Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Menschenrechte)

APEC: Menschenrechte und Entwicklung

Zusammenfassung einer Rede des amnesty international-Mitgliedes Ross Daniels auf dem Manila People's Forum on APEC, der Parallelveranstaltung zum Treffen der APEC (Asian Pacific Economic Conference)-Staaten im November 1996.

Globalisierung und Regionalisierung

Der ökonomische Aufstieg Ostasiens und die Integration der Wirtschaftsräume des Pazifik untereinander und in die Weltwirtschaft gehören zu den bestimmenden Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Es ist also keine Überraschung, daß die ersten Zeichen einer wachsenden regionalen Identität und Kooperation unter den asiatisch-pazifischen Staaten die Wirtschaft zum Thema haben. Die asiatisch-pazifische Region führt die Welt an in den Bemühungen um Liberalisierung von Handel und Investitionen, mit der Vision eines freien Handels in der Region, wie sie auf dem APEC-Treffen 1994 in Bogor umrissen wurde. Auch wenn dieses Papier die Konsequenzen dieser Entwicklungen für die APEC-Staaten skizziert, sind diese nicht auf die Grenzen der APEC beschränkt. Handels- und Investitionsströme, politische Verbindungen und Bevölkerungsbewegungen betreffen auch andere Teile der Welt.

Die Unteilbarkeitsdebatte

In den folgenden Dekaden werden viele der weltweiten Herausforderungen ökonomischer, sicherheitspolitischer, sozialer und ökologischer Art sich in die asiatisch-pazifische Region verlagern. Genauso wird die Region Brennpunkt der Menschenrechtsdebatte bleiben. Bis heute dreht sich diese Debatte in weiten Teilen um das Verhältnis zwischen universellen Menschenrechten und speziellen kulturellen Werten. Aber zunehmend wird die Menschenrechtsdebatte auch das Verhältnis von Menschenrechten und Entwicklung betreffen und das Verhältnis zwischen den ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechten und den zivilen und politischen Freiheiten. Kurz: Die Universalitätsdebatte wird von der Unteilbarkeitsdebatte ergänzt werden.

Ökonomisches Wachstum

Viele Regierungen versuchen, die Sprache und Diskussion der Menschenrechte zu nutzen, um sie für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Sie bestehen auf den Vorrang des "Rechtes auf Entwicklung", um autoritäre Mittel mit wirtschaftlichen Argumenten zu rechtfertigen. Sie sagen, daß das ökonomische Wachstum eine starke Regierung und die Unterordnung der individuellen unter die Rechte der Gemeinschaft erfordert. Auch ist es ein Fehler, die Entwicklung und den Fortschritt nur mit ökonomischen Indizes zu messen. Am Wirtschaftswachstum nehmen nicht alle Menschen teil. Obwohl bspw. in Indonesien die Armut zurückgegangen ist, hat die Weltbank festgestellt, daß Armut sich immer mehr regional oder nach Bedingungen wie Lebensunterhalt, Haushaltsgröße, Alter, Geschlecht und anderen Charakteristika konzentriert.

Menschliche Entwicklung

Lebensqualität und Sicherheit können nie allein mit Maßstäben wie dem Bruttosozialprodukt gemessen werden. Der Entwicklungsprozeß soll das gesamte Spektrum der Menschenrechte - zivile, kulturelle, ökonomische, politische und soziale- zu einem unteilbaren und interdependenten Ganzen zusammenführen. Freiheit von Furcht und die Freiheit von materieller Not sind die beiden Seiten einer Medaille.

Unglücklicherweise wurde in der historischen Entwicklung eine mißverständliche Teilung in zivile und politische Rechte einerseits sowie soziale und kulturelle Rechte andererseits in zwei getrennte Verträge vorgenommen. 1993 überbrückten die Regierungen jedoch auf der Weltmenschenrechtskonferenz diesen Graben, als sie erklärten, daß "alle Menschenrechte universell, unteilbar und voneinander abhängig sind. Die internationale Gemeinschaft muß die Menschenrechte umfassend und auf faire und gleichberechtigte Weise behandeln". 1995 stellte die Frauenkonferenz der UN in Peking fest: "Armut hat verschiedene Manifestationen. Dazu gehört der Mangel an Einkommen und an Ressourcen, die ein stabiles Leben sichern. Armut ist auch charakterisiert durch einen Mangel an Partizipation an Entscheidungsprozessen und an der Beteiligung am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben." Der ehemalige Senator José Diokono erklärte: "Als Anwalt kleiner FarmerInnen, FischerInnen, ArbeiterInnen, Studierenden und der städtischen Armen, von denen viele gefangengenommen wurden, einige erschossen oder verwundet wurden, habe ich in schmerzvollen Lehren erfahren, daß wir die zivilen und politischen Rechte nicht ausüben können, ohne daß wir ökonomische, soziale und kulturelle Rechte besitzen und daß wir darüberhinaus unsere ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte nicht sichern können, wenn wir nicht unsere zivilen und politischen Rechte ausüben können. Natürlich, ein hungriger Mensch hat nicht die Freiheit der Wahl. Aber es ist genauso sicher, daß ein satter Mensch, der nicht die Freiheit der Wahl hat, sich nicht davor schützen kann, wieder hungrig zu werden."

Neue Opfer, neue Verteidiger

Es waren immer die Mitglieder der marginalisierten Teile der Gesellschaft, die Armen, die Minderheiten und indigenen Völker, Frauen, die weltweit im Brennpunkt der Menschenrechtsverletzungen standen. Ökonomische Liberalisierung und Wachstum haben die armen und verwundbaren Bevölkerungsgruppen immer mehr an den Rand gedrängtund zu weiteren Verletzungen der Menschenrechte geführt. Und diejenigen, die sich für die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte ihrer eigenen Leute eingesetzt haben, sind ihrerseits Ziele von Repressionen geworden:

- Die Kräfte der Globalisierung haben die Staaten in eine erbarmungslose Konkurrenz untereinander gebracht, deren Resultat ein Druck nach unten ist, um Bedingungen zu schaffen, die für ausländische Investitionen attraktiv sind. In diesem Zusammenhang sehen viele Staaten die Aktivitäten unabhängiger Gewerkschaften als eine Bedrohung an und unterdrücken ArbeiterInnen bei der legitimen, friedlichen Ausübung ihrer Versammlungs- und Meinungsfreiheit, wie sie im Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte und den Konventionen 87 und 98 der ILO (International Labor Organisation) garantiert sind.

- Wenn wirtschaftlicher Wandel die Disparitäten zwischen Staaten und Regionen wachsen läßt und sich regional Überhang und Mangel an Arbeitskräften bilden, ändern sich auch die Muster der Bevölkerungsbewegungen. So ist ein lukrativer Markt für weibliche Haushaltskräfte entstanden. Für viele Länder in Süd- und Südostasien wurde der Export weiblicher Arbeitskraft eine bedeutende Quelle in den Beziehungen mit dem Ausland und zur Adsorption von Arbeitskräften. Diese Frauen, die auf der Suche nach Arbeit die Grenze überqueren, sind eine verwundbare Gruppe. Ihr Beitrag zur (Volks-)wirt schaft wird von den Gastländern oft nicht formell anerkannt und sie genießen nicht immer den vollen Schutz des Gesetzes vor Vergewaltigung, Mißhandlung und illegaler Haft. Die Reise vieler Menschen, die illegal nach Malaysia kommen, endet in Haftlagern, die für ihre harten Bedingungen bekannt sind. Andere Arbeiterinnen finden sich dem Mißbrauch und der Skrupellosigkeit von Arbeitgebern, korrupter Polizei und Behörden ausgesetzt.

- Wenn durch die wirtschaftliche Entwicklung Druck auf die traditionelle Nutzung von Land und auf andere Ressourcen entsteht, geraten indigene Völker in den Brennpunkt von Menschenrechtsverletzungen im Namen der Entwicklung. In Irian Jaya resultieren Unzufriedenheit über die sozialen und Umweltauswirkungen des Kupferabbaus durch die US-amerikanische Freeport-Gesellschaft in Zusammenstößen zwischen der lokalen Bevölkerung und dem Militär, die in staatlichen Morden, "Verschwindenlassen" und Folter münden. In Australien wurde 1993 eine neue Gesetzgebung, die die indigenen Rechte anerkennt, zusammen mit Menschenrechtsverpflichtungen eingeführt. Sie stieß auf die Ablehnung mächtiger bergbaulicher und landwirtschaftlicher Interessen und kam nicht zur Anwendung.

- Ökonomischer Wandel hat neue soziale Probleme hervorgerufen. Den Regierungen fällt es schwer, damit fertig zu werden. In China z.B. wird immer mehr auf die Todesstrafe zurückgegriffen um wachsende soziale Probleme wie Kriminalität, Korruption und Laster zu bewältigen. Die Zahl der Vergehen, die mit der Todesstrafe geahndet werden können, ist zwischen 1980 und 1996 von 21 auf 68 gestiegen. Die Todesstrafe wurde auf eine Anzahl von Verbrechen wie Steuerbetrug und illegalen Aktienhandel ausgedehnt, die mit der ökonomischen Liberalisierung Chinas anwuchsen. Und in den USA folgt die Anwendung der Todesstrafe einem sozialen Muster. Sie wird dort überproportional oft gegen Personen angewandt, die zu ökonomisch und sozial benachteiligten Gruppen gehören. Viele Menschen wurden exekutiert, weil sie zu arm waren um einen eigenen, guten Anwalt zu engagieren.

- Eine weitere, vergessene soziale Dimension von Menschenrechtsverletzungen liegt in den Konsequenzen von Repressionen, die für Angehörige von Opfern entstehen können. Verhaftungen, "Verschwindenlassen" oder Mord läßt die Familie oft ohne finanzielle Unterstützung zurück. Die Familien der Opfer melden häufig aus Angst ihre Ansprüche auf Versorgung oder Entschädigung nicht an.

In diesem Zeitalter der Globalisierung macht das Muster, in dem wir leben, eine grundlegende Veränderung durch. Auch die Muster und Beziehungen der Menschenrechte sehen sich einem Wandel ausgesetzt.

Die Staaten können ihre Verantwortung weder für die eigene Bevölkerung noch international beiseite schieben. Sie sollten stets sichern, daß ihre nationale und internationale Politik alle Aspekte der ökonomischen, sozialen, kulturellen, zivilen und politischen Rechte aller Mitglieder der Gesellschaft beachtet und fördert. Die Regierungen sollten auch anerkennen, daß Einzelpersonen, Gewerkschaften und andere Nichtregierungsorganisationen eine Schlüsselrolle im Schutz der ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte besitzen. Daher müssen sie das Recht haben, ihre politischen und zivilen Rechte auszuüben.

Auch die Wirtschaft trägt eine Verantwortung. Sie muß explizit die Menschenrechtswirkungen ihrer Projekte und Strategien prüfen. Sie muß ihren Einfluß nutzen, um der Verletzung fundamentaler ziviler und politischer Rechte entgegenzutreten, insbesondere, wenn ein direkter oder indirekter Zusammenhang mit ihren Wirtschaftsinteressen besteht. Sie sollte Mechanismen entwickeln, um für die Beschäftigten den Genuß der Menschenrechte zu sichern und zu maximieren. Am Arbeitsplatz sollten Meinungs- und Versammlungsfreiheit gesichert werden. Auch sollten Instrumente geschaffen werden, durch die Beschäftigte und Mitglieder örtlicher Gemeinschaften und von NGOs ohne Furcht Klagen und Beschwerden über Menschenrechtsverletzung vorbringen können, die dann auch unabhängig untersucht und wenn nötig vor Gericht behandelt werden können. Aber auch den NGOs kommt eine wichtige Aufgabe zu. Sie dürfen die künstliche Trennung zwischen politischen, ökonomischen und sozialen Rechten nicht aufrecht erhalten. <>

 
 
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