an der regionalen Regierungsausübung beteiligten Personen erfahren Schulungen und Supervision durch einen „Internen Apparat der Zentralregierung“, erklärtermaßen, um Regierungs-ausübung und Erstellen von regionalen Verordnungen durch die regionalen Parlamente und regionalen Oberhäupter effektiver zu machen. Im Rahmen der Supervision können Strafen gegen „Regionalregierungen, regionale Oberhäupter und ihre Stellvertreter, Mitglieder von Regionalparlamenten, den regionalen Apparat, regionale Beamte, Dorfchefs, Dorfräte, und die Bevölkerung“ verhängt werden, wenn die Qualitätskontrollen zur Regierungsführung und Erlassen von regionalen Verordnungen negativ ausfallen.Verordnungen der Regionalparlamente können von der Zentralregierung annulliert werden, die Regionen können umstrukturiert und Entlassungen vorgenommen werden, regionale Politikmaßnahmen können widerrufen und u.U. Gefängnisstrafen verhängt werden (32/2004: Art. 217-223 und Allgemeiner Kommentar 9). Letztlich erzwingt diese Supervision durch die angedrohte Strafverfolgung eher Unterordnung und Gehorsam aller Regierungsmitglieder, einschließlich der von der Bevölkerung gewählten Parlamentarier.

Den Hoffnungsträgern der Dezentralisierung, den politischen Parteien, sind im autonomen Sinne eher die Hände gebunden und auf Lokalebene sind sie i.d.R. schwach entwickelt. Klassische Oppositionsparteien, die kritisieren, kontrollieren oder Alternativen aufzeigen könnten, fehlen bis jetzt. Parteien agieren meist im Konsensverfahren, so dass auch Korruption und Kollusion kaum aufgeklärt werden können. Politische Entscheidungen werden eher informell ausgehandelt, was die beteiligten Regierungsvertreter korruptionsempfänglich macht. Kollusionen zwischen Parlament und Verwaltung führen zur Verringerung der zur Verfügung stehenden Mittel. Korruption und Vorteilsannahmen durch ein Amt verhindern demokratische Potenziale des Dezentralisierungsprozesses.

Die Verlierer der Dezentralisierungspolitik sind die Bevölkerung und zivilgesellschaftliche Gruppen, die i.d.R. eine zu schwache Position gegenüber der Lokalregierung und dem Regionalparlament haben, um ihre Interessen durchzusetzen.<>
 
 
 

Literatur:

UU 22/99: http://www.ri.go.id/produk_uu/isi/produk_99/uu1999/uu-22-99.htm UU 32/04: http://www.ri.go.id/produk_uu/produk2004/uu2004/uu32'04.htm

Kommentare zu UU 32/2004: http://www.ri.go.id/produk_uu/produk2004/uu2004/uu32pjs'04.htm

Stockmann, Petra: Ein Mehr an Demokratie per Verfassungsgerichtsurteil? (in diesem Heft)

Bünte, Marco: Regionale Autonomie in Indonesien - Wege zur erfolgreichen Dezentralisierung, Hamburg 2003

GTZ: http://www.gtzsfdm.or.id/ Homepage der Gesellschaft Für Technische Zusammenarbeit zur Dezentralisierung in Indonesien

The Asia Foundation: Indonesian Rapid Decentralisation Appraisal (IRDA)
IRDA 2003: http://www.asiafoundation.org/pdf/IRDA3-english.pdf
IRDA 2004: http://www.asiafoundation.org/pdf/IRDA5-english.pdf

Shah, Anwar Thompson, Theresa: Implementing Decentralized Local Governance: A Treacherous Road with Potholes, Detours and Road Closures Weltbank, Juni 2004, Research Working Paper 3353
 
 

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