Im April begann die Universal Periodic Review (UPR), ein neu geschaffener Mechanismus im UN-Menschenrechtsrat, der die gesamten Menschenrechtsverpflichtungen aller UN-Mitgliedsstaaten unter die Lupe nehmen soll. Indonesien war eines der ersten Länder, die sich verantworten mussten. Bei der ersten Verhandlung am 9. April und in den Empfehlungen der UPR-Arbeitsgruppe bleiben zentrale Kritikpunkte jedoch außen vor. Die abschließende Sitzung zu Indonesiens UPR im Juni muss die drängenden Menschenrechtsprobleme des Landes benennen und konkrete Verbesserungsvorschläge aussprechen, soll die UPR nicht zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Bereits bei der Schaffung des Menschenrechtsrates durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen war die Einrichtung eines neuen Mechanismus vorgesehen, der alle UN-Mitgliedsstaaten auf die Einhaltung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen prüft. Im Juni 2007 gab der Menschenrechtsrat in einer Resolution die konkrete Ausgestaltung dieses Mechanismus vor: Mittels eines Universal Periodic Review (UPR) wird in vierjährigem Rhythmus überprüft, ob ein Staat seine eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt. Ziel dieses auf Kooperation angelegten Verfahrens ist die Verbesserung der Menschenrechtssituation im jeweiligen Staat. Positive Entwicklungen sollen genauso wie problematische Bereiche identifiziert werden. Gemeinsam sollen Möglichkeiten gefunden werden, um den behandelten Staat bei der Verbesserung der Menschenrechtslage zu unterstützen, etwa durch den Austausch von best-practices und technische Zusammenarbeit zum Aufbau notwendiger Kapazitäten.
Das UPR-Verfahren umfasst mehrere Schritte: Die Basis bildet der Bericht des betroffenen Staates, der die Menschenrechtslage und Maßnahmen zu ihrer Verbesserung behandelt. Auch mit dem jeweiligen Staat befasste UN-Behörden wie Sonderberichterstatter oder Vertragsorgane sowie Nichtregierungsorganisationen (NRO) und nationale Menschenrechtskommissionen können Berichte einreichen. Sie werden vom Hochkommissariat für die Menschenrechte zusammengefasst und sollen ebenfalls als Informationsgrundlage für die UPR dienen. Ein dreistündiger interaktiver Dialog der UPR-Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats bildet das Kernstück des Verfahrens. Die Leitung des Dialogs übernimmt eine aus drei Staaten zusammengesetzte Troika. Sie erstellt nach Ende der Dialogsitzung einen Bericht, der Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage im behandelten Staat ausspricht. Dieser Bericht wird daraufhin vom Menschenrechtsrat debattiert, unter Umständen geändert und formell verabschiedet. Die Umsetzung des Abschlussberichtes bleibt dem betroffenen Staat überlassen, andere Staaten sind angehalten, dabei technische Unterstützung zu leisten. Der Bericht soll außerdem als Grundlage für die nächste UPR dienen.
Als Mitglied des Menschenrechtsrates muss sich Indonesien dieses Jahr als eines der ersten Länder der UPR unterziehen. Der interaktive Dialog zu Indonesien fand am 9. April statt, die Verabschiedung des Berichts hierzu durch den Menschenrechtsrat ist für kommenden Juni vorgesehen.
Nichtregierungsorganisationen zeigten sich aus vielerlei Gründen enttäuscht von dem interaktiven Dialog. Die „Indonesische NRO-Koalition für die UPR“, ein Zusammenschluss indonesischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen, sprach gar von einer „Farce“ und gaben dem Kürzel UPR eine neue Bedeutung: es stehe nun nicht mehr für „Universal Periodic Review“, sondern für „Universal Periodic Rhetoric“. Die Kritik bezog sich vor allem auf die mangelnde Dialogbereitschaft der indonesischen Regierung, die sich in deren Nichtbeachtung der Eingaben von NROs und UN-Behörden und der einseitigen Behandlung des eigenen Staatenberichts zeigte. Letzterer stellt die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Indonesien als Erfolgsstory dar. Von der Aufnahme der Menschenrechte in die Verfassung über die Einführung freier Wahlen bis hin zur Reform des Militärs seien seit 1998 nur Fortschritte zu verbuchen. Wo Verbesserungsbedarf bestehe, sehe der Nationale Aktionsplan für die Menschenrechte für die Jahre 2004 bis 2009 einige Maßnahmen in den Prioritätsbereichen Kinderrechte, Frauenrechte, Menschenhandel sowie bei den Rechten indonesischer Auslandsarbeiter vor. Während des interaktiven Dialogs bezog sich ein Großteil der Fragen und Statements anderer Staaten auf diesen Bericht. Vor allem der Nationale Aktionsplan für die Menschenrechte wurde vielerseits gelobt. Dabei hat man von durch den Aktionsplan erzielten Fortschritten zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes bisher wenig gehört. „Das einzig gute am Aktionsplan ist, dass nun eine Menge Beamte auf lokaler Ebene über die Menschenrechte diskutieren. So erfahren sie zumindest von den vielen neuen Bestimmungen. Im Bezug auf deren Umsetzung bleibt der Aktionsplan aber nichts weiter als ein Papiertiger“, kommentiert Taufik Basari von der Organisation LSM Masyarakat. Dennoch lobten viele Staaten den Papiertiger in ihren Stellungnahmen, anstatt auf die vielen drängenden Menschenrechtsprobleme Indonesiens einzugehen. Die indonesische Delegation griff diese Steilvorlagen bereitwillig auf und gab ihrer Beantwortung viel Raum.
Kritischere Fragen und konstruktive Empfehlungen, die erfreulicherweise die Eingaben von NRO und UN-Behörden aufgriffen, kamen vor allem von den Mitgliedern der EU. Sie wurden von Indonesien jedoch mit altbekannten Argumenten abgeblockt oder komplett ignoriert. So wurde zum Beispiel die Frage der deutschen Vertreterin, welche Maßnahmen die Regierung plane um Folter im indonesischen Strafrecht zu kriminalisieren, mit der seit Unterzeichnung der Anti-Folterkonvention vorgebrachten Antwort abgespeist, dass das Strafgesetzbuch gegenwärtig umfassend reformiert und bei Fertigstellung auch Folter als Straftatbestand enthalten werde. Tatsächlich enthält der jüngste Entwurf für ein überarbeitetes Strafgesetzbuch eine Definition von Folter, die mit der in der Anti-Folterkonvention weitestgehend übereinstimmt, auch wenn das Mindeststrafmaß mit fünf Jahren vergleichsweise gering ausfällt. Die Reform des Strafrechts steht allerdings seit nunmehr zwanzig Jahren auf der Agenda und es ist in Abwesenheit eines definitiven Zeitplans nicht abzusehen, wann sie abgeschlossen sein wird. Auch fehlt es an zusätzlichen Reformen, die für eine effektive Bekämpfung der in Indonesien von Militär und Polizei standardmäßig angewandten Folter nötig sind. Dazu zählen zum Beispiel die Aufwertung der Rechte von Verhafteten und Angeklagten im Strafprozessrecht und die Stärkung der Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten. Zu letzterem Punkt merkte Indonesiens Vertreter nur lapidar an, dass die Unabhängigkeit der Justiz ja durch die Verfassung garantiert sei.
Ähnlich reagierte die indonesische Delegation auf andere Kritikpunkte. So erhoben mehrere Staaten die Frage, was die Regierung zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in Westpapua zu tun gedenke. Ein Vertreter der Provinzregierung Papuas erklärte hierzu, dass zahlreiche Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und der Verbesserung des Bildungs- und Gesundheitswesens eingeleitet worden seien. Auch würden im Sicherheitsapparat Kapazitäten im Bereich Menschenrechte aufgebaut, in Gemeinden Maßnahmen zur Menschenrechtsbildung durchgeführt. Abgesehen davon, dass dies der von NRO in Papua vorgebrachten Kritik widerspricht, dass sich die humanitäre Lage der Papuas trotz der Verabschiedung des Sonderautonomiegesetzes im Jahre 2001 nicht verbessert hat, ist es fraglich, ob Menschenrechtstrainings allein ausreichen, um den tagtäglich von Militär und Polizei verübten Verletzungen der Rechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Meinungsäußerung Einhalt zu gebieten.
Die Beendigung der Straflosigkeit, die nicht nur in Papua eines der größten Hindernisse für einen effektiven Menschenrechtsschutz darstellt, wäre hier sicherlich von größerer Wichtigkeit. Doch obwohl dieses Thema von mehreren Staaten angesprochen wurde, ging die indonesische Delegation kaum darauf ein. Einzige Ausnahme bildete hier die von Brasilien und anderen Staaten angemahnte Straflosigkeit für schwere Menschenrechtsverletzungen in Osttimor. Anstatt jedoch auf die Kritik an den gescheiterten Strafverfahren vor dem ad hoc-Tribunal in Jakarta einzugehen, behauptete der Vertreter Indonesiens lediglich, dass die Probleme der Vergangenheit nunmehr gelöst seien und bestätigte damit einmal mehr, dass von indonesischer Seite keine Initiative zur Aufarbeitung der in Osttimor begangenen Verbrechen zu erwarten ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der interaktive Dialog weder interaktiv noch ein Dialog war. Die indonesische Delegation zeigte keine Bereitschaft, auf kritische Fragen einzugehen, sondern versteckte sich hinter standardisierten Abwehrargumenten oder zog es vor, auf Lob für einen wenig relevanten Aktionsplan für die Menschenrechte mit noch mehr Eigenlob zu reagieren.
Mittlerweile liegt der Zwischenbericht über den interaktiven Dialog vor, der neben einer Zusammenfassung der Redebeiträge auch „Empfehlungen“ an die indonesische Regierung enthält. Letztere sind jedoch weniger Empfehlungen als vielmehr eine Wiederholdung der unkritischen Lobeshymnen des interaktiven Dialogs. Die Intention der Regierung, verschiedene internationale Menschenrechtsabkommen zu unterzeichnen wird ebenso begrüßt wie angebliche Anstrengungen zur Menschenrechtsbildung der Sicherheitskräfte. Die Kriminalisierung von Folter in dem Entwurf eines reformierten Strafgesetzbuches, dessen Verabschiedung wohl in weiter Ferne liegt, wird auch hervorgehoben. Unerwähnt bleiben dem entgegen die Menschenrechtslage in Papua, das Versagen beim Schutz religiöser Minderheiten wie der Ahmadiyah-Gemeinde, die prekäre Situation von Menschenrechtsverteidigern oder die systematischen Verletzungen der Indigenenrechte sowie zahlreiche andere bekannte Probleme.
Mitte Juni soll der UPR-Bericht zu Indonesien vom Menschenrechtsrat
verabschiedet werden. Bei den Verhandlungen hierzu bietet sich noch einmal
die Möglichkeit, die von verschiedenen UN-Organen und NRO vorgebrachten
Kritikpunkte und konstruktiven Vorschläge aufzunehmen. Andernfalls
steht die UPR zumindest im Falle Indonesiens bereits kurz nach ihrem Beginn
vor dem Scheitern. <>
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