Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Demokratie)

Mit Suharto in das Jahr 2000

Familienbeziehungen und Seilschaften sind die Blumen im politischen Garten, die aus der Menge der größtenteils blassen zur Wahl stehenden KandidatInnen herausragen. Die vorläufige Liste der KandidatInnen zur Parlamentswahl am 29. Mai wurde im Januar offiziell bekanntgegeben. Ein von Familienmitgliedern besetztes Parlament erleichtert Musyawarah, das indonesische Demokratieprinzip der Konsensfindung.

Die vorläufige KandidatInnenliste für die Wahlen am 29. Mai 1997 wurde im Januar vom Innenminister, der zugleich Vorsitzender des nationalen Wahlkomittees ist, offiziell bekanntgegeben /Kompas, 20.01.97/. Auf Grundlage des geltenden Wahlrechtes dürfen 124.740.987 indonesische Bürger am Wahltag die Stimme für ihren jeweiligen Favoriten abgeben /Media Persatuan Nr. 49, Dez. 96/.

Da acht von zehn Bürgern Jakartas der Meinung sind, daß Wählen eine Pflicht sei, wird mit einer hohen Wahlbeteiligung gerechnet /Tempo Interaktif, 31.8.96/. Unter den 2.293 KandidatInnen, die zu den von Präsident Suharto als Demokratiefest bezeichneten Wahlen zugelassen sind, finden sich vier Söhne und Töchter Suhartos, eine Schwiegertochter sowie zwei Brüder Suhartos, die Unternehmensbosse Sudwikatmono und Probosutejo, die alle für die Liste der Regierungspartei GOLKAR ins Rennen gehen /Asia Times News, 21.1.97/.

Von den sechs Kindern Suhartos, treten die älteste Tochter Siti Hardiyanti Rukmana, bekannt als Mbak Tutut, die zweite Tochter Siti Hediyati, der zweite Sohn Bambang Trihadmodjo und der jüngste Sohn Hutomo Mandala Putra, auch bekannt als Tommi, als KandidatInnen an. Sie alle gehören zu den einflußreichsten und vermögendsten UnternehmerInnen Indonesiens. Die ebenfalls als Kandidatin aufgestellte Schwiegertochter ist Halimah Trihatmodjo, die Frau von Sohn Bambang Trihatmodjo, Boss der Holdinggesellschaft Bimantara. Die Kandidatin Siti Hediyati ist verheiratet mit dem Kommandeur der Elitetruppe Kopassus, Generalmajor Prabowo Subianto, dem Helden der Geiselbefreiung in Irian Jaya im vergangenen Jahr /Kabar dari Pijar, 21.1.97/.

Doch die Riege der Stars von GOLKAR beschränkt sich nicht nur auf die Präsidentenfamilie. Auch einige Minister und Generäle schicken ihre Ehefrauen ins Rennen. So finden sich auf der GOLKAR-Liste die Ehefrau des Informationsministers Harmoko, der zugleich Vorsitzender von GOLKAR ist, die Ehefrau des Militäroberbefehlshabers General Feisal Tanjung, die Ehefrau des politischen Sprechers des Militärs, General Syarwan Hamid, die Ehefrau von Innenminister Yogie Suardi Memek und andere /Asia Times News, 21.1.97/. Des weiteren kandidieren für GOLKAR bedeutende Geschäftsleute und Manager wie Aburizal Bakrie (Bakrie Brothers), Tanri Abeng (Bimantara) und Sukamdani Gitosarjono (Sahid Group) /Asia Times News, 21.1.97/. GOLKAR hat sich das Ziel gesetzt, 70 Prozent der Wählerstimmen zu ergattern /Southeast Asia, 16.1.97/. Bei den vergangenen Wahlen vor fünf Jahren erhielt die Partei "nur" 68 Prozent, während die Vereinigte Entwicklungspartei (PPP) 17 Prozent und die Demokratische Partei Indonesiens (PDI) 15 Prozent auf sich vereinigen konnte /Kabar dari Pijar, 21.1.97/. Die KandidatInnen - 829 von der Regierungspartei GOLKAR, 730 von der PPP und 744 von der PDI - werden um 425 von 500 zu vergebenden Sitzen im DPR (Dewan Perwakilan Rakyat; Rat der Volksvertreter) konkurrieren, die restlichen 75 Parlamentssitze werden ohne Legitimation durch die WählerInnen an das Militär vergeben /Kabar dari Pijar, 21.1.97, Asia Times News, 21.1.97/.

Gegenüber den Wahlen von 1992 reduziert sich damit die Anzahl der Sitze, die für das Militär reserviert sind, von 100 auf 75 Sitze. Bei den Wahlen von 1971, als insgesamt noch 460 Sitze zu vergeben waren, waren 75 Sitze dem Militär vorbehalten /Heri Akhmadi, Mendobrak Belenggu Penindasan, S. 61 ff., Bandung 1979; Indro Tjahjono, Di Bawah Sepatu Lars, S. 43, Bandung 1979/. Die Statistik besagt, daß 454 (20 %) der insgesamt 2.293 KandidatInnen für die kommenden Wahlen zwischen 21 und 40 Jahre, 1.720 (75 %) zwischen 41 und 65 Jahre und 114 (5 %) älter als 66 Jahre alt sind /Media Persatuan, Nr. 49, Dez. 96/.

Gewählt werden 'kastrierte'und 'geistig gesunde' KandidatInnen

Die Namen der KandidatInnen hängen im Eingangsbereich des Gebäudes des nationalen Wahlkomitees aus. Bis zum 20. Februar darf die Öffentlichkeit ihre Einwände gegen diese Liste erheben, aus der bereits viele Namen gestrichen wurden. Etliche populäre KandidatInnen sind bereits aus dem Rennen, bevor es überhaupt begonnen hat. Denn wie das Wahlgesetz vorschreibt, müssen sich alle KandidatInnen einer Prüfung durch den militärischen Geheimdienst (BAKORSTANAS) unterziehen, bei der kräftig ausgesiebt wird /Kabar dari Pijar, 21.1.97, Asia Times News, 21.1.97, Kompas, 20.01.97/. Die Auswahl soll sicherstellen, daß die antretenden KandidatInnen genügend qualifiziert und vor allem "politisch sauber" - Kritiker sagen "kastriert" - sind.

Einwände gegen die ausgehängten Listen wurden verstärkt von Seiten der "oppositionellen" Partei PPP geäußert, während die PDI infolge der Amtsenthebung ihrer Vorsitzenden Megawati Soekarnoputri und ihres Vorstandes (s. Indonesien-Information Nr.2/96) noch weitgehend mit sich selbst beschäftigt ist. Selbstredend stehen aber weder Megawati noch jemand aus ihrer Anhängerschaft auf der Liste der zugelassenen KandidatInnen. PPP und PDI hatten ursprünglich 860 bzw. 850 KandidatInnen aufgestellt, von denen aber 130 KandidatInnen der PPP und 106 der PDI bei der Überprüfung durch den militärischen Geheimdienst und das nationale Wahlkomittee durchgefallen sind /Media Persatuan, Nr. 49, Dezember 1996/.

Die PPP hat grundsätzliche Einwände gegen die Litsus (Penelitian Khusus) genannte spezielle Überprüfung der KandidatInnen /Gatra, 2.11.96/. Der Generalsekretär der PPP, Tosari Widjaja, meint, die Überprüfung erfolge nach undurchschaubaren Kriterien, so daß er nicht wisse, warum viele KandidatInnen seiner Partei nicht zu den Wahlen zugelassen würden. Einige dürften deshalb nicht kandidieren, weil entweder die Vorgesetzten ihrer Arbeitsstelle die Kandidatur nicht genehmigen wollten oder weil sie vom militärischen Geheimdienst BAKORSTANAS bzw. BAKORSTANASDA und der Polizei kein SKKT-Zeugnis (Bescheinigung über die Nichtverwicklung mit der kommunistischen Partei oder anderen subversiven Elementen bzw. Extremisten) erhalten haben /Media Persatuan, Nr. 49, Dezember 1996/. Zu seiner Verwunderung stellte der PPP-Generalsekretär fest, daß bisher 45 der nicht zugelassenen KandidatInnen seiner Partei diese Bescheinigung vorenthalten wurde /Forum Keadilan, 27.1.97/.

Der Vorsitzende der PPP, Ismail Hassan Metareum, erklärte gegenüber der Presse, daß es einen Kandidaten gebe, der nicht zur Wahl zugelassen wurde, weil sein Bruder Beziehungen zur islamischen Extremistenbewegung unterhalte /Gatra, 2.11.96/. Unter Litsus, so sagte Metareum, werden noch die Kinder und Kindeskinder der KandidatInnen leiden /Media Indonesia, 5.12.96/. Die Tigernation Indonesien möchte sich keine "Umwelverschmutzer" leisten - Vielfalt in einer Einheit (Bhineka Tunggal Ika) ja, aber bitte ohne Extremisten.

Die PPP hatte Gelegenheit, weitere Gründe kennenzulernen, mit denen die Kandidatur bestimmter Personen verhindert werden kann. Kritische Geister, wie Sofyan, PPP-Vorsitzender von Pasuruan und Parlamentsabgeordneter von 1992, sowie vier seiner Gesinnungsgenossen wurden von der Liste gestrichen, obwohl sie die ersehnte SKKT-Bescheinigung über politische Unbeflecktheit schon in der Tasche hatten. Sie stolperten über eine weitere Hürde - die Bescheinigung BB2. Diese Bescheinigung besagt u.a., daß die Kandidaten Indonesisch lesen und schreiben können oder den Abschluß der Sekolah Menengah Tingkat Pertama (Mittlere Reife) vorweisen können. Die fünf PPP-Mitglieder von Pasuruan sind Absolventen der islamischen Schulen Madrasah Diniyah (vergleichbar mit Grundschule) bzw. Madrasah Mu'allimin (vergleichbar mit Mittlerer Reife), deren Abschlüsse aber nicht anerkannt werden, weil diese Schulen nicht beim Religionsministerium registriert sind. Da in den Islamschulen (Pesantren) gewöhnlich auf Arabisch geschrieben wird, fehlt ihnen auch der Nachweis über die Beherrschung der indonesischen Schriftsprache. Ohne diese Unterlagen sah sich der Regent von Pasuruan als Vorsitzender des regionalen Wahlkomitees nicht in der Lage, ihre Kandidatur zu genehmigen /Gatra, 2.11.96/.

Sofyan, der genannte PPP-Vorsitzende von Pasuruan, und der Islamgelehrte Kiayi Haji Abdul Azis Azhury, Rektor der Pesantren in der Nähe von Magelang und Parlamentsabgeordneter in der laufenden Legislaturperiode, haben sich bei den Wahlen 1992 unbeliebt gemacht, weil sie der PPP zuviele Wählerstimmen einbrachten, die zu Lasten der Regierungspartei GOLKAR gingen, glaubt der PPP-Chef Ismael Hassan Metareum.

Metareum erzählte weiter, wie ein älterer Mullah beim Ausfüllen der mehrseitigen Formulare, das vier Stunden in Anspruch genommen habe, zusammengebrochen sei. Der Gipfel sei dann gewesen, daß man ihn aufforderte, auch noch seine Heiratsurkunde vorzulegen. Andere KandidatInnen fühlten sich wie "Verrückte" behandelt, weil sie sich einem Psychotest hätten unterziehen müssen /Gatra, 2.11.96/.

Mit so vielen Hürden versehen ergab sich beispielsweise im Bezirk Padang-Pariaman (West-Sumatra) folgendes 'fantastische' Ergebnis:

vorgeschlagene KandidatInnen
genehmigte KandidatInnen
Ver.Entwicklungspartei PPP
58
38
Demokratische Partei PDI
62
21
Regierungspartei GOLKAR
72
72

/Quelle: Gatra, 2.11.96/

Ein Artikel in Kompas bezeichnete die Sonderüberprüfung Litsus als ein Mittel, umkritische KandidatInnen, die der Regierungspolitik schaden könnten, vorzeitig aus dem Rennen zu werfen /Kompas, 20.1.97/.

Wahlkampf nur im kleinen Kreis

Überschattet von den blutigen Ereignissen der vergangenen Monate wurde die Präsidialverordnung Nr. 99/1996 über die Durchführung der Wahlen erlassen, um die "negativen Folgen" von Massenversammlungen einzudämmen /AFP, 8.10.96, Kompas, 8.10.96/. Nach der Verordnung dürfen im bevorstehenden Wahlkampf nicht wie früher üblich Paraden und andere Massenereignisse veranstaltet werden. Stattdessen sollen die Parteien ihren Wahlkampf in Dialogform mit den Bürgern (kampanye dialogis) durchführen. Die Zeitschrift Forum Keadilan meinte dazu, diese Kampanye Dialogis sei schwierig zu verwirklichen, da ihr die wahlkampftypische Massenbegeisterung für die Wahlagitatoren fehle: "Wahlkampf ist Wahlkampf und keine Lehrveranstaltung an der Uni" /Forum Keadilan, 27.1.97/. Die Vereinigte Entwicklungspartei PPP war gegen diese neue Verordnung /AFP, 6.9.96/.

Weitere Hürden wurden bezüglich der Wahlkampfdauer aufgestellt. So darf der Wahlkampf nur 27 Tage andauern, genau vom 29. April bis zum 23. Mai 1997. Während der 5 Tage vor dem Wahltermin, also vom 24. bis 28. Mai 1997 sind Ruhetage in der jede Form von Wahlkampf verboten ist /AWAS, No. 3/I, Dez. 96, Media Persatuan, Nr. 48, Nov. 96, Reuters, 13.1.97/. Zudem wird ganz Indonesien auf sechs Wahlkampfgebiete unterteilt, in denen die Veranstaltungen der verschiedenen Parteien aufeinander abgestimmt werden müssen: Sumatra, Java, Kalimantan, Sulawesi, Nusa Tenggara und Irian Jaya /Media Persatuan, Nr. 48, Nov. 96, Forum Keadilan, 27.1.97/.

PPP und PDI meldeten ihre Einwände gegen diese Anordnug an /Antara, 15.1.97/,da die kleineren Parteien dadurch benachteiligt würden. Die PPP drohte sogar, in bestimmten Gebieten keinen Wahlkampf durchzuführen /Surabaya Post, 17.1.97, Forum Keadilan, 27.1.97/. Zur Begründung erklärte die PPP: Wenn eine Partei gerade in einer Region eine Wahlkampfveranstaltung durchführt, dürfen die anderen Parteien dort am selben Tag keine Veranstaltung machen. So müßte ein Parteifunktionär, der heute noch in Java geredet hat, zum nächsten Termin vielleicht in Kalimantan auftreten, nur weil der Plan es so vorgibt. Dies zu verwirklichen übersteige aber die finanziellen und organisatorischen Fähigkeiten der kleinen Parteien/Forum Keadilan, 27.1.97/. Außerdem bedeutete die Vorschrift, daß die PPP real nur 9 Tage Zeit habe, um Wahlkampf zu führen, erklärte Zain Badjeber, Vorstandsmitglied der PPP, denn jede Partei dürfe nur einmal in drei Tagen Wahlkampfveranstaltungen durchführen /Suara Pembaruan, 15.1.97/. Des weiteren darf Wahlkampf nur noch auf Bezirksebene (Kabupaten/Kotamadya), aber nicht mehr auf Provinzebene durchgeführt werden, wie noch vor fünf Jahren /Suara Pembaruan, 15.1.97/.

Wahltag, Tag der Werktätigen

Die Anordnung des Präsidenten Nr. 86 von 1996, die den 29. Mai 1997 als Wahltag festlegte, stieß bei den bei den kleinen Parteien ebenfalls auf Protest. Der 29. Mai fällt auf einen Donnerstag und ist damit ein normaler Arbeitstag. Gerade an einem Arbeitstag könne aber die Regierungspartei GOLKAR besonders gut Wähler aus den Reihen der Staatsbediensteten oder der IndustriearbeiterInnen mobilisieren, erklärte der Vize-Chef der PPP von Nusa Tenggara Timur. An einem Arbeitstag müßten die genannten Gruppen nämlich in ihrer Behörde oder in ihrem Betrieb wählen. Wenn sie von ihren Vorgesetzten erwischt würden, wie sie nicht für GOLKAR stimmten, drohe ihnen möglicherweise die Entlassung oder Zwangsbeurlaubung. Anders sei es, wenn der Wahltag auf einen freien Tag wie Sonnabend oder Sonntag fiele. Dann müßten die Leute nämlich ein Wahllokal in ihrem jeweiligen Wohnbezirk aufsuchen, wo die Kontrollmöglichkeiten geringer sind /Media Persatuan, Nr. 48, Nov. 96/.

Gezüchtete Volksvertreter sind die Gewähr für einen rassigen Präsidenten

Alle 425 gewählten Abgeordneten sowie die 75 ernannten Vertreter des Militärs gehören automatisch den 1.000 Delegierten der Beratenden Volkskammer (MPR) an. Die anderen 500 Sitze in der Beratenden Volkskammer sind für die professionellen Gruppen, RegionalvertreterInnen und VertreterInnen der Parteien reserviert. Die Sitzverteilung der ParteienvertreterInnen erfolgt in Abhängigkeit von deren prozentualem Stimmenergebnis bei den Parlamentswahlen 1997. Die Beratende Volkskammer wird im Jahre 1998 zusammentreten, um den Präsidenten und den Vizepräsidenten zu wählen /Asia Times News, 21.1.97/.

In der laufenden Legislaturperiode waren die Söhne und Töchter Suhartos nur Mitglieder im MPR und vertraten die funktionelle oder werktätige Gruppe. Ihre jetzige Kandidatur für das Parlament (DPR), die die Mitgliedschaft in der Volkskammer (MPR) automatisch nach sich zieht, ist somit ein neuer Schritt, der ein Zeichen setzt, daß der Vater der Entwicklung, Suharto, als Präsident von Indonesien wiedergewählt werden will, damit des Vaters Reich noch reicher werde. <>

Wahlergebnisse seit der Neuen Ordnung in %
1971
1977
1982
1987
1992
GOLKAR
62,8
62,2
64,3
73,2
67,96
PPP
27,1*)
29,3
27,8
16,00
17,10
PDI
10,01*)
8,6
7,9
10,9
14,98

/A. Irwan u. Edriana, PEMILU, S. 49, Jakarta 1995/

*) Anmerkung: Im Jahre 1971 gab es noch keine PPP und PDI. Die zur Wahl stehenden Parteien waren NU, Parmusi, PNI, Parkindo, Partai Katolik und Partai Murba, die später zu PPP und PDI zwangsvereinigt wurden.

 
 
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