Suara Nr. 1/2007 (Korruption)

 

Das Geld stammt von Volkswagen

von Alex Flor

Indonesiens berühmtester Playboy wurde vorzeitig aus der Haft entlassen. Kaum an der frischen Luft muss sich Tommy Suharto, der jüngste Sohn des früheren Diktators, erneut mit Korruptionsvorwürfen plagen lassen.


Mehr als drei Jahrzehnte herrschte Diktator Suharto über Indonesien. Ohne Rücksicht auf die Menschenrechte führte er, gestützt auf das Militär, ein eisernes Regime. Seine Regierung zeigte sich offen für ausländische Kapitalinteressen und bescherte dem Land eine durchaus beachtliche wirtschaftliche Entwicklung. Offen waren jedoch vor allem auch die Taschen des Suharto-Clans, die von in- und ausländischen Unternehmern gestopft werden mussten, um auch der Familie eine sagenhafte wirtschaftliche Entwicklung zu bescheren.

Von allen Angehörigen der Familie, war es wohl zweifelsohne Suhartos jüngster Sohn Hutomo Mandala Putra, besser bekannt als Tommy Suharto, der sich am schamlosesten bereicherte. Im Mai 1998 musste Suharto zurücktreten. Es begann das Zeitalter der Reformasi, dem mühevollen Übergang von der Diktatur hin zu einer Demokratie, die frei von Menschenrechtsverletzungen und Korruption sein sollte. Zahlreiche Veränderungen nahmen ihren Lauf, doch die Familie Suharto blieb von jeglicher Rechtsverfolgung verschont. Zwei Jahre sollte es dauern, bis ein Richter den Mut fasste, wenigstens Tommy wegen eines Korruptionsfalles zu 18 Monaten Haft zu verurteilen.

Tommy Suharto entzog sich der Verhaftung und lebte Monate lang im Untergrund. Im Juli 2001 erschossen zwei gedungene Mörder von einem Motorrad aus den Richter Syaifuddin Kartasasmita, der die Unverfrorenheit besessen hatte, das genannte Urteil über Tommy zu verhängen. In einem späteren Strafprozess sah es das Gericht als erwiesen an, dass Tommy Suharto der Auftraggeber der beiden Mörder war. Wegen Auftragsmordes, illegalen Waffenbesitzes und Entzug vor der Justiz wurde er 2002 zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Doch schon im Herbst 2006 waren die 15 Jahre um. Am 30. Oktober wurde Tommy aus der Haft entlassen. Kein Problem, erklärten zuständige Politiker: Tommy habe zwei Drittel seiner Haftzeit abgebüßt und werde nun im Einklang mit dem Gesetz und gängigen Praktiken wegen guter Führung auf freien Fuß gesetzt. Zwei Drittel von 15 Jahren? Das müssten nach Adam Riese nicht knappe fünf, sondern ziemlich genau zehn Jahre sein.

Tatsächlich finden die grundlegenden Regeln der Mathematik auch in der indonesischen Justiz weiterhin Anwendung. In einem Berufungsverfahren war die ursprünglich verhängte Strafe um fünf auf zehn Jahre reduziert worden. Des weiteren kam Tommy, wie praktisch alle Häftlinge in Indonesien, in den Genuss regelmäßiger Haftreduzierungen anlässlich besonderer Feiertage wie beispielsweise dem islamischen Zuckerfest Idul Fitri. Rein rechnerisch sind die zwei Drittel somit nicht zu beanstanden.

Nicht nur Kleingeister, sondern vor allem auch Mitgefangene in der Vollzugsanstalt Cipinang mokierten sich über die Luxusbedingungen, die Tommy im Knast antreffen durfte. Zur Ausstattung seiner Zelle gehörten ein gefliestes Bad, Klimaanlage, Farbfernseher, Handy und Laptop. Die 40 aufsässigen Mitgefangenen, die darin eine Ungleichbehandlung sahen, wurden später in andere Haftanstalten verlegt – angeblich weil sie versucht hatten, von Tommy Schutzgeld zu erpressen.

Auch Tommy selbst wurde später verlegt. Den Rest seiner Haftzeit saß er im Gefängnis auf der Insel Nusakambangan ab. Er hatte keinen Anlass, sich dort über einen schlechteren Service als in Cipinang zu beschweren. Zahlreiche Freigänge zur ärztlichen Behandlung oder zum Besuch der Familie machten die Haft erträglicher. Auch seine geschäftlichen Aktivitäten mussten im Gefängnis keine Einbußen hinnehmen. In der Nähe stand ein Gästehaus zur Verfügung, wo sich die Besucher Tommys die Klinke in die Hand gaben – Mitarbeiter seines Firmenimperiums Humpuss, Geschäftspartner und Anwälte. Tommys derzeit lukrativste Unternehmungen sind auf Seefracht spezialisierte Speditionen. Sie erzielten 2006 einen Umsatz von 1,1 Billionen Rupiah (ca. 96 Mio €) bzw. einen Reingewinn von 200 Milliarden (ca. 17 Mio €).

Ein Konto in Guernsey und zwei Minister

Von seiner Gefängniszelle aus erteilte Tommy auch dem Anwaltsbüro Ihza & Ihza den Auftrag, sich um die Flüssigmachung eines in Guernsey angelegten Betrages von ca. 10 Mio Dollar zu kümmern, den seine dortige Bank, die BNP Parisbas nicht freigeben wollte. Izha & Izha ist die private Kanzlei des damaligen Justiz- und Menschenrechtsministers Yusril Izha Mahendra. In alten Zeiten hatte Yusril Mahendra die Reden für Tommys Vater, den Präsidenten, geschrieben. Heute bekleidet er im Kabinett den Posten des Staatssekretärs – in etwa vergleichbar mit dem deutschen Amt des Kanzleramtsministers.

Nur knapp zwei Wochen nach Tommys Haftentlassung verhängte die Generalstaatsanwalt über ihn ein zunächst auf ein Jahr befristetes Ausreiseverbot. Er habe sich einmal pro Woche zurückzumelden, erklärte Generalstaatsanwalt Abdurrahman Saleh. Es seien neue Klagen wegen Korruptionsverdachtes in Vorbereitung, begründete er seine Anordnung.

Bevor diese Vorwürfe spezifiziert wurden, kündigte Abdurrahman Saleh im Januar an, eine Zivilklage gegen Tommys Vater, Exdiktator Suharto anstrengen zu wollen. Ein Strafverfahren wegen Korruption in Zusammenhang mit sieben Stiftungen, die sich unter Suhartos Kontrolle befanden, hatte der Generalstaatsanwalt im Mai letzten Jahres niedergeschlagen, da der Gesundheitszustand des Verdächtigen ein Verfahren nicht ermögliche. Nun will Saleh versuchen Suharto auf dem Weg einer Zivilklage zur Rückzahlung illegitim erworbener Gelder in Millionenhöhe zu zwingen. Beobachter sind allerdings skeptisch, ob eine solche Schadensersatzforderung Aussicht auf Erfolg hat, solange dem Exdiktator auf dem strafrechtlichen Wege keine Schuld nachgewiesen wurde.

Mitte Januar wurde schließlich bekannt, was es mit dem neuen Fall gegen Tommy auf sich haben könnte. Ein Gericht auf der britischen Kanalinsel Guernsey erklärte, es gebe dem Ersuchen der indonesischen Regierung statt, Gelder in Höhe von mindestens 36 Mio Euro, möglicherweise sogar mehr als das Doppelte dieses Betrages, einzufrieren. Ausgelöst hatte den Fall die auf Guernsey befindliche Zweigstelle der französischen Bank BNP Parisbas. Diese weigert sich bereits seit Jahren Auszahlungen aus einer Einlage Tommys vorzunehmen, da sie den Verdacht hegt, das Geld könne aus korrupten Machenschaften stammen. Nur wenige Wochen nach Suhartos Sturz hatte die in Tommys Besitz befindliche Firma Garnet Investment am 22.Juli 1998 dieses Anlagekonto bei der BNP Parisbas in Guernsey eröffnet. Tommys Anwalt O.C. Kaligis bestreitet freilich, dass es sich bei der Anlage um Korruptionsgelder handelt: „Das Geld stammt aus dem Verkauf von Tommys Anteilen an Lamborghini an die Volkswagen AG,” erklärte er gegenüber der Jakarta Post /Jakarta Post, 22.02.07/.

Bereits seit 2002 bemüht sich die Firma Garnet Investment um Auszahlung unterschiedlicher Beträge aus dem auf bis zu 75 Mio Euro geschätzten Anlagevermögen. Garnet Investment ist auf den britischen Jungferninseln im Handelsregister eingetragen. Offenbar hat der Diktatorensohn eine Vorliebe für auf kleinen Inseln gelegene Steuerparadiese. Fehlen nur noch die Bahamas.

Aber nicht doch! Schließlich war es die im Besitz von Tommy befindliche Motorbike Corporation, registriert auf den Bahamas, in deren Namen er die Anwaltskanzlei Izha & Izha beauftragt hatte, zumindest 10 Mio Dollar aus dem in Guernsey angelegten Vermögen flüssig zu machen. Der Versuch war erfolgreich. Izha & Izha gelang es 2004 die Auszahlung zu erwirken. Die BNP Parisbas bestand jedoch darauf, das Geld nicht direkt an Tommy oder eine seiner Firmen auszuzahlen. Kein Problem! Yusril Izha Mahendra hatte ja neben seiner Anwaltskanzlei auch noch ein Ministerium an der Hand, dessen Konto er für den Transfer zur Verfügung stellte. BNP Parisbas überwies 10 Mio Dollar auf dieses Konto der Regierung Indonesiens.

Anstatt wenigstens diesen Kleckerbetrag aus dem Vermögen des Suharto-Clans für die Staatskasse zu sichern, verfügte Yusril, dass das Geld an Tommy zurückgezahlt wurde. Vollzogen wurde der Geldtransfer allerdings erst von Yusrils Nachfolger, dem amtierenden Minister für Justiz und Menschenrechte, Hamid Awaluddin. Beide Minister stehen nun heftig unter Beschuss. Und Präsident Susilo Bambang Yudhoyono muss sich fragen lassen, wie Ernst es ihm wirklich um den Kampf gegen die Korruption ist, solange er solche Minister in seinem Kabinett duldet. <>
 
 

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