Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (West-Papua/Irian Jaya)
Sonderausstellung Museum für Völkerkundem, Berlin-Dahlem bis 31.3.1996, Di. - Fr. 9-17 Uhr
Aus ethnologischer Perspektive betrachtet, gehört die Volksgruppe der Asmat, die die Südküste der indonesischen westlichen Inselhälfte von Papua bewohnt, zum melanesischen Kulturraum. West-Papua gehört jedoch seit 1963 zur Republik Indonesien. Diese Kluft wird in der Ausstellung nicht thematisiert, auf den ersten Seiten des Katalogs dafür aber um so deutlicher sichtbar. Die Ausstellung beschränkt sich auf die ethnologische Sicht und präsentiert in drei Bereichen die Schnitzkunst, für die die Asmat berühmt geworden sind.
Der größte Teil stellt die Schnitzwerke als rituelle Kunstwerke in ihrem Gebrauchszusammenhang dar, der zweite Teil besteht aus der Rekonstruktion eines Männerhauses, dem religiös-kultischen aber auch sozialen Mittelpunkt des Dorfes, in dem die Schnitzwerke zum größten Teil hergestellt aber auch aufbewahrt werden. Der dritte Teil der Ausstellung zeigt in einem gesonderten Raum die moderne, nicht mehr im Zusammenhang mit rituellen Handlungen hergestellten und benutzten Kunstwerke. Es sind kleine, handliche figurale Skulpturen oder Reliefs, die zumeist Szenen aus dem Alltag und von Festtagen darstellen. Die dargestellten Personen sind nicht die mythischen Gestalten der traditionellen Schnitzereien, sondern in der Realität existierende Personen oder Tiere. Die Stücke wurden teilweise von Missionaren in Auftrag gegeben und werden hauptsächlich für den Verkauf hergestellt. Die Künstler haben sich auf die Wünsche ihrer Kunden eingestellt. So werden die modernen Schnitzereien aus dem bestnädigen Eisenholz anstatt des traditionell benutzten Weichholzes hergestellt.
Die Objekte sind zum größten Teil kompakt, so daß auch jeder Reisende sie bequem in eine Tasche packen kann. Traditionell hergestellte mit Figuren verzierte Schalen wurden in ihrer Gestaltung dahingehend verändert, daß sie nun zuhause an der Wand der Kunden hängen ohne die Figuren zu verdecken. Die einzelnen Künstler haben zu einer individuellen Formensprache gefunden und sind angesehene Persönlichkeiten innerhalb ihrer Gemeinde. Sicherlich nicht nur, weil die Schnitzereien und das Holz eine so bedeutende Rolle in der Kultur der Asmat spielen, sondern auch, weil es gerade die modernen Künstler sind, die sich durch den Verkauf ihrer Werke Konsumgüter leisten können und ihre Kinder zur Schule schicken können - eine Teilhabe am modernen Leben, die den meisten Asmat versagt bleibt. Nicht umsonst also spricht der indonesische Minister für Erzhiehung und Kultur in seinem Grußwort zum Katalog von den Asmat als einem Beispiel für den erfolgreichen Übertritt eines Naturvolkes in die Zivilisation.
Die moderne Schnitzkunst sei Ausdruck einer neuen kulturellen Blüte. Die traditionelle, dem Ritus verhaftete Schnitzkunst sei "klischeeartig" und "einfach" und wird von dem Regierungsvertreter gegenüber der modernen Schnitzkunst abgewertet. Die Regierung war es auch, die in bester holländischer Kolonialtradition eine Zeit lang den Asmat ihre zahlreichen Kultfeste untersagte und die Männerhuser niederbrennen ließ. So sind heute viele Bereiche der traditionellen Kultur zerstört und die moderne Schnitzkunst, die auch von den christlichen Missionen gefördert wird (seit 1982 organisieren sie einen jährlichen Schnitzwettbewerb), ist neu entstanden. Der Teil der Ausstellung, der das traditionelle Leben der Asmat vorführt ist also in der Form in der Realität der Asmat nicht mehr lebendig, eine Tatsache, die auf den Schrifttafeln zur Ausstellung immer wieder am Rande erwähnt wird. Fast beiläufig heißt es da auf der Tafel neben dem Glaskasten, der eine Vielzahl traditioneller, aus Gras und Rinden hergestellte Behältnisse zur Schau stellt, daß die Asmat heute auch Stofftaschen und Gefäße aus Plastik verwenden. Statt der ausgestellten traditionellen Werkzeuge zum Feuermachen werden heute fast überall Streichhölzer und Benzinfeuerzeuge benutzt, der traditionellen Kleidung sind Turnhose, T-Shirts und Kleider gewichen. Den ideologischen Akzenten des indonesischen Ministers und des indonesischen Autors Edi Setjawati in ihren Beiträgen zum Katalog wird in der Ausstellung nichts entgegengesetzt. Der voluminöse und fast unerschwingliche Katalog (DM 152,-) ist der "Bevölkerung Indonesiens zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit" gewidmet und der Minister betont gleich zu Beginn, daß Indonesien das ganze Inselreich von "Sabang bis Merauke" umfasse und die Asmat sich harmonisch in diesen modernen Inselstaat fügten, und zwar unter dem Motto "Einheit in der Vielfalt".
Wie dieses "harmonische" Zusammenfügen und diese Einheit gemeint sind, wird im nächsten Artikel deutlich. In diesem Aufsatz "Zur Kultur Indonesiens" bezieht sich der Autor ausführlich und fast ausschließlich auf die Kultur Javas im Laufe der verschiedenen Epochen. In der Gegenwart - und noch viel weniger in der Vergangenheit - hat aber die Kultur der Papuas herzlich wenig mit der Kultur Javas gemein. Die hier vollzogene 'harmonische' Eingliederung der Kultur der Papuas in die Kultur Indonesiens (hier Javas) ist vor allem von den poltischen und wirtschaflichen Interessen der Machthaber in Jakarta bestimmt.
Auf dem Papier mag dieser Akt der Eingliederung reibungslos gelingen, in Wirklichkeit vollzieht er sich jedoch wesentlich konfliktreicher. Nach Erdöl, das auch in weiten Teilen Irian Jayas gefördert wird, ist Holz der zweitgrößte Devisenbringer für die indonesische Wirtschaft. So sind besonders die Wälder, in denen die Siedlungen der Asmat liegen, von Rodungen betroffen. Das Holz des hier heimischen Eisenbaums, das die Asmat auch für die modernen Skulpuren verwenden, läßt sich weltweit gewinnbringend zur Herstellung von Eisenbahnschwellen vermarkten. Mit den Rodungen wird nicht nur die Umwelt der Asmat zerstört, symbolisch wird ihnen damit auch ihre Existenzgrundlage genommen, denn laut ihres Schöpfungsmythos wurden die ersten Asmat durch Holzfiguren geschaffen, die der Urahn geschnitzt und mit einer Trommel zum Leben erweckt hatte.
Laut den Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen hat die Herrschaft des indonesischen Regimes bisher mehr als 300.000 Opfer unter der papuanischen Bevölkerung gefordert. Weiterhin werfen sie der indonesischen Regierung vor, die Bodenschätze auszurauben, die traditionelle Kultur abzuwerten und den Bewohnern das Recht auf Selbstbestimmung zu verweigern.
Die Ausstellung bietet einen ausführlichen und zugleich beeindruckenden Einblick in das traditionelle Leben der Asmat. Wenn die Herausgeber des Katalogs der indonesischen Staatsideologie jedoch so viel Platz einräumen und sich damit auf politisches Terrain begeben, dann hätte auch die Ausstellung die politischen Implikationen der Papuas in einem indonesischen Staat reflektieren müssen.<>
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