Ein Beispiel für Konflikte im Zusammenhang mit der Einrichtung
von Nationalparks ist der Kerinci Seblat Nationalpark. Indonesien-Information
dokumentiert dazu einen Artikel aus Down to Earth (DTE No. 24, August 1994).
In Verletzung ihrer eigenen Grundsätze und Versprechungen setzt die Weltbank ihre Unterstützung für das Kerinci Seblat Nationalpark-Projekt fort. Tausende von Menschen sollen umgesiedelt werden. Die von der Planung Betroffenen sind zunehmend mißtrauisch bezüglich der Motive der Regierung: Müssen sie wirklich für das Wohl von Südostasiens größtem Naturpark weichen - oder versucht die Regierung schlicht, sich ihres Landes zu bemächtigen?
Ein Bericht von Inmanov Tratovsky
Der Kerinci Seblat Nationalpark
Projektvorschläge nennen oft nur die Vorteile, die aus ihrer Durchführung erwachsen können. Auf einer allgemeinen Ebene kann den Pro-Argumenten selten widersprochen werden. Allzuoft jedoch zeigt sich, daß ein Projekt, das als Maßnahme zur Steigerung des Wohlstandes der Menschen propagiert wurde, in der Durchführung die Hauptursache für ihre Probleme wird.
Diese schon fast klassische Ironie von "Entwicklungs"projekten wird in den Plänen der indonesischen Regierung für den Kerinci Seblat Nationalpark (Taman Nasional Kerinci Seblat, TNKS) wiedereinmal bestätigt. Der TNKS wird eine Fläche von 1.484.650 ha umfassen und mehr als 4.000 Planzen-, 37 Säugetier- und 139 Vogelarten Schutz bieten. Doch, wie sich herausstellte, könnte das TNKS Projekt auch die Vertreibung von bis zu 20.000 Familien erfordern.
TNKS wird der größte Nationalpark in Südostasien werden. Wegen der Einzigartigkeit und Seltenheit seiner Flora und Fauna wird der Park als "Genbank" angesehen, als Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen und auch als interessante und wichtige Region für die Forschung. Daneben könnte er eine Rolle für den Tourismus spielen. Der Park wird als "Southeast Asian Heritage Site" beschrieben.
Das Projekt wurde Gegenstand kritischer Diskussionen, als die indonesische Regierung Ende 1991 plötzlich ankündigte, 2.596 Familien, die in der Umgebung des Parkes leben, durch Transmigrationsprojekte umsiedeln zu wollen, und zwar unter dem Vorwand, daß sie Schaden in der Schutzzone anrichten könnten. Diese Pläne würden 1.696 Familien in Jambi, 300 Familien in West-Sumatra, 400 Familien in Bengkulu und 200 Familien in Süd-Sumatra betreffen. Es ist nicht verwunderlich, daß dieser Vorschlag die Menschen, die seit Generationen dort leben, massiv beunruhigt hat. Von den 585 Familien, die bereits umgesiedelt worden waren, sind viele aufgrund schlechter Erfahrungen in den Transmigrationscamps wieder in ihre alten Häuser zurückgekehrt.
Während die lokale Bevölkerung so von Umsiedlung bedroht ist,
scheint der lokalen Industrie nichts derartiges zu drohen. Es gibt bereits
15 Holzeinschlag Konzessionen in der Pufferzone - z.B. hält PT Pasar
Baru 21.800 ha. Desweiteren finden sich dort 69 große Plantagen mit
Palmöl, Kaffee, Kakao, Ingwer, Kardamon und Hybrid-Kokosnuß
Anbau. Für diese Firmen scheint es keine Notwendigkeit zu geben, im
Namen des Schutzes der Biodiversität das Feld zu räumen!
Verwirrung über die Grenzen des Parkgebietes
Eines der noch zu klärenden Schlüsselprobleme ist die Festlegung der Parkgrenze. Die Einwohner der Umgebung des TNKS möchten, daß die Grenze entsprechend dem bereits von der holländischen Kolonialregierung für den TNKS bestimmten Gebietes verläuft (bereits damals galt das Gebiet als "geschützter Wald"). Würde die Regierung auf diese Wünsche hören, so wäre das Grenzproblem leicht zu lösen. Traditionell respektiert die Bevölkerung nämlich bei der Landnutzung schon immer die Grenze des Schutzgebietes. Bei verschiedenen Treffen von Regierungsvertreten, lokaler Bevölkerung und NGOs wurde vorgeschlagen, daß die vom Projekt Betroffenen in den Entscheidungsprozeß eingebunden werden sollten. Bei einem Seminar in Padang im Juli 1992 einigte man sich darüberhinaus auf eine gringfügige Verkleinerung des Schutzgebietes auf 1,2 Mio. ha. Doch unabhängig davon, was am Verhandlungstisch besprochen wird, was später wirklich geschieht ist oft eine ganz andere Frage. "Sie kamen zweimal in unser Dorf, nicht um uns zu fragen, nicht einmal, um uns zu informieren, sondern nur, um einseitig die Grenze festzusetzen", sagt A. Hakim, ein Dorfvorsteher aus Pesisir Selatan, West-Sumatra.
Die Folgen dieser Festsetzung ohne Konsultationen werden immer spürbarer. In vielen Dörfern wächst der Haß auf Regierungsvertreter, die mit TNKS zu tun haben. Aufgrund von Informationsdefiziten sieht die Bevölkerung der Umgebung Regierungsstellen als Instrumente ihrer Vertreibung an. In einigen Fällen verlassen die Leute zeitweise ihr Dorf und schlafen in den Feldern, wenn sie hören, daß ein Regierungsvertreter im Zusammenhng mit dem Parkprojekt kommt. So wollen sie ihren Protest zeigen.
Die offensichtliche Abneigung der Regierung, mit der Bevölkerung
zu sprechen, macht die Situation noch schwieriger. Den Bewohnern des Dorfes
Ulu Tekenong in Bengkulu - deren Haupteinkommensquelle das Goldwaschen
ist - scheint der Plan der Regierung, sie umzusiedeln, eher ein Trick,
um die Goldressourcen zu übernehmen. Dieser Verdacht macht sich auch
in Pesisir Selatan breit. Anfang 1990 wurden in Tuiak Kampung Baru Untersuchungen
für ein größeres Bergbauprojekt durchgeführt. Nachdem
die Studie fertiggestellt war, ordnete die Regierung den Umzug der Dorfbewohner
an und begründete das mit dem TNKS. Aus einleuchtenden Gründen
vertrauten die Menschen der Regierung nicht und schenkten den Erklärungen,
weshalb sie umziehen sollten, keinen Glauben. Das Mißtrauen der Bevölkerung
- daß sie umgesiedlt werden sollen, um der Großindustrie den
Zugang zu ermöglichen - entbehrt nicht der Grundlage. In Napal Licin,
Süd-Sumatra, begann beispielsweise ein niederländisches Tourismusunternehmen
just dann in der Umgebung zu operieren, als die Regierung gerade größte
Anstrengungen machte, die Bevölkerung zur Umsiedlung zu bewegen. "Solche
Aktionen sorgen für Verwirrung in der Bevölkerung". meint dazu
Bambang, ein NGO Aktivist aus Palembang.
Wie wird die Weltbank reagieren?
Die Rolle der Weltbank bei der Finanzierung des TNKS Projektes wurde von NGO-Vertretern hinterfragt, die aufgrund früherer Erfahrungen mit der Weltbank besorgt sind. Für gewöhnlich argumentiert die Weltbank, daß Menschenrechtsfragen und Umweltauswirkungen nicht unter ihre Verantwortung fallen sondern Sache der Kreditnehmerregierung sind.
Bei einem Treffen von NGO-Vertretern mit einem Team der Weltbank am 3. Dezember 1992 sagte Jessica Mott von der Weltbank, daß diese Negativurteile über die Bank veraltet sein. "Es ist gerade, um den Ruf der Weltbank zu verbessern, daß sie sich an dem TNKS Projekt beteiligt - einem Projekt, das ganz klar für die Umwelt ist." stellte sie fest.
Laut Frau Mott ist es der Weltbank besonders wichtig, daß die vom Projekt betroffene Bevölkerung von Anfang an in den ganzen Prozeß eingebunden wird. Ja, bei dem erwähnten Treffen in Padang (s.o.) versprach die Welbank, ihre Finanzierung zurückzuziehen, wenn
a) Menschen aus der Umgebung des Parkes zur Umsiedlung gezwungen würden;
b) die geplante 60 km Straße vom Kambang nach Muaru - mitten
durch das Nationalparkgebiet! - weitergebaut oder
c) die Zerstörung der TNKS Gebietes fortgesetzt würde.
Aber wieder einmal kann das, was am runden Tisch besprochen wurde, ziemlich genau das Gegenteil von dem sein, was nachher wirklich passiert. Zum Beispiel die Umsiedlungsfrage: Wie sehr auch immer die Weltbank beteuern mag, daß Vertreibungen nicht stattfinden werden, Tatsache ist, daß die Provinzregierung von Jambi bereits 585 Familien aus der Region umgesiedelt hat. Tatsache ist auch, daß die Umsiedlungen in Jambi, West-Sumatra, Bengkulu und Süd-Sumatra von der Regierung weiterhin vorangetrieben werden.
BAPPEDA, die lokale Planungsbehörde der Regierung, will auch weiterhin die oben genannte Straße bauen, obwohl bislang erst 7 km fertiggestellt sind. Diese Beispiele reichen eigentlich, um das mangelnde Verständnis der mit dem TNKS befaßten Behörden deutlich zu machen. Wird die Straße wirklich zu Ende gebaut, so ist klar ersichtlich, daß sie die freie Bewegung der Tiere innerhalb des ganzen Parkes unmöglich machen, damit seinen Wert als Schutzzone stark vermindern und insgesamt den Anspruch des TNKS, ein Naturschutzgebiet zu sein, Lügen strafen wird.
Es wird offensichtlich, daß viele dringende Probleme bezüglich
des Nationalparkes zu lösen sind. Die Vertreibung der Einwohner der
Umgebung des Parkgebietes garantiert mitnichten sein Überleben. Wenn
die Weltbank ihre Finanzierung des Projektes fortsetzt, während tiefste
Verwirrung über das Verhalten der indonesischen Regierung herrscht,
so wird das Ansehen der Weltbank in den Augen der indonesischen Bevölkerung
weiter sinken. <>
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