Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Ost-Timor)

Interview mit Ost-Timors neuem Bischof

Mnsgr. Basilio do Nascimento Martins wurde Anfang Januar von Papst Johannes Paul II. zum Bischof ordiniert. Am 19. März wird er seinen Posten als Apostolischer Administrator der neuen Diözese Baucau in Osttimor aufnehmen. Am Vorabend seiner Ordinierung als Bischof gab Mnsgr. Basilio do Nascimento (BN) der portugiesischen Tageszeitung Diario de Noticias (DN) in Rom folgendes Interview:

DN - Ihre Diözese liegt in einem ziemlich problematischen Gebiet, in dem es Repressionen durch die Streitkräfte, Rebellen gibt, wo es zu Demonstrationen kam (und auch weiterhin kommen kann). Haben Sie Angst?

BN - Nein, ich habe keine Angst. Es ist natürlich, besorgt zu sein. Baucau ist ein Gebiet, in dem es zu großangelegten Massakern gekommen ist - Greueltaten, von denen viele der Menschen, die heute noch dort leben, Zeugen geworden sind. Eine Bevölkerung, die durch die Greueltaten, die an ihnen begangen wurden, traumatisiert ist. Ich glaube, daß diese Greueltaten die Wurzel gewisser Formen der Rebellion sind. Aber die einfache Tatsache, daß sie so viel gelitten haben, macht den Dialog zum einzigen Mittel, um sie einen friedlicheren Weg wählen zu lassen.

DN - Wie werden Sie mit diesen Rebellen umgehen, oder mit den 'unzufriedenen' Menschen, wie Sie sie nennen?

BN - Es sind weitere Demonstrationen zu erwarten. Es sind zwei unterschiedliche Kulturen, die beide sehr stolz auf ihre eigenen Traditionen sind. Die Demonstrationen sind der Ausdruck von Unzufriedenheit und Sehnsüchten/Wünschen. Es wird Zeit brauchen, aber die einzige Art und Weise, diese Unzufriedenheit loszuwerden, wird der Dialog sein, den ich immer offen halten möchte.

DN - Was werden Sie im Bezug auf Xanana Gusmao tun?

BN - Ich hatte bisher noch keine Möglichkeit, ihn zu treffen. Es hat sich einfach noch nicht die Möglichkeit ergeben, ihn zu treffen, selbst wenn ich das bewundere wofür er steht. Ich kenne einige aus seiner Familie - seinen Vater, Mutter, Brüder. Wenn es eine Möglichkeit gibt, würde ich diesen Mann, eine symbolische Figur, sehr gerne treffen.

DN - Werden Sie den ersten Schritt machen?

BN - Natürlich. Ich werde die zuständigen Behörden fragen, ob ich ihn besuchen kann.

DN - Wie wird Ihre Beziehung zu den Streitkräften aussehen?

BN - Aufgrund meiner zweijährigen Erfahrung in Timor weiß ich, daß Gewaltanwendung nie geholfen hat. Wenn es im Ausland auf institutioneller Ebene verstärkt zu Protest kommt, werden die Indonesier zum Hindernis. Wenn man jedoch auf persönlicher Ebene arbeitet, direkt mit ihnen spricht, fällt das Ergebnis anders aus. Es gibt Zusammenarbeit. Ich plädiere für den Weg des Dialogs. Ich weiß nicht, ob es funktionieren wird.

DN - Welche Alternative gibtes?

BN - Öffentliche Anklagen, internationale Organisationen wie Caritas und das IKRK, die als Pressure Groups großes Gewicht haben, besonders was Menschenrechtsverletzungen anbetrifft.

DN - Was, wenn das auch nicht funktioniert?

BN - Man muß bereit sein, mehr als das Leben zu geben, um einer Sache zu dienen und sie zu verteidigen. Um ein Held zu sein, kann es verständlich sein, sein Leben für eine Sache zu geben, aber Gewalt kann nicht mit Gegengewalt besiegt werden. Sie kann durch Feinfühligkeit, Verhandlung und Dialog besiegt werden. Ich bevorzuge andere Wege.

DN - Wird der Friedensnobelpreis für Mnsgr. Ximenes Belohelfen?

BN - Ja, beträchtlich. Der Nobelpreis hat die weltweite Aufmerksamkeit auf Osttimor fokusiert.

DN - Suhartos schließliche Nachfolge verursacht Besorgnis in Jakarta. Könnte es Auswirkungen auf Timor haben?

BN - Es ist augenscheinlich unvermeidbar. In den Nachrichten, der Presse, im Fernsehen ist eine gewisse Bewegung festzustellen. Es besteht kein Zweifel daran, daß etwas vorgeht. Es gibt mehr Forderungen, aber sind es politische Forderungen? Oder fordern sie Verbesserungen im täglichen Leben? Was ist das wirkliche Ziel?

DN - Sie haben hervorragende Beziehungen zur portugiesischen Kirche und zur Episkopalen Konferenz. Beabsichtigen Sie Mitglieder der portugiesischen Kirche zu einem Besuch nach Osttimor einzuladen?

BN - Der Dialog zwischen der portugiesischen und der timoresischen Kirche ist nie abgebrochen und ich denke er wird sich verbessern.... Wir haben einen portugiesischen Priester in Dili und ich beabsichtige mehr Geistliche einzuladen. Das ist jedoch etwas, was nicht von uns alleine abhängt, sondern auch von der indonesischen Bürokratie abhängt. (...)

DN - Hat die indonesische Regierung irgendeinen Druck auf Sie ausgeübt?

BN - Nein. Ich versuchte bei verschiedenen Gelegenheiten nach Timor zurückzukehren, aber ich bekam keine Antworten. Von jetzt an jedoch werde ich in einer anderen Situation sein. Bis jetzt habe ich noch keinen Druck verspürt...

DN - Befürworten Sie ein Referendum in Timor, wie Monsignor Ximenes?

BN - Alle Schritte und Mittel sind gut, so lange die Ziele definiert sind. Es ist nötig zu definieren, was die Timoresen selbst wollen. Wenn man glaubt, daß ein Referendum der Weg zu dieser Definition ist, der die Wünsche des Volkes am besten berücksichtigt, dann wäre ein Referendum fair.

DN - Werden Sie diese Position verteidigen?

BN - Meine Situation hat sich verändert. Es ist mir bewußt, daß ich mit Mnsgr. Ximenes auch eine gewisse eklesiastische Autorität habe. Wir müssen unsere Wege gemeinsam definieren und das Gerüst, das den Interessen der Menschen am besten dient.

Hintergrund von Mnsgr. Basilio do Nascimento Martins, neuer Bischof von Baucau: Er wurde in Suai (Dili), Timor, geboren, kehrte aber erst vor zwei Jahren dorthin zurück, nachdem er einige Jahre in Frankreich und Portugal gelebt hatte. Er begann sein Studium in Timor, im Seminario Menor in Dare, und beendete sein Studium der Philosophie und Theologie im Seminario Maior in Evora (Portugal). Nachdem er zum Priester ordiniert wurde ging er nach Paris, wo er fünf Jahre lang arbeitete, und kehrte 1982 nach Evora zurück. Er war Gemeindepriester in Portugal, bevor er dem Prä-Seminar in Evora vorstand. Im September 1994 kehrte er nach Osttimor zurück. Am 19. März wird er den Posten als Apostolischer Administrator in Baucau übernehmen. /Diario de Noticias, 6.1.97/

 
 
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