Indonesien-Information Nr. 1, 1996 (ArbeiterInnen)

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Eine javanische Arbeiterin wehrt sich

Indonesische Fabrikarbeiterinnen sind mit vielen Problemen konfrontiert. Niedrige Löhne, die oftmals noch unter denen ihrer männlichen Kollegen liegen, schlechte, nicht selten gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen und eine fehlende echte gewerkschaftliche Vertretung sind in den letzten Jahren immer wieder Anlaß für Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen und Massenstreiks gewesen. Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung, indonesische Arbeiterinnen seien in der Regel eher passiv, geneigt zur Unterordnung und leicht zu kontrollieren, zeigten sich Fabrikarbeiterinnen in vielen Fällen durchaus aktiv und konfliktbereit.

Sie organisierten Streiks und standen bei Demonstrationen in vorderster Reihe, dem stets eingreifenden Militär fest entschlossen gegenüber. Daß die Sicherheitskräfte auch brutal gegen Frauen vorgehen, wenn sie sich als Arbeiteraktivistinnen hervortun, zeigte der bis heute unaufgeklärte, vom Militär und der indonesischen Justiz verschleierte Fall Marsinah. Die junge Arbeiterin wurde, nachdem sie einen Streik mitorganisiert hatte, mißhandelt und ermordet - nach Informationen einer unabhängigen Kommission zur Aufklärung des Falls höchstwahrscheinlich von Angehörigen der lokalen Militärvertretung in Ostjava. Internationale Proteste und vor allem die ausführliche Berichterstattung in der indonesischen Presse bewirkten, daß trotz den Bemühungen von offizieller Seite, den Fall so rasch wie möglich zu den Akten zu legen, der Name Marsinah im ganzen Land zu einem Schlagwort geworden ist. Er steht für den unerschrockenen Protest der ArbeiterInnen in Indonesien und die rücksichtslose Gewalt, die diesem von Seiten der Unternehmer und der Regierung entgegengesetzt wird.

Ein anderer Fall, dem die indonesischen Printmedien ebenfalls größere Aufmerksamkeit schenkten, war der Gerichtsprozeß Zaenab im Sommer vergangenen Jahres. Er warf ein Licht auf ein sonst völlig ausgeblendetes Problem vieler indonesischer Arbeiterinnen: dem der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Zwar ist allgemein bekannt, daß es immer wieder vorkommt, daß Arbeiterinnen von männlichen Vorgesetzten oder auch Kollegen sexuell belästigt werden, aber so gut wie nie wagen es die Betroffenen, sich offen zu beschweren oder gar einen Prozeß anzustrengen. Zu groß ist das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber der Firmenleitung, die ohne weiteres eine Entlassung aussprechen kann, zu groß die Angst, selbst als mitschuldig und damit sittenlos angesehen zu werden. Aus Scham und Bedrängnis kündigen die Betroffenen deshalb oft von sich aus. Zudem wissen Arbeiteraktivisten von vielen Fällen zu berichten, wo Schweigegelder gezahlt wurden, um sitzengelassene oder schwanger gewordene Arbeiterinnen ruhig zu stellen. Der publik gewordene Fall Zaenab zeichnet sich dadurch aus, daß hier eine Arbeiterin versucht hat, sich zu wehren und bis zum Schluß - wenn auch erfolglos - gegen eine Allianz von machtvollen Institutionen standhaft zu bleiben.

Es war der Direktor der Garnfabrik PT Surakarta Sentosa Sejahtera, Tan Kim Sing, der sich an seine Angestellte Florentina Zaenab bin Dullah heranmachte, erst verbal, dann aber auch in handgreiflicher Form. Wie Zaenab berichtet, war Tan Kim Sing vor allem in der Verwaltungsabteilung, wo sie seit 1990 beschäftigt war, bereits dafür bekannt, daß er weiblichen Angestellten, die ihm gefielen, in aufdringlicher Weise nachstellte. "Obwohl er selbst verheiratet ist," sagte Zaenab, "verhielt er sich immer so, als sei es sein Recht, mit den Frauen im Betrieb umzuspringen, wie es ihm gerade paßte." Als er sie das erste mal sexuell belästigte, wies ihn Zaenab wütend ab, wagte aber nicht, den Fall anzuzeigen, da sie fürchtete, ihre Stelle zu verlieren. Drei Jahre später, im Herbst 1994, wiederholte sich der Übergriff, diesmal sogar in Gegenwart einer Kollegin, die mit Zaenab unter einem Vorwand in das Zimmer der Direktors gerufen worden war. Es gelang Zaenab nur mit knapper Not, ihrem Chef zu entkommen, der Anstalten machte, sie zu vergewaltigen. Wieder aus Angst vor einer Kündigung schwieg sie, ihrer maßlosen Empörung zum Trotz. Doch diesmal war der Fabrikdirektor allein über Zaenabs abweisende Haltung dermaßen verärgert, daß er ihre Entlassung bewirkte. Begründet wurde diese mit dem Vorwand, Zaenab habe gegen die Betriebsregeln verstoßen, als sie bei einem Streit mit einer Kollegin diese anzüglich beschimpft habe. Tatsächlich war es mehrere Monate zuvor zu einer Auseinandersetzung zwischen Zaenab und einer Arbeitskollegin gekommen, die sie nach Aussage von Zaenab jedoch schon am nächsten Tag unter sich geklärt hatten. Allerdings gab man Zaenab keinerlei Gelegenheit, den Fall richtig zu stellen, denn bei der Besprechung ihrer Kündigung zwischen Personalbüro, Direktion und Vertretern der lokalen Dienststelle des Arbeitsministeriums, des Unternehmerverbandes APINDO sowie der offiziellen Gewerkschaft SPSI wurde ihr der Zugang verweigert.

In ihrer Verzweiflung wandte sich Zaenab schließlich in Leserbriefen, die in verschiedenen lokalen Zeitungen erschienen, an die Öffentlichkeit. Darin schilderte sie ihren Fall und unterstrich die Hoffnung, daß ihren Kolleginnen nicht ähnliches widerfahren würde. Tan Kim Sing reagierte auf der Stelle mit einer Verleumdungsklage. Auf diese Weise wurde aus Zaenab, dem Opfer sexueller Belästigung, die es gewagt hatte, sich gegen einen der einflußreichsten Textilunternehmer Mitteljavas zu wehren, kurzerhand die Angeklagte.

"Ich wußte nicht mehr, an wen ich mich noch hätte wenden können.", erzählt sie.Seiten des Fabrikdirektors." Bei sogenannten "Schlichtungsgesprächen" durch die lokale Polizeibehörde und APINDO-Vertreter wurde ihr mit Nachdruck nahegelegt, sich offiziell bei Tan Kim Sing zu entschuldigen und damit die Sache zu bereinigen. Zaenab zufolge versuchte man erst, sie mit Drohungen einzuschüchtern, dann wurde ihr sogar eine hohe Summe Geld geboten, um einen Skandal zu verhindern. Keine der beiden Methoden erwies sich als wirksam, Zaenab beharrte auf ihrer Aussage und so kam es schließlich zu einem Gerichtsverfahren, von dem selbst in der überregionalen Presse berichtet wurde. Bemerkenswert ist die Unterstützung, die Zaenab durch örtliche NGOs, Rechtsexperten und kritische Journalisten erhielt. Ein zehnköpfiges Verteidigungsteam des Indonesischen Anwaltsverbandes Ikadin/Surakarta stand ihr während der Verhandlungen zur Seite, Aktivisten demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude gegen die Mißachtung von Arbeiterrechten und brachten das bis dahin unbeachtete Thema der sexuellen Belästigung in die öffentliche Diskussion. Gegen den einflußreichen Tan Kim Sing, der Vorsitzender des Textilunternehmerverbandes in Mitteljava ist, hatte Zaenab dennoch keine Chance. Dieser ließ unter seinen Angestellten verbreiten, Zaenab habe ihre früheren Kolleginnen als leichte Mädchen verunglimpft und versuche, den ganzen Betrieb in den Schmutz zu ziehen. Die Augenzeugin, die zu Zaenabs Verteidigung hätte aussagen können, erhielt wahrscheinlich ein Schweigegeld oder wagte aus Angst vor Entlassung nicht, gegen ihren Chef auszusagen. So stand Zaenab nicht nur ohne Entlastungszeugen vor Gericht, sie mußte auch noch erleben, wie Arbeiterinnen aus der Garnfabrik öffentlich gegen sie demonstrierten und sich ihre früheren Kollegen aus der Verwaltungsabteilung in verschiedenen Presseerklärungen hinter Tan Kim Sing stellten. Auch auf höherer Ebene ließ der Fabrikdirektor seine Kontakte spielen. So wandte sich z.B. schon im Vorfeld der Untersuchungen der Bupati von Karanganyar, Soedarmadji, höchstpersönlich mit der Aufforderung an die Presse, nicht weiter über den Fall zu berichten, scheinbar mit dem Ziel, einen Skandal zu verhindern. Polizeibeamte, Vertreter der lokalen Behörde des Arbeitsministeriums sowie des Unternehmerverbandes unterstützten von Anfang Tan Kim Sings Position.

Und auch das Amtsgericht von Karanganyar entschied schließlich wie erwartet zugunsten des Unternehmers. Zaenab wurde zu drei Monaten Gefängnis bzw. einer 18 monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. In Berufung zu gehen ist für Zaenab wie auch für die Rechtshilfeorganisation Ikadin, die nun für die Prozeßkosten aufkommt, finanziell zu riskant. Beobachter des Falls schätzen allerdings, daß auch Tan Kim Sing zur Forcierung eines positiven Ausgangs des Verfahrens ziemlich tief in die Tasche greifen mußte - auch wenn er beteuert, daß die ganze Angelegenheit für ihn nur ein kleines Problem gewesen sei, das man nicht aufbauschen solle. Zaenab hält die Chancen, nun in anderen Unternehmen eine Anstellung zu bekommen für sehr gering. Durch den Prozeß gilt sie Firmenleitungen als potentieller Trouble-maker. Arbeiteraktivisten dagegen sehen in Zaenab ein weiteres Beispiel dafür, daß indonesische Arbeiterinnen nicht grundsätzlich unterwürfig und leichter zu kontrollieren seien als ihre männlichen Kollegen. Das Problem der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz freilich besteht weiterhin. Durch Zaenab ist es zumindest zum ersten mal in die öffentliche Diskussion gebracht worden.

 
 
Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage