Indonesien-Information, Nr. 2/1995 (Soziales)

 

Bandungs Becakfahrer und Straßenhändler zeigen ihren Unmut


In der westjavanischen Stadt Bandung scheint wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Die Geschäfte und Büros haben wieder geöffnet und die Straßen sind wie üblich verstopft. Doch das Militär ist weiterhin präsent, um einer befürchteten Folgedemonstration von Rikschafahrern und StraßenhändlerInnen rechtzeitig begegnen zu können.

Am 1. Dezember vergangenen Jahres demonstrierten ca. 4.000 Becakfahrer und StraßenhändlerInnen in Bandungs Straßen. Als hunderte von Ordnungskräften sie vor dem Rathaus aufzuhalten versuchten, griffen sie diese an und siehe da: die Polizisten nahmen verängstigt Reißaus! Wahrhaftig ein seltenes Ereignis in Indonesien, wo es in der Regel die DemonstrantInnen sind, die von den Ordnungskräften gejagt werden.

Anlaß für die Proteste war die Meldung gewesen, daß ein Becakfahrer von einem Polizeiauto angefahren und dabei tödlich verletzt worden sei. Später stellte sich die Meldung jedoch als falsch heraus. Zwar war der Becakfahrer tatsächlich angefahren worden, hatte aber nur eine Kopfverletzung erlitten.

Während der Demonstration kippte der Unmut der DemonstrantInnen in blinden Vandalismus um. Geschäfte und Autos, darunter auch Polizeifahrzeuge wurden zerstört. Die Polizei verhaftete insgesamt sieben Personen, die verdächtigt wurden, Unruhestifter gewesen zu sein.

Bandungs Bürgermeister, Wahyu Hamijaya, ignorierte die Proteste und erklärte, er werde die schon zwei Wochen laufende sogenannte "Operation zur Wiederherstellung der Ordnung" weiterführen. Im Rahmen dieser Operation waren bereits 281 Personen festgenommen worden, darunter 97 StraßenhändlerInnen und 105 Becakfahrer. Grund für ihre Verhaftung war die Tatsache, daß sie trotz offiziellem Verbot in bestimmten Straßen weiterhin ihren Geschäften nachgegangen waren.

Schon vorher war es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Becakfahrern und StraßenhändlerInnen einerseits und den Ordnungskräften andererseits gekommen.

Ein bekannter Fall ist die tragische Geschichte des Becakfahrers Sukardal, der sich vor neun Jahren an einem Baum erhängte, nachdem sein Becak - seine einzige Einkommensquelle - von der Polizei beschlagnahmt worden war. Er hinterließ einen Brief, in dem er die Brutalität der Ordnungskräfte in scharfen Worten anprangerte. Aufmerksamkeit erregte daraufhin Goenawan Mohamad, Schriftsteller und Chefredakteur der inzwischen verbotenen Zeitschrift Tempo, der eine seiner bekannten Randglossen "Catatan Pinggir" ("Am Rande bemerkt") dem Tod von Sukardal widmete.

Den Becakfahrern und StraßenhändlerInnen zufolge liegt das Hauptziel der Polizei ohnehin nicht darin, Bandungs Stadtbild sauberer und ordentlicher zu machen. In Wirklichkeit würden Polizisten aus dem Handel mit beschlagnahmten Becaks und den provisorischen Verkaufsständen und Garküchen der StraßenhändlerInnen profitieren.

Nach Beurteilung des Soziologen Barita Siregar kam es zu den Ausschreitungen während der Demonstration im Dezember aufgrund der wachsenden Unzufriedenheit von Becakfahrern und StraßenhändlerInnen. Er sieht in dem Konflikt das Produkt gegensätzlicher Lebensstile. Auf der einen Seite steht als Folge des Urbanisierungsprozesses die sogenannte "Unordnung", d.h. die verschiedenen Überlebensstrategien der Menschen zwischen formellem und informellem Sektor. Auf der anderen Seite versuchen die staatlichen Behörden um jeden Preis, den Städten ein sauberes und ordentliches Äußeres zu geben. Dabei greifen sie immer wieder auf autoritäre Maßnahmen zurück. Das Nachsehen dabei haben wie immer die Armen. /Kompas 2.12.94, Republika, 2. u. 3.12.94/ <>
 
 
 

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