Watch Indonesia!: Mit eurer Aktion habt ihr weltweit Aufsehen
erregt und ihr habt es geschafft, drei Jahre nach dem Santa Cruz-Massaker
das Augenmerk der Weltöffentlichkeit wieder auf den Kampf der Ost-Timoresen
um Selbstbestimmung zu lenken. Auch in Deutschland wurde in allen Medien
über eure Aktion und die Demonstrationen in Ost-Timor berichtet. Auf
das Gelände der US-Botschaft einzudringen, war nicht ohne Risiko.
Welches waren eure Motive, wie seid ihr bei der Planung und Durchführung
der Aktion vorgegangen?
Domingo: Anfangs dachten wir nicht im geringsten daran, die US-Botschaft zu besetzen. Ursprünglich wollten wir nur eine Demonstration vor der US-Botschaft starten. Einige von uns wurden kurz nach dem Aussteigen aus dem Zug im Bahnhof (Senen) von der Polizei grundlos verhaftet und so gab es folglich keine andere Alternative, als über den Zaun der Botschaft zu klettern.
Die US-Botschaft haben wir aus folgenden Gründen ausgesucht: Das mauberische Volk war und ist Opfer der globalen Strategien der USA und seiner Alliierten, vor allem während des Kalten Krieges (US-Präsident Gerald Ford und Henry Kissinger waren kurz vor der indonesischen Invasion nach Ost-Timor in Jakarta und gaben damals grünes Licht dazu). Auch nach Beendigung des Kalten Krieges sind wir weiterhin Opfer - jetzt allerdings um so mehr aus wirtschaftlichen Gründen. Der APEC-Gipfel war eine ideale Gelegenheit, die Welt und die internationale Staatengemeinschaft an das Massaker vom 12. November zu erinnern und daran, daß es unveräußerliche Rechte gibt, die auch dem mauberischen Volk keineswegs verwehrt werden dürfen.
Da wir sehr gut organisiert sind, haben wir den Plan für diese Operation in nur acht Tagen aufgestellt. Der Name der Operation war "Operasi Trepe" (Operation Stachel). Wir untersuchten die Situation auf Schwachstellen, sowohl bei den Indonesiern als auch bei uns. Somit konnten wir unsere Schwachstellen abstellen und die der Indonesier ausnutzen. Eine solche Schwachstelle waren die ständigen Drohungen der indonesischen Generäle kurz vor dem APEC-Gipfel, daß jede Demonstration während des APEC-Gipfels empfindlich gestört werden würde (oder: sie hart durchgreifen würden). Deshalb wählten wir diesen Zeitpunkt aus, um zu handeln.
WI: Nicht alle von euch haben es auf das Botschaftsgelände geschafft. Etwa 30 Ost-Timoresen wurden gleich am Bahnhof abgefangen. Wißt ihr, was mit ihnen passiert ist und habt ihr noch Kontakt zu ihnen?
Domingo: Einige von uns wurden gefangen genommen und die indonesischen Soldaten sind sehr brutal vorgegangen . Aufgrund internationalen Drucks sind zur Zeit alle wieder auf freiem Fuß. Direkten Kontakt zu ihnen haben wir nicht, aber über die Organisation stehen wir in ständigem Kontakt.
WI: Wie war die Situation auf dem Botschaftsgelände. Wie hat das Personal der Botschaft euch behandelt?
Domingo: Wir waren auf dem Parkplatz der Botschaft, voller Moskitos und mit Müllcontainern zu beiden Seiten. Mit dem Himmel als Dach schliefen wir auf dem Teerboden. Es gab dort einen Wasseranschluß, der dazu diente, die Autos der Botschaft zu waschen. Diesen nutzten wir als Dusche. Das Botschaftspersonal gab uns einen Mülleimer mit Plastiksäcken, der als Toilette benutzt werden konnte. Erst nach zwei Tagen erhielten wir etwas zu essen - Reis und Wasser, 2x täglich. Zwei von uns hatten sich beim Überklettern des Zaunes verletzt und wurden nicht sofort behandelt. Aufgrund dieser Umstände sind die meisten von uns krank geworden. Einer unserer Mitstreiter, Arlindo, ist so krank geworden, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Das waren die Zustände, die wir durchlebt haben, aber wir wollen uns darüber nicht beschweren. Das Botschaftspersonal ließ uns frei atmen, und was hervorzuheben ist, sie ließen es zu, daß wir uns auch mit den Journalisten unterhalten konnten. Sie mußten aber einen Mindestabstand von 6 Metern vom Zaun der Botschaft einhalten.
WI: Was wäre passiert, hätte man euch des Geländes wieder verwiesen?
Domingo: Wir sind davon überzeugt, daß es bei einem Aufgebot von fast 3.000 Journalisten für das Botschaftspersonal nicht so einfach gewesen wäre, uns des Geländes zu verweisen. Aber, hätten sie es getan, so wären wir sicherlich im Gefängnis gelandet.
WI: Habt ihr während der Aktion in Verbindung mit Journalisten gestanden oder hatte die indonesische Polizei das Gelände weiträumig abgeriegelt?
Domingo: Das einzige, was unsere Anerkennung findet, war die Tatsache, daß uns das Botschaftspersonal nicht den Mund verbot. So konnten wir mit den Journalisten reden, allerdings konnten wir uns mit den Journalisten nur schreiend unterhalten wegen der großen Entfernung und wegen der ständigen Behinderungen seitens der indonesischen Polizei.
WI: Wie verlief dann der Kontakt mit der portugiesischen Regierung und die Überführung nach Portugal?
Domingo: Über die Journalisten hatten wir wissen lassen, daß wenn unsere Forderungen abgelehnt würden, wir in großer Gefahr wären. Unter diesen Umständen hat die portugiesische Regierung eine sehr gute Rolle gespielt und unverzüglich gehandelt. Wir hatten keinen direkten Kontakt, außer mit der US-Botschaft. Wir erfuhren von dem US-Botschaftspersonal, daß Portugal uns aufnehmen möchte. Die Überführung wurde vom Internationalen Roten Kreuz in enger Zusammenarbeit mit der US-Regierung und ihrer Botschaft in Jakarta durchgeführt.
WI: Was waren dann letztlich die Beweggründe, das Angebot der portugiesischen Regierung anzunehmen?
Domingo: Wir hatten bereits viele negative Erfahrungen mit Indonesiern gemacht, deswegen schenkten wir den Garantien, die sie uns gaben, keinen Glauben. Und mit der Ausreise nach Portugal haben wir auch dafür Sorge getragen, die Untergrundorganisation in Ost-Timor zu schützen.
WI: Wie geht's jetzt weiter. Wie wollt ihr euch weiter für das Selbstbestimmungsrecht der Ost-Timoresen einsetzen?
Domingo: Es gibt verschiedene Formen des Kampfes, abhängig
von den jeweiligen Gegebenheiten. Unser Kampf hat sich jetzt auf die diplomatische
Ebene verlagert, in Ost-Timor und in Indonesien konnten wir nur im Untergrund
operieren.
Das Interview wurde geführt von zwei Mitgliedern der Watch Indonesia!
- Osttimor-Gruppe.
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