Indonesien-Information Nr. 1, 1997 (Unruhen)

Wer oder was steckt hinter den Unruhen?

Seit 1996 bis Anfang 1997 ist Indonesien von Unruhen geprägt. Obwohl es in Indonesien schon immer Unruhen gab, hat sich jedoch seit dem blutigen 27. Juli 1996 deren Qualität verändert. Besonders bemerkenswert sind die Unruhen von Situbondo (10. Oktober 96), Tasikmalaya (26. Dezember 96), Sanggau Ledo (West-Kalimantan, 30. Dez. 96 bis heute) und Rengasdengklok (30. Januar 97), s. Indonesien-Information 2/96 und Berichte in diesem Heft.

Was sind die Unterschiede dieser Unruhen zu den früheren Ereignissen, wie z.B. Tanjung Priok (Jakarta, 1984), dem Massaker von Santa Cruz (Ost-Timor, 1991), der Demonstration gegen das Verbot der drei Zeitschriften (Jakarta, 1994) oder dem Arbeiterstreik in Medan (Sumatra, 1995)? Warum gab es 1996 mehr Unruhen als in den Jahren zuvor? Die Unruhen vor 1996 waren gekennzeichnet durch klare Fronten, d.h. Demonstranten bzw. Streikende standen dem Militär bzw. den Polizeieinheiten direkt gegenüber. Meist waren den Unruhen Demonstration oder Streiks vorausgegangen.

Man könnte meinen, daß dies auch bei dem Ereignis vom 27. Juli 1996 der Fall war, bei dem sich scheinbar ebenfalls Demonstranten und Militär gegenüberstanden. Doch dieser Eindruck trügt. Am 27. Juli standen sich vielmehr zwei Blöcke der PDI gegenüber - auf der einen Seite die Anhängerschaft Megawatis, die von den pro-demokratischen Bewegungen unterstützt wurde und auf der anderen Seite die Leute von Soerjadi, der von Suharto gestützt wird - siehe hierzu Indonesien-Information Nr. 2/96.

Sehr subtil haben hier die Machthaber die Partei in zwei 'sich bekämpfende' Blöcke geteilt und damit dem Niedergang der demokratischen Bewegung Vorschub geleistet. In den Köpfen der Machthaber hätte die PDI unter dem Vorsitz von Megawati die Wahlen von 1997 empfindlich stören können. Das Ereignis vom 27. Juli 96 war offen erkennbar politisch motiviert. Es war der Versuch der Eliminierung der demokratischen Bewegungen. Die anderen Ereignisse in Situbondo, Tasikmalaya und Rengasdengklok, fanden scheinbar eher auf der 'religiösen' Ebene statt. Doch auch das ist ein Trugschluß! Denn die größte islamische Organisation, die NU (Nahdatul Ulama), unter der Führung von Abdurrahman Wahid, sympathisiert öffentlich mit Megawati Sukarnoputri.

Dadurch steht die NU mehr oder weniger in 'Opposition' zu Suharto. Die NU ist weder eindeutig noch offiziell eine oppositionelle Organisation innerhalb der demokratischen Bewegung, wird aber von den Machthabern als solche gefürchtet - immerhin hat die NU 40 Millionen Anhänger. Versuche die NU nach ähnlichem Muster wie jetzt die PDI zu spalten, gab es schon 1994 (s. Indonesien-Information Nr. 1/95), diese scheiterten aber.

Es ist in der Tat schwierig gegen die NU irgend etwas zu unternehmen. Da Suharto sich selber zum Islam bekennt und die NU über eine große Anhängerschaft verfügt, müssen die Machthaber sehr subtil vorgehen.

Vor sechs Jahren wurde die ICMI gegründet, eine islamische Intellektuellenorganisation, die hinter Suharto steht und auch von ihm unterstützt wird. Allerdings hat die ICMI keine Masse hinter sich. Die Gründung von ICMI kann auf der ökonomischen Ebene als ein Gegenpol zu den chinesischen Unternehmern und andererseits auf der politischen Ebene als ein Gegenpol zur NU gesehen werden.

Abdurrahman Wahid bezichtigt die ICMI die Unruhen von Situbondo und Tasikmalaya 'angestiftet' zu haben. Anfangs sah es so aus, daß die Ursachen dieser Unruhen in einer 'Mischung' aus religiösen Motiven (Kirchen brannten), ökonomischen Günden (soziale Ungleichgewichte) und rassistischen (anti-chinesischen) Beweggründen lagen. Es kristallisiert sich jedoch immer klarer heraus, daß diese Unruhen von bestimmter Seite provoziert wurden, um die NU zu 'paralysieren'. Situbondo und Tasikmalaya sind als NU-Hochburgen bekannt. Während der Unruhen haben Militär und Polizeieinheiten fast nichts unternommen, um dem gewaltsamen Treiben Einhalt zu bieten (lt. Zeitungsmeldungen: ....sie kamen zu spät; sie haben zu spät eingegriffen ...). Stattdessen waren später Äußerungen zu vernehmen, die NU habe ihre Anhänger nicht im Griff. Daraufhin ordnete Suharto an, auf der Ebene der Militärdistriktkommandos (KODIM) sogenannte 'Zentren der Nationalen Wachsamkeit' (Posko Kewaspadaan Nasional) - eine weitere Institution des Militärs zur Bespitzelung und Einschüchterung der BürgerInnen - einzurichten, um künftige Unruhen zu verhindern.

Bei allen Unruhen der letzten Monate ist es schwierig festzustellen, wer die wahren 'Akteure' waren - Spekulationen zufolge steckten Anstifter aus Intellektuellenkreisen, radikalislamische Organisationen wie DI/TII (Darul Islam/Tentara Islam Indonesia) oder vielleicht, so Präsident Suharto, 'Maoisten' hinter den Unruhen (klar, der Tag der Unruhen in Tasikmalaya war der Geburtstag Maos!, d. säzzer).

Die meisten gehen davon aus, daß es irgendeinen Dalang (Marionettenspieler) gegeben haben muß. So wird der Unterschied zu Konflikten vor 1996 klar: bei den jüngsten Unruhen seit 1996 wird nicht mehr deutlich, wer die Akteure waren bzw. sind und wem sie gegenüber stehen. Es bestehen scheinbar keine klaren Fronten mehr wie vor 1996. Die Konflikte scheinen religiöse, ökonomische und rassistische Motive oder Ursachen zu haben. Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen wird klar, wie subtil hier politische Motive auf andere Ebenen gelenkt werden (so subtil, daß auch geneigte westliche BeobachterInnen sich indem Glauben bestärkt sehen, nur das Militär bzw. eine autoritäre Regierung seien in der Lage, das religiöse und ethnische Pulverfaß Indonesien unter Kontrolle zu halten; d.säzzer).

Mit den vorstehenden Betrachtungen soll nicht der Eindruck erweckt werden, daß es einfach sei, die Ereignisse der letzten Monate bestimmten Schubladen zuzuordnen. Viele Fragen bleiben offen, z.B.

- Warum kommt es gerade vor den Wahlen 1997 zu derartigen Unruhen? Warum verliefen frühere Wahlen ziemlich ruhig? Besteht überhaupt ein Zusammenhang zwischen den Unruhen mit den bevorstehenden Wahlen?

- Oder liegt die Ursache vielleicht an der vermehrten Unzufriedenheit der Bevölkerung gegenüber der Regierung?

- Geht man davon aus, daß die Unruhen von der Regierung 'provoziert' oder 'geplant' wurden, fragt man sich, warum der Apparat anstatt wie vor 1996 einfach durchzugreifen, jetzt eine andere Methode wählt. Besteht hier ein Zusammenhang mit dem in den letzten Jahren gewachsenen internationalen Interesse an der indonesischen Politik?

- (... und welche menschlichen Faktoren spielen dabei eine Rolle? Wie kommt es, daß sich "brave" Bürger an solch grausamen Gewalttaten beteiligen, selbst wenn es Provokateure gibt?, d. säzzer) <>

 
 
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