Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Unruhen)
25 Kilometer östlich von Bandung liegt PT KAHATEX, eine der größten Textilfabriken West-Javas. PT KAHATEX wurde am 31. Januar zum Schauplatz massiver Unruhen durch amoklaufende Werktätige (der Gebrauch des Wortes Arbeiter - auf indonesisch buruh - wurde im Sprachgebrauch der Neuen Ordnung durch karyawan - Werktätige - ersetzt, weil buruh zu stark nach Kommunismus riecht). Die Bilanz der Unruhe sind 5 zerstörte oder ausgebrannte Bürogebäude, 8 Fabrikhallen, 4 Lagerhäuser, 1 Angestelltensaal, 68 Laster und Dienstwagen sowie 60 Motorräder. Angehörige der Firmenleitung erlitten Verletzungen durch Steinwürfe und Glassplitter. Zum ersten Mal in der Serie der jüngsten Unruhen gab es keine Todesopfer zu beklagen.
Ausgangspunkt der Unruhen war ein Streik von mehreren tausend Beschäftigten der Textilfabrik PT KAHATEX. Die Streikenden forderten eine Erhöhung des Essensgeldes von täglich 350 Rupiah (ca. DM 0,23) auf 1.000 Rupiah (DM 0,66), die Offenlegung der Lohnabrechnungen, die Ablösung des Vorstands der offiziellen Gewerkschaft SPSI, 12 Tage bezahlten Jahresurlaub, Fahrtkostenzuschüsse, Schwangerschafts- bzw. Menstruationsurlaub für die weiblichen Werktätigen sowie Idul-Fitri-Geld (das indonesische Adäquat zum deutschen Weihnachtsgeld).
Doch die Betriebsleitung wollte nicht auf die Forderungen eingehen, die, wie es heißt, bereits vor längerer Zeit erhoben worden waren. Auch der Streik änderte nichts daran. Die Betriebsleitung stellte sich weiterhin taub. Als die Werktätigen merkten, daß sie mit ihrer Aktion zwar die Produktion lahmlegen konnten, ihre Forderungen aber unverändert in der Schublade des Managements anstaubten, steigerte sich ihr Unmut. Aus der bislang lautstarken aber friedlichen Menge wurden zunächst Lehmklumpen, später Steine geworfen. Letztlich flogen Steine auf alle vorhandenen Betriebsgebäude. Auch die 30 betriebseigenen Häuser, in denen taiwanesische ArbeiterInnen und Angestellte untergebracht waren, blieben nicht von dem Steinhagel verschont. Einige der Häuser wurden von der aufgebrachten Menge durchwühlt. Der Aufstand der Werktätigen verursachte nicht nur einen Sachschaden in Höhe von mehreren Millionen Rupiah, wie der Manager der Firma, Polizeioberst a.D. Waliran schätzte, sondern legte auch den gesamten Verkehr auf der Hauptstraße von Bandung über Garut nach Tasikmalaya für fünf Stunden lahm.
Erst als 1.000 Soldaten dem Betrieb zu Hilfe kamen, begann sich die Unruhe allmählich zu legen. Sieben Personen wurden verhört, zwei weitere verhaftet. Der Chef der Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerkschaft - eine Filiale der offiziellen Einheitsgewerkschaft SPSI -, Husein Alwi, bedauerte die Taten der Werktätigen. Die Verwüstung schade nicht nur der Firma, sondern auch den Werktätigen selbst. Husein Alwi ist fest davon überzeugt, daß unbekannte Dritte die ArbeiterInnen zu der Unruhe angestiftet hatten.
Bandung in Panikstimmung
Das sonst geschäftige Leben in der Millionenstadt Bandung kam an diesem Freitag fast zum Erliegen. Gerüchte machten die Runde, wonach in verschiedenen Einkaufszentren ebenfalls Unruhen ausgebrochen sein sollten. Viele Einwohner zogen es daher vor, zu Hause zu bleiben. Viele Geschäfte blieben geschlossen. Die Hauptstraßen waren leer. Einige Schulen schickten ihre SchülerInnen vor Unterrichtsende nach Hause. Die Redaktion der Lokalzeitung Pikiran Rakyat wurde zum Auskunftsbüro für ausländische Korrespondenten aus Australien, USA und Japan, die sich über die Lage informieren wollten. Der Sprecher des Militärkommandos von West-Java, Oberst Herman Ibrahim, erklärte, die Gerüchte seien von 'unverantwortlichen' Kreisen gestreut worden, die weitere Unruhen provozieren wollten. /Kompas, 1.2.97, Pikiran Rakyat, 31.1.97/ <>
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