Aceh und Papua haben in Indonesien die Initiative gegen die globale
Klimaerwärmung ergriffen: sie wollen die Zerstörung ihrer Tropenwälder
eindämmen und damit den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren.
Sie handeln die Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz des Waldes
aus, und Aceh hat sogar ein Moratorium des Holzeinschlags beschlossen.
Ob diesen Schritten Erfolg beschieden sein wird, steht noch in den Sternen.
Zweierlei ist sicher: Sie fordern die indonesische Klima- und Forstpolitik
heraus, und sie werden die Industrieländer eine Stange Geld kosten.
Runder Tisch: Klimawandel
Zeitungsleser wissen, dass Indonesien nach den USA und China die meisten Treibhausgase weltweit ausstößt. Ursache sind die alljährlichen Waldbrände, die Emissionen aus den Torfböden und eine so rasante Entwaldung, dass der Inselstaat andere Waldvernichter in den Schatten stellt. In den Debatten um das globale Klima wird Indonesien daher scharf kritisiert. Mit der bevorstehenden Weltklimakonferenz COP 13 im Dezember 2007 in Bali ist Indonesien unter akuten Zeitdruck geraten und gefordert zu handeln. Doch während in Jakarta kaum jemand mit den Vorbereitungen für die COP 13 (Conference of the Parties to the Climate Change Convention; Veranstalter: UNFCCC, United Nations Framework Convention on Climate Change;) beschäftigt scheint, zeigen Jayapura und Banda Aceh Entschlossenheit.
Im Vorfeld der Weltklimakonferenz fand am 26. April ein hochkarätiger Three Gouverneur´s Roundtable im noblen Westin Resort in Nusa Dua, Bali, statt. Teilnehmer waren Barnabas Suebu (Gouverneur von Papua), Irwandi Yusuf (Gouverneur von Nanggroe Aceh Darussalam) und Abraham Aturui (Gouverneur von Papua Barat, bis April: Irian Jaya Barat). Organisiert und gesponsort wurde der Runde Tisch u.a. von der australischen Regierung, der Weltbank und einigen anderen Organisationen wie Flora and Fauna International (FFI) und World Wide Fund for Nature (WWF).
Auf der Agenda stand nichts Geringeres als eine gemeinsame Politik zur Reduktion der Treibhausgase. Die Gouverneure beschlossen, die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Provinzen umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten, vor allem durch die Eindämmung der Entwaldung. Dies wollen sie durch beachtenswerte Schritte erreichen: Aceh sagte zu, den Holzeinschlag zu stoppen. Das angesagte Moratorium ist inzwischen erlassen worden. Damit will Aceh Zeit gewinnen, um seine Forstpolitik revidieren zu können. Papua ist entschlossen, den Export von Holz zu verbieten. Den Mut, den Holzeinschlag nach dem Beispiel Acehs komplett zu verbieten, hatten Suebu und Aturui nicht. Vorerst sollen die Konzessionen übergeprüft und notfalls entzogen werden, wenn sie in den beiden Papua-Provinzen keine positive Entwicklung der lokalen Holzindustrie bewirken.
Das wichtigste Ergebnis des Runden Tisches sind Beschlüsse, einen Teil des Waldes nicht abzuholzen. Die Idee war, in Papua die Hälfte der zehn Millionen Hektar Konversionswald, für den Jakarta die „Umwandlung“ vorsieht, von der Konversion auszunehmen und mit den Mitteln aus dem Kohlenstoffhandel zu erhalten. Der ursprüngliche Plan musste jedoch zurechtgestutzt werden. Beschlossen wurde, statt der fünf Millionen Hektar nur eine Million Hektar zu bewahren. Angedacht sind mehrere Pilotprojekte in den Provinzen, in Papua auf mindestens 500.000 Hektar Wald. Bei Erfolg soll nach dem Willen Suebus die Fläche auf vier Millionen Hektar vergrößert werden.
Um die hoffnungsvollen Pläne umzusetzen, brauchen Papua und Aceh internationale Unterstützung mittels Finanzierungsmechanismen nach dem Modell des Kohlenstoffhandels (Carbon Trading) sowie Technologietransfer. Vorgesehen ist ein neues Modell des „Vermeidens der Entwaldung“, bei dem nicht für Wiederaufforstung, sondern für das Nicht-Abholzen vergütet wird. Die australische Regierung hat 200 Mio. australische Dollar zugesagt, zur Eindämmung der Entwaldung, zur Wiederaufforstung und für nachhaltiges Forstmanagement. Ein Großteil der Gelder soll allerdings über die Regierung in Jakarta und nicht direkt nach Aceh und Papua fließen.
Der Runde Tisch der drei Gouverneure ist eine deutliche Botschaft an
die internationale Gemeinschaft, dass man sich der Debatte um das globale
Klima und der indonesischen Verantwortung bewusst ist. Aceh und Papua demonstrieren
den festen Willen, die Waldvernichtung endlich zu stoppen. Nicht von ungefähr,
denn „Wir sind uns unserer besonderen Rolle als Stewards der größten
Naturwälder Indonesiens bewusst“, beteuern die Gouverneure in ihrer
gemeinsamen Erklärung.
Aceh und Papua: Konflikt im Wald
Aceh und Papua werden häufig in einem Atemzug genannt, wenn es um Indonesiens Konfliktgebiete geht. Wenn auch die Entfernung zwischen den beiden Regionen Tausende von Kilometern beträgt, haben sie doch einiges gemein: reiche Naturressourcen, eine geopolitisch strategische Lage und eine lange Geschichte von Krieg und Unabhängigkeitsträumen. Indonesiens westlichste Provinz Nanggroe Aceh Darussalam und die beiden Papua-Provinzen im östlichsten Winkel des Archipels (Papua und Papua Barat) haben mit der gewährten Sonderautonomie außerdem besondere Rechte.
Aceh und Papua haben aber noch mehr gemeinsam: Sie verfügen über die letzten großen zusammenhängenden Regenwälder Indonesiens. Intakt sind die Wälder jedoch längst nicht mehr. Die Konflikte forderten und fordern ihren Tribut vom Wald, und es ist keineswegs so, wie manche Autoren behaupten, dass es noch Wald gibt, weil Krieg einen gewissen Schutz für den Wald bedeutet. Im Gegenteil haben in Aceh beide Konfliktparteien mit Tropenholz ihre Waffen finanziert.
Beide Gegenden haben auch gemeinsam, dass in den letzten Jahren der illegale Holzeinschlag enorm zugenommen hat. Seit den 90er Jahren, als Aceh militärisches Operationsgebiet war, wird gnadenlos abgeholzt. Nach dem Tsumani hat der Druck auf den Wald beängstigende Ausmaße angenommen. „Für den Wiederaufbau Acehs“ hat das Forstministerium fünf Unternehmen die Erlaubnis zum legalen Holzeinschlag erteilt, wovon ein bedeutender Teil allerdings nie in den vom Tsunami heimgesuchten Gebieten eingetroffen ist, sondern den Weg über Medan, Malaysia und Singapur auf den Weltmarkt gemacht hat. Nicht von ungefähr blüht in den benachbarten Regionen der Markt mit illegalem Bauholz aus dem Leuser-Ökosystem.
Papua ist seit 2001 das bevorzugte Aktionsgebiet einer international operierenden Holzmafia. Unternehmer aus ganz Südost- und Ostasien verschachern das Tropenholz, vor allem Merbau, an die 500 neuen Holzfabriken in der Provinz Hainan, die wiederum in die ganze Welt liefern. Unwidersprochen bleibt das Militär in Papua ein nur sträflich zu vernachlässigender Akteur im Business mit Tropenholz. Die Gründe für den abrupt einsetzenden Run auf Papua sind vielschichtig: Andernorts in Indonesien ist Tropenwald fast zur Rarität geworden. Aber erst die Dezentralisierung hat einer noch brutaleren Abholzung Tür und Tor weit geöffnet. Als China nach den Überschwemmungen des Yangtse (fast zeitgleich mit dem Rücktritt Suhartos im Jahre 1998) den Holzeinschlag im eigenen Land verbot, musste der Nachschub aus dem Ausland kommen: aus Papua (und Russland).
Aktuell ist die starke Nachfrage nach Palmöl zur Energiegewinnung und für Dieseltreibstoff die treibende Kraft hinter der Vernichtung der Wälder, häufig genug mittels Brandrodung. Die indonesische Regierung verfolgt ehrgeizige Pläne, den internationalen Agrotreibstoffmarkt zu bedienen, und Papua soll einen Großteil der benötigten Flächen bereitstellen. Das heißt im Klartext, dass fünf Millionen Hektar Plantagen in Papua entstehen sollen, auf denen der Rohstoff für Agrotreibstoffe produziert wird.
Jede Initiative zum Erhalt der Wälder als global bedeutende Kohlenstoffspeicher
muss folgerichtig in Aceh und Papua ansetzen. Die indonesische Forstpolitik
hat ein Umdenken versäumt und nicht gewagt, den Finger auf genau diese
heiklen Standorte zu legen. Immer noch geht das Forstministerium vor der
mächtigen Holzindustrie in die Knie und verteilt freigiebig Lizenzen.
Gleichzeitig wird versucht, mit Polizeimethoden der Mafia beizukommen.
Aktionen im Rambostil können jedoch höchstens an der Oberfläche
kratzen, den Trend aber nicht stoppen. Auch internationale Bemühungen
wie der europäische FLEGT-Prozess und verschiedene bilaterale Abkommen
bleiben wirkungslos. Wie also die Entwaldung stoppen und damit endlich
einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase leisten?
Gobaler Handel: Kohlendioxid
„Das ist toll, du schützt den Wald und kriegst noch Geld dafür!,“ freute sich Bass Suebu. Wie der Wald gerettet werden kann, hat er in Costa Rica gesehen, das er von Mexiko aus, wo er indonesischer Botschafter war, besucht hat. Costa Rica hat Erfahrungen mit einem neuen Modell des Kohlenstoffhandels, wobei dafür bezahlt wird, dass der Wald stehen bleibt. Umweltleistungen, wie z.B. der Erhalt von Biodiversität und Wasserkreisläufen, werden honoriert. Seit 2006 treibt die Koalition der Regenwaldstaaten, zu der neben Costa Rica auch Papua-Neuguinea und die Amazonasregion gehören, dieses Modell des Vermeidens von Abholzung und Entwaldung voran. Seit dem Runden Tisch im April betrachten sich nun Papua, Aceh und Papua Barat als Mitglieder der innovativen Regenwaldkoalition.
Mit dem Argument, dass reiche Länder verpflichtet sind, einen Beitrag zum Schutz der Wälder zu leisten, können sich Industriestaaten nach dem Kyoto-Protokoll das Recht auf höhere Kohlendioxid-Emissionen erkaufen, indem sie für Projekte in Entwicklungsländern zahlen. Eigentlich sollte mit den Mechanismen des Kyoto-Protokolls die weltweite Erwärmung gebremst werden, doch stattdessen fördert es zusätzliche Kohlendioxid-Emissionen aus der Rodung intakter Regenwälder, denn nach den Regeln des internationalen Kohlendioxid-Handels wird für Wiederaufforstung bezahlt. Dies führt dazu, dass erst mal kräftig abgeholzt wird. Belohnt wird der Kahlschlag; leer geht aus, wer seine Regenwälder von vornherein schützt – eine Lücke im Vertragstext. Die Rodungen emittieren etwa 20 bis 25 Prozent des globalen Kohlendioxidausstoßes in die Atmosphäre. Nach Ansicht vieler Kritiker und Wissenschaftler (z.B. der Universität von Kalifornien) hat das Kyoto-Protokoll deshalb seinen Zweck verfehlt.
Deswegen findet die Initiative der Regenwaldkoalition, dass nicht Kahlschläge, sondern ihre Vermeidung finanziell belohnt werden sollte, ihre Befürworter. Bei der Weltklimakonferenz in Bali wird über den Kyoto-Nachfolgevertrag debattiert werden, der 2012 ansteht. Ein Konzept des „Vermeidens von Emissionen“, genannt REDD, Reduced Emissions from Deforestation, steht auf der Agenda, und die Weltbank wird ein geplantes 250 Mio. US$ teures Pilotprogramm für den Schutz bestehender Tropenwälder vorstellen.
Das Trio Suebu, Irwandi und Aturui hat also gute Aussichten, dass die internationale Gemeinschaft ihre Vermeidungsstrategie mit Wohlwollen betrachtet. Ihr Beschluss vom Runden Tisch könnte mögliche Entscheidungen während der Weltklimakonferenz in Bali im kommenden Dezember vorwegnehmen und zu bindenden Abkommen führen.
In Indonesien selbst hat das Trio einen schwereren Stand. Gleich nach Suebus Wahl zum Gouverneur im Dezember 2006 hat Präsident Susilo Bambang Yudhoyono (SBY) Suebu zu sich zitiert. SBY setzt auf Agrotreibstoff („Bio“diesel) als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Von den Investitionen im Plantagensektor verspricht sich SBY 3,5 Mio. neue Arbeitsplätze. Der Präsident verlangte, dass in Papua sofort fünf Mio. Hektar für die Umwandlung in Ölpalm- und andere Plantagen freigegeben werden sollten. Suebu war sauer. Er hat genug Probleme mit den Holzkonzessionären, deren illegalen Aktivitäten, den Zuwanderern und der Rückständigkeit der Einheimischen. „Nicht mit uns!,“ soll Suebu nach gut informierten Quellen gesagt haben, Papua solle nicht so werden wie Kalimantan, wo der Wald bald weg ist und viele Tierarten aussterben.
Es ist nicht dokumentiert, ob SBY seinerseits sauer war. Aber er hat
blitzschnell reagiert. Im Januar schon war ein Riesen-Fünf-Milliarden-Dollar-Deal
mit der China National Offshore Oil Corp. (CNOOP) und dem indonesischen
Counterpart PT Sinar Mas Agro Resources (SMART) unter Dach und Fach – und
die Plantagen sollten in Papua entstehen. Seither bekunden weitere Unternehmen
ihr Interesse; einige haben bereits erfolgreich Land erworben, mit Unterstützung
Jakartas und lokaler Distriktpolitiker.
Fragezeichen: Ökologie oder Ökonomie
Was wie ein handfester Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie aussieht, ist weitaus mehr. Die Papua-Gouverneure ihrerseits haben große Pläne zur Entwicklung des Papualandes. Auch sie setzen auf wirtschaftliche Entwicklung und wetteifern wie SBY darin, Investoren anzulocken. Phantastische Pläne liegen vor, von denen selbst Großstädte wie Berlin nur träumen können, wie zum Beispiel ein Skytrain. Bupati und andere lokale Politiker machen es ihnen nach. Finanziert werden soll der Aufbau vor allem mit dem „Grünen Gold“ Palmöl, wofür der Wald weichen müsste.
Andererseits scheint mancher Politiker das Einmaleins des Kohlendioxid-Handels in Windeseile begriffen zu haben, nicht nur einige Bupati in Papua, die plötzlich ihre Wälder nicht mehr an Holzunternehmen, sondern an Kohlenstoffhändler verkaufen. Soeben ist der Gouverneur von Bengkulu von einer ziemlich spontanen USA-Reise heimgekehrt, wo er den Amerikanern seinen Wald für 2,5 Mrd. US$ angeboten hat. Es könnte sich rechnen, der internationalen Gemeinschaft zu demonstrieren, den Wald schützen zu wollen und damit einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten.
Zwischen Klimawandel und Investitionspolitik hin- und hergerissen, bewegen verlockende Angebote auch andere indonesische Politiker womöglich zum Einschwenken. Langfristig gesehen könnte auch für Indonesien gelten, was Nicholas Stern in seinem Report zu den wirtschaftlichen Folgen der Klimaveränderung sagt: dass die Vermeidung des Klimawandels und der Förderung von Wachstum und Entwicklung nicht in Konkurrenz stehen müssen. Damit wäre der Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie nur ein momentaner. /Nicholas Stern: Stern Review on the Economics of Climate Change; Oktober 2006/ http://www.hm-treasury.gov.uk/independent_reviews/stern_review_economics_climate_change/stern_review_report.cfm
Greenpeace hat am Beispiel der Emissionen aus den Torfböden Kalimantans vorgerechnet, dass Indonesien am Kohlenstoffhandel mehr verdienen könnte, als wenn die Torfwälder in Ölpalmplantagen umgewandelt werden. Wenn noch berücksichtigt wird, dass Plantagenunternehmen dem Finanzamt als notorische Steuersünder bekannt sind, dann errechnen sich für den Staatshaushalt aus dem Kohlendioxidhandel sogar höhere Einnahmen als aus Palmölabgaben. Aber nur unter der Voraussetzung, dass der Wald noch existiert.
Und so könnte laut Greenpeace die Kalkulation für Papua aussehen: Gesetzt den Fall, eine Million Hektar würden nach dem REDD-Modell geschützt und dadurch würden pro Jahr 50.000 Hektar vor dem Kahlschlag bewahrt, käme Papua bei einem niedrig angesetzten Preis von 10 US$ pro Tonne CO2 auf jährliche Einnahmen von 50 bis 100 Mio. US$. Das ist eine Summe, die auch ein Ökonom nicht verachtet. Wird mehr Kahlschlag vermieden oder der Preis für die Tonne höher angesetzt, dann schaut das Ergebnis noch besser aus. Die Vermeidungsstrategie könnte sich finanziell lohnen.
Wenn das Beispiel der sonderautonomen Provinzen von Aceh und Papua Schule macht, dann sind wahrhaft große Summen im Spiel. Große Summen locken große Gauner an. Nur wenige Wochen nach dem Runden Tisch im April tauchten schon obskure Kohlendioxid-Händler in Indonesien auf. Kriminelle Aktivitäten und Korruption sind eine akute Bedrohung für das Gemeinwesen, und ohne eine funktionierende Verwaltung und ein korruptionsfreies Umfeld könnte der schöne ökonomische Erfolg ein sehr einseitiger werden.
Ungelöst sind auch die Probleme, wie die Mittel gemanagt werden sollen, welche Zusatzausbildung die Provinzbeamten noch erhalten müssen und wer Nutznießer der Gelder sein wird. Sind es die Plantagenunternehmen, die auf ihr Palmölbusiness verzichten müssen? Ist es der Staatshaushalt, da nach indonesischer Gesetzgebung der Wald Staatseigentum ist? Sind es die sonderautonomen Provinzen? Oder fließt der Geldstrom an die Indigenen, damit sie weiterhin in Harmonie mit der Natur leben und durch ihre Lebensweise für den Erhalt des Waldes sorgen? Und wie werden diese in ihren Dörfern und Familien mit den sozialen und psychischen Folgen des Geldsegens umgehen?
Auch ökologisch könnte der Schuss nach hinten losgehen. Die Organisation Biofuelwatch bescheinigt dem Konzept der vermiedenen Emissionen einen fundamentalen Denkfehler. Die Biosphäre leidet an einem Defizit an Kohlendioxidsenken, da die Menschheit 50% mehr Kohlendioxid erzeugt als von Wäldern und Meeren wieder aufgenommen werden. Da einige Ökosysteme am Rande des Kollapses stehen, reiche es nicht, nur einige Prozent der Wälder zu erhalten. /Deepak Rugani and Almuth Ernsting: 'Reduced Emissions From Deforestation': Can Carbon Trading Save Our Ecosystems? July 2007 http://www.biofuelwatch.org.uk/docs/Avoided_Deforestation_Full.pdf /
So verführerisch die Vermeidungsstrategie auch klingt, sie wird
nur für einen Bruchteil der Wälder verwirklicht werden können.
Wenn für eine Million Hektar des Papuawaldes der Kahlschlag vermieden
werden kann, dann heißt das, dass die anderen neun Millionen Hektar
Konversionswald, für die keine Finanzierungsmechanismen ausgehandelt
werden, eben nicht vor der Vernichtung geschützt sind. Nach Biofuelwatch
ist dieses Szenario nicht der unglückliche Nebeneffekt eines ansonsten
schönen Konzeptes zur Rettung von Klima und Wald, sondern integraler
Bestandteil von Plänen zur Aufteilung unseres Planeten.
Versuchsfeld Aceh: Moratorium
Statt weitere menschengemachte Emissionen nur zu vermeiden, sollten diese tatsächlich reduziert werden. Es wäre nur folgerichtig, die Wälder als Kohlenstoffsenken zu erhalten. In der Praxis würde dies bedeuten, den Wald so stehen zu lassen, wie er ist, und den Holzeinschlag zu verbieten. Ein Moratorium des Holzeinschlags gibt dann den geschundenen Wäldern eine Atempause. Außerdem, so rechnet Nicholas Stern in seinem Report vor, sind die Kosten für Verwaltung und Kontrolle eines Banns um Größenordnungen niedriger als für ökologische Dienstleistungen im Rahmen des Kohlendioxidhandels; und damit wären sie für die Weltgemeinschaft eher finanzier- und realisierbar.
Das Ökosystem Erde scheint in eine fragile Phase gelangt zu sein, in der, im Bewusstsein der vernichteten Kohlenstoffsenken, ein systemischer Ansatz notwendig ist. In einem solchen Ansatz müsste die im und vom Wald lebende Bevölkerung eine Schlüsselrolle als Umweltschützer spielen und entsprechend honoriert werden. Grundsätzliche Probleme müssen angepackt werden: die Landrechtsfrage, die fehlende Anerkennung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Indigenen, die Korruption und die Diskrepanz zwischen den Überkapazitäten und dem ungesicherten Nachschub der Holz- und Papierindustrien.
Doch um den Wald gibt es viele konkurrierende Interessen. Nicht nur die lokale Bevölkerung will ihre Landrechte wahrnehmen, auch andere greifen danach. Die diversen Industrien liegen im Wettstreit um Land, die Zellstoffindustrie will expandieren, Wirtschaftspolitiker werben um Investoren für Infrastruktur. Der Staat ist in einer Zwickmühle: er setzt auf Wachstum und Wirtschaftsentwicklung, entzieht aber zukünftigen Generationen durch die aggressive Abholzung das Fundament; er erleidet enorme Verluste an Steuern und Abgaben, ist mit wachsenden Landrechtskonflikten konfrontiert und muss immer häufiger Katastrophen bewältigen.
Die internationalen Vereinbarungen und Zertifizierungsmodelle greifen im Grunde nicht, denn die Wurzeln des Übels, die ungelösten grundsätzlichen Probleme in Indonesien selbst, bleiben außen vor. Weder die EU-Gelder für den Leuser-Nationalpark noch der EU-FLEGT Prozess haben sich als geeignete Instrumente, der Waldzerstörung Einhalt zu gebieten, erwiesen. FLEGT beschränkt sich auf freiwillige Vereinbarungen beim Import von Tropenholz in die EU und lässt Einflussnahme auf die steigende Nachfrage in den Konsumentenländern vermissen. Zertifizierungsmodelle auf freiwilliger Basis vermitteln nur die Illusion von Nachhaltigkeit und führen häufig dazu, dass in der Nachbarschaft umso rigoroser kahlgeschlagen wird.
Aceh ist wie ein Brennpunkt all der erwähnten Probleme und Konflikte. Jährlich verliert Aceh um die 20.000 Hektar Wald. Der Anteil des illegalen Holzeinschlags ist hoch; nach den Angaben der Umweltorganisation Walhi wurden allein 2006 2,79 Mio. Kubikmeter Holz illegal eingeschlagen. Den Verlust schätzt Walhi auf 260 Mrd. Euro ein, die Kosten für Überschwemmungen, Erdrutsche und den ökologischen Wert des Waldes nicht eingerechnet. Nur 2% dieser riesigen Menge können durch Polizeirazzien und dergleichen beschlagnahmt werden. Der ehemalige GAM-Kommandant Irwandi hat daher vom ersten Tag seiner Amtszeit den Schutz des Waldes ganz oben auf seiner Prioritätenliste stehen und sich nicht gescheut, sich persönlich an Aktionen gegen illegale Holzfäller zu beteiligen.
Er hat starke Gegenspieler. Mit Forstminister Kaban in Jakarta ließ sich nicht aushandeln, die Konzessionen der fünf Holzunternehmen aufzuheben, im Gegenteil. Jakarta übt enormen Druck aus, weitere Flächen für die „Umwandlung“ freizugeben. Die Regierung will die Kapazitäten der Zellstoffindustrie in Sumatra ausbauen und neue Zellstoffwerke in Kalimantan und Papua errichten. Sie sieht auch Potential für 120.000 Hektar Ölpalmplantagen im Süden und Osten Acehs. Auch die Distrikte planen Aufbau und Erweiterung von Holzindustrie und Plantagenwirtschaft, wobei der Kopf nicht weiß, was die einzelnen Glieder machen. Der Informationsfluss klappt nicht, und der Gouverneur steht zwischen den Fronten.
„Selbst ist der autonome Mann,“ hat Gouverneur Irwandi wohl gedacht, als er sich für die Initiative zur Erhaltung der Tropenwälder Acehs und damit für einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase entschied. Bei dem Runden Tisch der drei Gouverneure versprach er, alles für die Rettung des Waldes zu tun. Eindeutige Entscheidungen sind gefallen.
Für Irwandi ist das Moratorium nicht das endgültige Ziel seiner Waldpolitik. Es ist als ein 15-jähriger, mehrstufiger Prozess gedacht, als eine Atempause, die Forstpolitik zu reformieren. Diese fünfzehn Jahre Aufschub sollen der Regierung von Aceh Zeit und Raum geben, die bestehenden Konflike um Wald und Land anzupacken. Ob es Irwandi gelingen kann, die Konflikte mit der Konkurrenz der mächtigen Wirtschaftsinteressen in den Hintergrund zu drängen, ist eine andere Frage.
Im ersten Schritt werden keine neuen Konzessionen vergeben und eine Bestandaufnahme durchgeführt. Status und Zustand der Wälder werden überprüft. Eine unabhängige Instanz soll ein Audit erstellen, auf dessen Grundlage bereits bestehende Genehmigungen entzogen werden, wenn die betreffenden Unternehmen ihre Konzession überschreiten. Die Zeit soll genutzt werden, entsprechende Verordnungen für die Nutzung bereits geschlagenen und beschlagnahmten Holzes sowie für notwendige Importe zu verabschieden.
Acht Monate nach der ersten Phase soll der gesamte Holzeinschlag in Aceh gestoppt werden. Holz darf nur noch aus Plantagen oder Gemeindewald kommen. Begleitet werden muss der Bann von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zur Stärkung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte. Neue Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, auch für die Leute, die bisher auf Plantagen beschäftigt sind.
Wie auch immer der Konflikt der Interessengemenge ausfallen wird, Aceh
und Papua sind dabei, Akteure im internationalen Kohlendioxidmarkt zu werden,
und damit Geld zu verdienen. Jetzt kommt es darauf an, wie Indonesien sich
auf der Weltklimakonferenz in Bali positioniert. Dann kann beurteilt werden,
ob die Tropenwald-Stewards zu echten Pionieren werden. <>
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