Während des drei Jahrzehnte währenden Aceh-Konfliktes wurde
Acehs Wald weiträumig zerstört oder degradiert. Die Sonderautonomie
bietet nun, in Folge des nach dem Tsunami ausgehandelten Friedensabkommens,
Chancen, Acehs Umwelt zu schützen und auf nachhaltige Entwicklung
zu setzen. Acehs neuer demokratisch gewählter Gouverneur, Irwandi
Yusuf, hat jeglichen Holzeinschlag in Aceh verboten. Bestari Raden, Umwelt-
und Menschenrechtsaktivist, der sich seit vielen Jahren für den Schutz
der Wälder und für die Rechte der Indigenen Südacehs einsetzt,
traf vor seiner Europareise den Gouverneur.
Die Entwaldungsrate Indonesiens ist mit die höchste weltweit. Offiziellen Daten zufolge werden jährlich 2,8 Mio. Hektar Wald vernichtet. Indonesische Regenwaldorganisationen schätzen die Entwaldungsrate mit fast 4 Mio. Hektar pro Jahr sogar noch höher ein. In Aceh sind, bei einer Gesamtfläche der Provinz von 5,7 Mio. Hektar, 3,5 Mio. Hektar als Staatswald deklariert. Da jedoch jedes Jahr 220.000 Hektar kahl geschlagen werden, ist ein Teil des Staats„waldes“ inzwischen unbewaldet. In allen Wäldern wird sowohl legal als auch illegal Holz eingeschlagen, auch in Wasserschutz- und Naturschutzgebieten. Immer häufiger kommt es zu Überschwemmungen und Erdrutschen, wobei Häuser und Feldfrüchte vernichtet werden und Haustiere und Menschen sterben.
Eines der ausgedehntesten Gebiete tropischen Regenwaldes, das 2,6 Mio.
Hektar große Leuser-Ökosystem, liegt zum größten
Teil in Aceh. Dieses Naturschutzgebiet besteht aus dem 840.000 Hektar großen
Leuser-Nationalpark und seinen ihn umgebenden Pufferzonen. Das Leuser-Ökosystem
verfügt über artenreiche Tieflandregenwälder und Bergwälder,
Feuchtgebiete, Täler und Gebirge. Es ist Heimat bedeutender Populationen
gefährdeter Arten, wie Orang Utans und Elefanten. Finanziert wurde
das Leuser-Schutzprogramm zwischen 1995 und 2005 aus Mitteln der EU und
der indonesischen Regierung.
Holzeinschlag für den Wiederaufbau Acehs
Indonesiens Forstminister Kaban erteilte Anfang 2006 fünf Unternehmen Konzessionen zum Holzeinschlag. Damit sollte der Bedarf für den Bau neuer Häuser für die Opfer des Tsunami gedeckt werden. Folgende Unternehmen gelangten in den Besitz der Konzessionen: PT Krueng Sakti (auf der Insel Simeulue), Ponpes Najmussalam (Unternehmen im Besitz eines islamischen Trainingszentrums in Nordaceh), PT Raja Garuda Mas Lestari (zu dem Konzern gehört auch das Zellstoffunternehmen Riau Andalan Pulp and Paper, RAPP, in Nordsumatra), PT Aceh Inti Timber und PT Lamuri Timber (beide im Distrikt Westaceh).
Doch ein großer Teil des Holzes aus Aceh wird nicht für den Wiederaufbau benutzt. Nach Angaben der Leuser International Foundation wurden im Jahre 2005 mindestens 120.000 Tonnen Holz illegal über den Hafen Belawan, Nord-Sumatra, exportiert. Walhi Aceh recherchierte, dass der Holzschmuggel nach Festlandasien wie gehabt weitergeht. Ein anderer Teil des Holzes ist für das Papier- und Zellstoffunternehmen Kertas Kraft Aceh (KKA) bestimmt, das nach der Zerstörung durch den Tsunami wieder hergestellt ist und inzwischen die Produktion aufgenommen hat. An KKA liefert die Firma PT Tusam Hutan Lestari Holz aus Primärwäldern sowie aus alten, noch in der Kolonialzeit angelegten Pinienplantagen.
Im Süden Acehs, auf ehemaligen Konzessionsgebieten, ist wegen illegalen Holzeinschlags mehr als die Hälfte des Waldes vernichtet. Ehemaligen Kämpfern der Bewegung Freies Aceh wird nachgesagt, sie handelten seit dem Friedensprozess ihre Waffen gegen Kettensägen. Die lokalen Forstbehörden schauen den illegalen Aktivitäten tatenlos zu, in die Militärs und Angehörige der lokalen politischen Eliten verwickelt sind.
Die Straßenbauvorhaben in Aceh erleichtern den legalen und den illegalen Holzfällern den Zugang zu den Wäldern. 2001 verfolgte die indonesische Regierung den Plan, die Westküste mit der Ostküste mit einem Netz von Straßen zu verbinden. Dieses Straßenbauprojekt ist unter der Bezeichnung Ladia Galaska bekannt geworden. Es wurde aufgrund starker Oppostion lokaler und nationaler Gruppen zurückgestellt, aber 2004 wieder aufgegriffen. Bestari Raden war Mitglied eines von der Regierung eingesetzten Teams, dessen Aufgabe es war, mögliche Auswirkungen der Ladia Galaska zu überprüfen. Doch als Bestari Raden den Boden Südacehs betrat, wurde er verhaftet. Mit seinem früheren Einsatz gegen Holzeinschlag hat er sich mächtige Feinde verschafft, auch in der Polizei. Die Anklage war aufgebauscht, und Bestari Raden wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach eineinhalb Jahren wurde er im Rahmen des Friedensabkommens von Helsinki freigelassen. Unterdessen geht das Straßenprojekt weiter, wenn auch nun unter anderem Namen.
Ausgedehnte Ölpalmplantagen sind eine weitere Bedrohung für
Acehs Wälder. In den letzten zehn Jahren sind umfangreiche, meist
von staatlichen Unternehmen kontrollierte Ölpalmplantagen in Aceh
Singkil, West-, Ost- und Südaceh entstanden. Das gegenwärtige
internationale Interesse an Palmöl für Biodiesel führt zur
Expansion von Ölpalmplantagen in ganz Indonesien, und Aceh ist keine
Ausnahme. Erste umfangreiche Abkommen mit malaysischen Palmölunternehmen
wurden schon im letzten Jahr unterzeichnet.
Eine neue Vision
Vor diesem Hintergrund hat Irwandi Yusuf – der erste direkt gewählte Gouverneur Acehs – seinen Willen bekundet, Acehs Umwelt zu schützen. Die neue Regierung von Aceh hat ein Holzeinschlagsmoratorium ausgesprochen. Irwandi ist gegen die Erteilung von Konzessionen an die fünf Holzeinschlagsunternehmen und hat an einigen Überraschungsrazzien gegen den illegalen Holzeinschlag teilgenommen, zum Beispiel in Sangkilatgebirge im Distrikt Bireuen. Er hat an alle Beteiligten appelliert, den illegalen Holzeinschlag zu stoppen, auch den Kahlschlag für landwirtschaftliche Flächen und Plantagen. Irwandis Haltung korrespondiert mit der Haltung von 23 führenden Persönlichkeiten Acehs, die schon im April 2003 gefordert hatten, dass die Konzessionen widerrufen werden sollten.
Die neue Verfassung von Aceh (No11/2006) erlaubt keinerlei Holzeinschlag im Leuser-Ökosystem. Die Regierung von Aceh arbeitet derzeit am Entwurf neuer lokaler Forstverordnungen, und in die Planung der neuen Forstpolitik sind nicht nur Forstbehörden, sondern auch die Zivilgesellschaft (NGOs), Wissenschaftler und Indigenen-gruppen einbezogen.
Das Indigenen-Netzwerk von Aceh, JKMA, setzt sich dafür ein, dass die Forstpolitik auf traditioneller Rechtsgrundlage basiert und dass das alte traditionelle System wiederbelebt wird. Die kleinste Einheit der traditionellen Verwaltung sind die Dörfer (gampoeng), denen jeweils eine Führungsperson vorsteht (keuciek). Jeweils 7-10 gampoeng bilden eine mukim genannte Einheit, die von einem regionalen Oberhaupt, dem imuem mukim kontrolliert wird. Für die Wälder (sineubuek) eines Dorfes ist ein von der Bevölkerung gewählter Dorfförster, panghutan, verantwortlich. Zu seinen Pflichten gehören alle Aspekte des Forstwesens, einschließlich der Entscheidung, welche Waldprodukte genutzt und welche Flächen für die Landwirtschaft gerodet werden dürfen. Das traditionelle Forstwesen ist jedoch während des Aceh-Konflikts zusammengebrochen und in einigen Gegenden nicht mehr existent. Insbesondere seit den 1980er Jahren, als die Regierung die ersten Einschlagsgenehmigungen vergab, haben die panghutan an Bedeutung verloren.
Am 24. März traf Bestari Raden Gouverneur Irwandi. Sie besprachen,
dass Aktionen notwendig sind, dem ausufernden illegalen Holzeinschlag in
Acehs Innerem ein Ende zu bereiten. Der Gouverneur betonte, er werde dafür
konkrete Maßnahmen treffen, auch wenn er dabei kaum Unterstützung
aus Jakarta erhält.
Bestari geht in die Politik
Bestari Raden war früher aktiv in der Allianz der Indigenen Indonesiens. Heute hat er einen Posten im lokalen Büro der im Februar eingerichteten Re-Integrationsbehörde BRA in Südaceh. Bestari möchte in die Politik gehen, denn er ist überzeugt, dass der illegale Holzeinschlag ursächlich verknüpft ist mit Umweltkatastrophen, Armut und Konflikten um Land und Ressourcen. Ein Ende des illegalen Holzeinschlags würde helfen, diese Probleme zu bewältigen. Bestari glaubt, dass es wichtig ist, kahlgeschlagene Flächen wieder aufzuforsten. Von seinem Besuch in Europa erhofft er sich internationale Unterstützung für die Indigenenbewegung in Aceh und für Umweltschutz mittels basisorientierter Waldinititativen.
„Meine Lebensaufgabe ist es immer gewesen, die Grundrechte zu stärken
und die lokale Ökonomie der Indigenengemeinschaften in und um die
Wälder Südacehs zu stärken,“ sagt Bestari Raden. „Verbesserte
Einkommensmöglichkeiten und mehr Bildungschancen müssen dabei
Bestandteil einer ökologischen Nachhaltigkeit sein.”
* Ridha Saleh, bis August 2007 zweiter Vorsitzender
des Umweltnetzwerkes WALHI, begleitete Bestari Raden nach Genf, Berlin
und Amsterdam. Ridha Saleh ist seit September Mitglied und zweiter Vorsitzender
der Nationalen Menschenrechtskommission Komnas HAM
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