Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (Demokratie)
VertreterInnen deutscher Menschenrechtsgruppen, darunter die BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport" und Watch Indonesia!, demonstrierten am 16. Dezember vor dem Haus des indonesischen Ministers Habibie im niedersächsischen Kakerbeck. Der Protest richtete sich gegen die von Habibie verbreitete Lüge, die TeilnehmerInnen an der Demonstration gegen Präsident Suharto in Dresden im April letzten Jahres seien von amnesty international bezahlt gewesen. Die Dresdner Gruppe Conni e.V., die mit zu der Demo aufgerufen hatte, hat Habibie nun wegen übler Nachrede verklagt.
Nachdem in Indonesien der Prozeß gegen den Hochschullehrer Sri-Bintang Pamungkas eröffnet wurde, demonstrierten VertreterInnen deutscher Menschenrechtsorganisationen vor dem deutschen Wohnsitz von Minister Habibie im niedersächsischen Kakerbeck. Sri-Bintang Pamungkas, dem im Falle einer Verurteilung bis zu sechs Jahre Gefängnis drohen, war im Frühjahr 1995 in Deutschland, um an verschiedenen Universitäten Vorträge über die wirtschaftlichen Probleme seines Landes zu halten. Weil er bei der Gelegenheit in Hannover auch am Rande einer Demonstration gegen den indonesischen Staatspräsidenten Suharto gesehen wurde, wird Sri-Bintang seither politisch verfolgt. Die Gründe dafür sind weit hergeholt, denn so richtig geärgert hatte sich Suharto, der anläßlich der Hannovermesse zu einem Staatsbesuch gekommen war, in erster Linie über eine andere Demonstration, die in Dresden stattfand. Doch Sri-Bintang Pamungkas war nie in Dresden und so wurde er ersatzweise im Zusammenhang mit einem seiner Vorträge an der TU Berlin angeklagt. Der Vortrag soll "den Präsidenten beleidigende Äußerungen" enthalten haben, meinen die Ankläger.
Warum Habibie?
Indonesiens Forschungs- und Technologieminister B.J. Habibie, der als exzellenter Deutschlandkenner gilt, war sich nicht zu schade, die Demonstration in Dresden gegen die Verletzungen der Menschenrechte in Indonesien zu diffamieren. Habibie behauptete öffentlich, die DemonstrantInnen seien von amnesty international mit 50,- DM pro Person bezahlt worden und hätten zusätzlich noch Freibier erhalten. Habibie beruft sich dabei auf den indonesischen Honorarkonsul, Herrn Schoeller, in München. Herr Schoeller dementierte allerdings schriftlich, jemals eine derartige Behauptung gemacht zu haben.
Habibie läßt sich gerne "the german boy" nennen. Viele Jahre lang lebte er in Deutschland, studierte in Aachen Flugzeugbau und machte schnell Karriere. In führender Position war er beim deutschen Rüstungskonzern MBB tätig, bis er in Jakarta zum Minister berufen wurde. Heute kontrolliert Habibie neben seinem "Zukunftsministerium" ein Konglomerat von 10 staatseigenen Hochtechnologiebetrieben, darunter Flugzeugwerke, Werften, Munitions- und Sprengstofffabriken. Habibie gilt als einer der aussichtsreichen Kandidaten auf die Nachfolge des alternden Präsidenten Suharto.
Noch immer unterhält Habibie engste Beziehungen zu Deutschland. Habibie besitzt nicht nur ein Haus im kleinen niedersächsischen Dörfchen Kakerbeck, unweit von Stade, er unterhält auch weiterhin beste Kontakte zur deutschen Politik und Wirtschaft. Über diese Kontakte fädelte Habibie vor zwei Jahren den Kauf von 39 Kriegsschiffen der ehemaligen NVA-Flotte ein. Der Kauf sorgte im In- und Ausland für Aufsehen. Drei indonesische Zeitschriften wurden verboten, weil sie darüber berichtet hatten.
Verantwortung der niedersächsischen Landesregierung
Niedersachsens sozialdemokratische Landesregierung war als Gastgeber der Hannovermesse mitverantwortlich für die Wahl Indonesiens als "Partnerland 1995" der Industriemesse. Präsident Suharto wurde von Ministerpräsident Schröder als Ehrengast empfangen und durfte sich ins Goldene Buch der Stadt Hannover eintragen. Hannovers Oberbürgermeister Schmalstieg erkannte seine Verantwortung und brachte nach Bekanntwerden des Falles Sri-Bintang Pamungkas umgehend seinen Protest gegenüber Präsident Suharto zum Ausdruck. Die niedersächsische Staatskanzlei konnte sich jedoch nicht zu entsprechenden Schritten durchringen.
Unter der Hand war lediglich zu erfahren, Niedersachsen setze auf den mäßigenden Einfluß des "german boy", Minister Habibie. Gelegenheiten, den Fall Sri-Bintang Pamungkas anzusprechen, gab es genug, denn Niedersachsens Regierung verhandelt zur Zeit mit Minister Habibie über dessen Beteiligung an der landeseigenen Flugzeugwerft ASL in Lemwerder bei Bremen. Erst im November kehrte Wirtschaftsminister Fischer von einem Besuch in Jakarta zurück. Die Aussichten für Habibies Einstieg in Lemwerder klingen vielversprechend. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür, daß die Regierung Niedersachsens im Rahmen der Verhandlungen Anstrengungen unternahm, die Verfolgung von Sri-Bintang Pamungkas anzusprechen. Wirtschaftliche Interessen sind wieder einmal wichtiger als Menschenrechte.
So wundert es nicht, daß Habibie bislang keinen Anlaß sah, seinen Einfluß innerhalb der indonesischen Regierung geltend zu machen, um sich für Sri-Bintang Pamungkas einzusetzen.
Dresdner verklagen Habibie
Nichts war von Habibie zu hören, als jugendliche Schlägertrupps, aufgestachelt von der Desinformationskampagne der indonesischen Regierung, vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten, in dem gegen Sri-Bintang Pamungkas verhandelt wird. Kein Kommentar auch von Habibie, als diese Demonstranten Sri-Bintang tätlich angriffen, ohne daß die Polizei einschritt. Zu einem Verhandlungstermin erschienen die regierungstreuen Schreihälse unter Rufen wie "Verurteilt Bintang! Hängt Bintang auf!" mit einem Transparent, auf dem zu lesen war: "Sri Bintang ist ein Volksverräter, man muß fragen, welche Staatsbürgerschaft er überhaupt hat". Es ist schon erstaunlich, daß angesichts Habibies enger Beziehungen zu Deutschland, ihm nicht dieselbe Frage gestellt wird. Handelt Habibie in Deutschland wirklich zum Wohle seines Volkes oder nicht vielleicht doch eher zum Wohle seiner eigenen wirtschaftlichen Interessen?
Die Dresdner Gruppe Conni e.V., die letztes Jahr zu der Demonstration in Dresden mitaufgerufen hatte, will nun gerichtlich gegen Habibie vorgehen. Wegen seiner beleidigenden und offensichtlich unwahren Behauptungen über die Dresdner DemonstrantInnen reichte sie Anfang Februar beim Amtsgericht Stade eine Beleidigungsklage gegen Habibie ein. Das Gericht forderte Habibie inzwischen auf, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Sollte Habibie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, wird ein Versäumnisurteil gegen ihn gefällt werden. <> "
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