Indonesien-Information Nr. 2 2003 (Demokratie)

 

Fehlende Transparenz

Bergbau in Naturschutzwäldern genehmigt

von Marianne Klute


Naturschutzwälder werden in „Nicht-Wälder“ umgewandelt


Am 2. Juli gingen in dreizehn Städten Indonesiens Gegner der Aushöhlung des Forstgesetzes auf die Straße, in Jakarta, in Riau, in Sulawesi und anderswo. Sie forderten die Provinzparlamente auf, sich gegen die Zulassung von Bergbau in unter Naturschutz stehenden Wäldern einzusetzen. In Südkalimantan und in Zentralsulawesi reagierten die Provinzregierungen in diesem Sinne mit Beschlüssen dagegen, entsprechend dem Forstgesetz von 1999, das ausdrücklich offenen Tagebau in Naturschutzwäldern verbietet. Währenddessen tagte in Jakarta das Nationalparlament. Auf der Agenda stand die Entscheidung über das Schicksal einer Anzahl geschützter Wäldern. Das Parlament sollte der Kabinettsentscheidung zustimmen, den Status der Wälder kurzerhand zu ändern. Sie sollen umdefiniert werden in „Produktionswald“ oder sogar in „Nicht-Wald“, um auf diese Weise nach vier Jahren Pause Bergbau wieder zu ermöglichen. /Down to Earth 58, August 2003/

Vorausgegangen war intensives Lobbying der transnationalen Multis, für die das Forstgesetz das Ende ihrer Operationen bedeutete oder ihre Planungen störte. Indonesien, reich an Metallen, Erzen und Kohle, hat über riesige Flächen Arbeitsverträge bzw. Konzessionen vergeben – ein Drittel der Landfläche Indonesiens ist zur Ausbeutung freigegeben. Das bedeutet nicht, dass die Konzessionen überall praktisch genutzt werden. Einige überschneiden sich mit Schutzgebieten, in denen bis 1999 ungestraft Berge ausgehöhlt und abgetragen werden durften und sie unwiederbringlich veränderten. Andere Gebiete sind erst nach 1999 unter Schutz gestellt worden. Das Forstgesetz von 1999 hat diesem Raubbau einen Riegel vorgeschoben. /siehe dazu auch: Marianne Klute: Goldrausch. Indonesien will für ausländische Investoren attraktiver werden und Tagebau in Naturschutzgebieten genehmigen: in: Indonesien-Information Nr. 3/02/

Mehr als 150 multinationale und indonesische Unternehmen waren von dem Verbot betroffen mit insgesamt 11,4 Mio. Hektar. Zu denen, die in Schutzwäldern Erze, Kohle oder Metalle abbauten und 1999 die Arbeit einstellen mussten, gehören neben vielen kleineren Unternehmen auch große internationale wie Freeport, BHP Billiton und Rio Tinto. Ihre Präsenz in Indonesien ist wegen der großen Vorkommen von Gold, Kupfer, Nickel, Zinn und Kohle ein wesentliches Element für die Wirtschaftlichkeit der Multis. Sie kämpften daher um eine Revision des Forstgesetzes und um ein neues Bergbaugesetz.

Die Bergbauindustrie verlangte umgehend, diese Gesetze zu verändern. Die bedeutenden internationalen Unternehmen würden 12. Mrd. US$ investieren wollen, hauptsächlich in Ostindonesien. Sie starteten eine Lobbykampagne, wobei australische, U.S.-amerikanische, kanadische und britische Politiker sich für ihre Industrien stark machten. Sogar der australische Botschafter führte, zum Missfallen vieler seiner umweltbewussten Landsleute, Gespräche zugunsten der australischen Multis BHP Billiton, Newcrest, Placer Dome und Rio Tinto. Igor O’Neill vom Mineral Policy Institute in Sydney meinte dazu: „Die australische Regierung betreibt seit mehr als einem Jahr Lobbying, hinter den Kulissen, um in einigen Gebieten Ostindonesiens den bestehenden Umweltschutz zu unterminieren. Dies kam erst nach einer Anfrage eines Grünen Senators an den Außenminister, Alexander Downer, ans Licht.“ /Australian Hypocrisy Over Mining in RI Forests, in: The Jakarta Post: 3. Juli 2003/

Die Bergbauindustrie beschwert sich über die widersprüchliche Gesetzeslage. Arbeitsverträge seien vor 1999 vergeben, die betreffenden Wälder jedoch zum Teil erst nachher unter Schutz gestellt worden. Während Umweltschutzgruppen die Bergbauindustrie für 10 % der entwaldeten Flächen verantwortlich machen, weist diese mit dem Finger auf das illegale Logging und die nichtlegalen Goldschürfer, die mit Quecksilber Boden und Gewässer vergiften. Sie greift den „Unverstand der Minengegner, die es nur auf legale und gesetzestreue Unternehmen, insbesondere ausländische Direktinvestment-Unternehmen, abgesehen haben“ an. Hinter den Attacken der Umwelt-NGOs auf die Regierung, die doch Investitionen brauche, könnte eine „geheime Agenda“ stecken, vermutet der Geschäftsführer der indonesischen Minenvereinigung. /P.L. Coutrier,: Misperception on protected forests and mining, in: The Jakarta Post, 30. Juli 2003/

Harter Druck und intensives Lobbying stießen bei der nach Investoren suchenden indonesischen Regierung nicht auf taube Ohren. Doch die Entscheidung wurde immer wieder verschoben. Drohungen mit Gerichtsverfahren – die Unternehmen könnten die Regierung wegen nicht eingehaltener Konzessionen verklagen – haben letztendlich den lange widerspenstigen Umweltminister bewogen nachzugeben. Das Kabinett beschloss Ende Juni, zwar nicht das Forstgesetz zu ändern – dies würde auf zu viele Widerstände stoßen – und auch nicht generell die Grenzen der betreffenden Naturschutzwälder neu zu ziehen, wie die großen Minenbetreiber gefordert hatten, sondern diese Wälder umzudefinieren.
/Drillbits & Tailings 8, Nr. 4, 17. Mai 2003, http://www.moles.org/ProjectUnderground/drillbits/8_04/3.html/
 
 

Hick-Hack der Ministerien


Die auf den 2. Juli angesetzte Parlamentsdebatte brachte kein Ergebnis, sie bewirkte aber, dass das Thema „Bergbau in Naturschutzwäldern“ in den Medien höchste Aufmerksamkeit fand. Mittlerweile haben die jeweiligen Ministerien längst Genehmigungen zum Abbau von Erzen und Metallen ins Auge gefasst, denen das Parlament noch zustimmen muss. Doch scheint die Autorität des Parlaments so wichtig nicht zu sein, denn auf Wunsch des Wirtschaftministeriums ist ein Präsidentenerlass in Vorbereitung, welcher der Bergbauindustrie Garantien für ihre Operationen in geschützten Wäldern bieten soll. /Miningindo 31. Juli 2003/

Von den ursprünglich 158 Interessenten sind einige abgesprungen, so dass es schließlich noch 124 Bewerber gab. Schon im Oktober 2002 kündigte der Forstminister an, dass sechs Unternehmen mit ihrer Arbeit beginnen dürften. In drei Fällen sollten die Waldgrenzen verschoben werden. Sie gehören zu der Liste von 22 Bergbauunternehmen, die in die engere Wahl kamen. Diese Liste änderte sich mehrmals. Für Streit sorgt, dass die verschiedenen Minister – Energie, Wirtschaft, Forst, Umwelt – ihre jeweils eigenen Favoriten haben. Die unterschiedlichen Favoritenlisten haben mit dazu beigetragen, dass der Prozess der Umdefinierung sich länger als beabsichtigt hinzieht. Welche Unternehmen letztendlich den Zuschlag bekommen, ist Streitpunkt endloser Debatten.

Von den Favoriten des Jahres 2002 blieb in diesem Jahr nur die Hälfte, nach Angaben des Indonesian Center for Environment Law (ICEL) sind dies: PT Gag Nickel, PT Weda Bay, PT Nusa Halmahera Mineral, PT Meratus Sumber Mas (jetzt PT Pelsart Tambang Kencana), PT Freeport Indonesia, PT Karimun Granite, PT Natarang Mining, PT Indominco Mandiri, PT Newmont Nusa Tenggara, PT INCO, PT Nabire Bhakti. Die Ministerien waren sich uneinig, welche anderen das Rennen machen sollen. /The Jakarta Post, 19. Juli 2003/

Besonders das Umweltministerium machte Schwierigkeiten. Doch schließlich gab Umweltminister Nabiel Makarim nach, und das Ministerium für Energie und Mineralien erteilte im Juli zuerst fünfzehn, dann weiteren sieben Unternehmen die Genehmigung, in geschützten Wäldern Tagebau zu betreiben. Damit wiederum ist Makarim nicht einverstanden, er beharrt darauf, dass nur fünfzehn Genehmigungen erteilt worden seien. „Alle anderen Bergbaugenehmigungen sind illegal”, sagte er, Öl auf das Feuer des Ministerstreits gießend, am 20. Juli gegenüber der Banjarmasin Post. Wie, warum und wer in letzter Minute doch noch 22 Unternehmen auswählte, ärgerte ihn. „22 ist doch keine magische Zahl“, sagte er. /Miningindo.com 21. Juli 2003/

Nicht faul, konterte das Energieministerium, dass gerechterweise alle 124 Bewerber die gleiche Chance haben sollten, so der Leiter der Umweltabteilung des Energieministeriums Soemarno. Das Ministerium werde jeden Fall einzeln prüfen und sich die Option für weitere Genehmigungen offen halten. /The Jakarta Post, 22. Juli 2003/

Die Darstellung der chaotischen Kommunikation zwischen den Ministerien ließe sich an vielen weiteren Beispielen fortsetzen. Sie zeigt nur eins: es gibt keine klare Linie, es gibt kein politisches Konzept, es gibt nur Machtkampf. Die fehlende Transparenz und das Hick-Hack zwischen den Ministerien haben nicht zur Vertrauensbildung beigetragen, weder in der Bergbauindustrie, noch bei den Naturschützern und der betroffenen Bevölkerung. Die Bergbauindustrie beklagt die fehlende Rechtssicherheit, die Naturschützer die Zerstörung der Natur, und die Bevölkerung befürchtet den Verlust ihrer Lebensgrundlage, wenn auch „ihr“ Naturschutzgebiet in Kürze umbenannt werden wird. Der Disput zieht sich hin und erregt seit Monaten die Öffentlichkeit.

Indonesische NGOs haben unter Federführung der Bergbau-NGO Jatam eine breite Koalition gegen die Öffnung von Naturschutzwäldern für Bergbau gebildet. Diese erhält weltweiten Support, unter anderem vom World Rainforest Movement und von Down to Earth (DtE) in London. Ihre All-out-Kampagne und die Online-Protestbriefaktion spekulieren auf internationale Beteiligung. Auch die Unesco wandte sich in einem Schreiben an das indonesische Parlament, in Sorge um die artenreichen und schönen Korallenriffe der Raja Empat Inseln, Papua, die zum Weltnaturerbe erklärt werden sollen. Eine dieser Inseln, Gag, hat Nickelvorkommen, die BHP Billiton ausbeuten will und für die das Unternehmen eine Genehmigung erlangt hat. /http://www.jatam.org/indonesia/case/konservasi/dukungpetisi.asp; http://dte.gn.apc.org/news.htm/

Doch die Entscheidung ist gefallen: aus Naturschutzwald wird Produktionswald oder „Nicht-Wald“. Indonesien kommt den Großinvestoren entgegen, auch mit Forstgesetz 41/1999, das die unter Schutz stehenden Wälder vor bergbaulichen Eingriffen bewahren sollte. Die List der Umdefinierung scheint gelungen. <>
och nie war ich ein so gefragter Mann wie zwischen dem 20. Juli und 15. August 2003. Täglich musste ich entweder einen oder zwei Vorträge halten, ein Interview oder eine Presseerklärung abgeben. Wenn ich einen Vortrag hielt oder ein Interview gab, verstanden meine Zuhörer (sowohl das Publikum als auch die Journalisten) meine Ausführungen nicht. Deshalb fanden sich in der indonesischen Presse immer nur meine „einfachen“ Erklärungen zum neuen Wahlsystem. In einer Talkshow des Radiosenders 68H Jakarta diskutierten Prof. Dr. Ramlan Subarkti, Vize-Chef der indonesischen Wahlkommission (KPU), und ich eine Stunde lang über das neue Wahlrecht. Die Hörer hatten Gelegenheit, uns Fragen zu stellen. Aber keiner fragte uns. Besser verlief die Diskussion bei der Radio-Talkshow in Palu, der Provinzhauptstadt von Sulawesi Tengah (Zentralsulawesi). Während der einstündigen Talkshow riefen vier Zuhörer an und sagten, dass meine Erklärungen zum neuen Wahlsystem zu kompliziert seien und sie diese nicht verstanden hätten. Sie fragten mich deshalb anschließend, ob ich einverstanden wäre, wenn sie die kommenden Wahlen boykottieren würden.
 
 

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