Neben dem eigentlichen Beruf noch einer Zweit- oder gar Drittbeschäftigung
nachzugehen, ist ein in Indonesien weitverbreitetes Phänomen. Viele
Beamte der unteren Dienstgrade können nur als Mehrfachverdiener ihre
Familie ernähren. In höheren Stellungen ist dagegen weniger die
schiere Not als vielmehr die Möglichkeit, Macht ausüben zu können,
Grund für die allgegenwärtige Ämterhäufung. Der neueste
Trend in Indonesiens Elite ist die Zweitbeschäftigung im Medienbusiness.
Am 2. Februar erschien die erste Ausgabe des neuen Nachrichtenmagazins
Tiras. Die Zeitschrift, die zunächst unter dem Namen Proaktif erscheinen
sollte, ist Nachfolgerin des im Juni letzten Jahres zusammen mit Tempo
und Detik verbotenen Magazins Editor (s. Indonesien-Information, Aug. 94).
Tiras erscheint beim ehemaligen Herausgeber von Editor und unter Leitung
des früheren Chefredakteurs, der seinen Posten wiederbesetzen durfte.
Auch in Stil und Aufmachung entspricht Tiras weitgehend seinem Vorgänger
Editor. Hat sich nach der mehrere Monate langen Zwangspause also nur der
Name geändert?
Der Arbeitsminister übernimmt Editor...
Wohl kaum. Denn neuer Anteilseigner von Tiras ist Abdul Latief, Arbeitsminister
im Kabinett Suharto. Abdul Latief war bereits mehrfach ins Gerede gekommen.
Denn neben seinem Amt als Minister ist Abdul Latief auch Besitzer eines
großen Textilunternehmens sowie des Nobelkaufhauses Sarinah Departement
Store. Wie schwierig es ist, Amtsgeschäfte und Privatinteressen auseinanderzuhalten,
zeigte sich, als ArbeiterInnen und Angestellte in Abdul Latiefs Unternehmen
in Streik traten - just zu einem Zeitpunkt als der Arbeitsminister auf
einer Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf weilte
(s. Indonesien-Information, Sep. 93). Die Tatsache, daß der Arbeitsminister
kraft Amtes auch noch eine hohe Position in der staatlichen Einheitsgewerkschaft
SPSI einnimmt, erhöht auch nicht gerade das Vertrauen in seine Unabhängigkeit.
... Bob Hasan kauft Tempo...
Abdul Latiefs Einstieg bei Tiras folgt demselben Muster, das vor kurzem schon bei Gatra Anwendung fand. Das Magazin Gatra versucht in die Fußstapfen des verbotenen Nachrichtenblattes Tempo zu treten. Mit einer Handvoll ehemaliger Tempo-Redakteure versucht Gatra das Vorgängermodell so gut es eben geht zu kopieren. Die Gestaltung des Titelblattes ist ebenso Tempo nachempfunden wie die übrige Aufmachung - nur am Inhalt muß noch etwas gearbeitet werden... Gatras Erscheinen wurde ermöglicht durch die Beteiligung des Tropenwaldkönigs und Suharto-Intimus Bob Hasan an dem Unternehmen. Kaum wahrscheinlich, daß Bob Hasan seine Rolle als Anteilseigner nicht dazu benutzt, um kritische Berichterstattung zu verhindern (s. Indonesien-Information, Nov. 93).
Wie, um zu beweisen, daß Tiras größere redaktionelle Freiheit genießt als das bereits vielgescholtene Bob Hasan-Blatt Gatra, beinhaltete die erste Ausgabe von Tiras gleich eine Fülle von "gewagten" Beiträgen. Die Titelgeschichte befaßte sich mit dem sensiblen Thema der neuesten Umstrukturierungen in der Führung des Militärs. Daneben gab es Beiträge von Arief Budiman, der aus Protest gegen die Medienpolitik unlängst zum Boykott von Gatra aufgerufen hatte, und von Emha Ainun Nadjib, der bekanntermaßen dem verbotenen Detik eng verbunden war. Ein Interview über die Medienpolitik mit Goenawan Mohammad, bis Juni 1994 Herausgeber von Tempo, und eine Karikatur über Informationsminister Harmoko rundeten das Ganze ab. Bleibt abzuwarten, wie "mutig" sich Tiras auf lange Sicht zeigen wird.
Wohl keine Chance auf einen Nachfolger hat das dritte im Juni letzten
Jahres verbotene Blatt, Detik. Oder sollte sich doch eine finanzkräftige
InvestorIn finden, die sich ihren Platz auf dem Zeitungsmarkt sichern möchte?
Wie wär's, Mbak Tutut?
... und Harmoko beherrscht die übrigen Medien
Informationsminister Harmoko sagte zum Jahreswechsel, er hoffe, daß 1995 keine Zeitungen verboten werden müßten. Es gebe allerdings immer noch Massenmedien, die gegen den Kodex für journalistische Ethik verstoßen würden. Harmoko erklärte weiter, 1995 würden keine allgemeinen Nachrichtenblätter mehr zugelassen, denn "es gibt schon zu viele davon, insgesamt 283, das muß man sich mal vorstellen!", meinte er. Lediglich Fachzeitschriften, etwa im Wirtschaftsbereich, hätten noch eine Chance, neu zugelassen zu werden /Merdeka, 27.12.94/.
In seiner dritten Amtsperiode als Minister für Zensur und Propaganda besitzen Harmoko und seine Familienangehörigen direkt oder indirekt Anteile an 31 Zeitungen. Darunter sind das Sex-and-Crime-Blatt Pos Kota, Bola, die indonesische Version der Fußballzeitschrift Kicker, die Kinderzeitschrift Hopla, die Tageszeitungen Bernas, Jakarta Post, Bisnis Indonesia und Suara Pembaruan, die Frauenzeitschriften Kartini, Sarinah, Pertiwi u.v.a. Mit Ausnahme der Anteile an der Pos Kota-Gruppe erlangte Harmoko all diese Beteiligungen erst nach seiner Berufung zum Minister (s. Kasten). Neue Lizenzen werden nur vergeben, wenn Harmoko zu mindestens 20 % der Anteile an der Zeitung erhält. Auch an den Fernsehstationen SCTV und ANTEVE ist Harmoko beteiligt.
Nachforschungen der illegalen Zeitung Independen, die von AJI, der Allianz
unabhängiger JournalistInnen herausgegeben wird, ergaben, daß
Harmoko für seine Anteile an Pressemedien nichts bezahlen mußte.
Der Minister erhielt die Beteiligungen als Gegenleistung für Neuzulassungen
oder als Geschenk von "problematischen" Medien. Dazu kommen noch hohe Zahlungen
(Rp. 200-250 mio, ca. DM 140.000,- - 180.000,-), die für Neuzulassungen
zu entrichten sind, sowie regelmäßige monatliche Zahlungen an
Harmoko in Höhe von Rp. 5-10 mio (ca. DM 3.500 - 7.000,-) - alles
legal. Zwar gibt es das Gesetz PP No. 30/1980, das Beamten die Beteiligung
an Firmen, die unter ihren Zuständigkeitsbereich fallen, verbietet,
aber nach indonesischem Recht sind Minister keine Beamten und das Gesetz
ist somit für sie nicht relevant /Independen, Nr. 10, 10.1.95/.
Beteiligungen der Familie Harmoko an den Medien |
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1. | Pos Kota |
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2. | Terbit |
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3. | Pos Film |
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4. | Sehat |
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5. | Family |
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6. | Majalah Film |
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7. | Warnasari |
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8. | Serasi |
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9. | Aksi |
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10. | Bisnis Maritim |
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11. | Citra |
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12. | Bola |
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13. | Surya |
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14. | Hopla |
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15. | Bernas |
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16. | Jakarta Post |
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17. | Bisnis Indonesia |
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18. | Indonesia Business Weekly |
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19. | Sarinah |
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20. | Pelita |
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21. | Sportif |
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22. | Prospek |
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23. | Kartini |
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24. | Pertiwi |
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25. | Suara Pembaruan |
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26. | Editor |
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27. | Monitor |
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28. | SCTV |
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29. | ANTEVE |
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30. | Radio Kayumanis FM |
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31. | PT Radio Rakosa FM |
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Erklärung:
1. * Harmoko besitzt Anteile in unbekannter Höhe 2. Für jede neue Lizenzerteilung muß Schmiergeld in Höhe von Rp. 250 mio bezahlt und mindestens 5 % Anteile abgegeben werden /Independen, Nr. 10, 10.1.95/ |
Wer braucht die Lizenzen?
Es entbehrt nicht einer gewissen Logik, wenn Ex-Tempo-Herausgeber Goenawan Mohamad meint, die Notwendigkeit einer Lizenz zur Publikation einer Zeitung (SIUPP) sei nicht nur auf die rigide Politik der Regierung zurückzuführen, sondern liege auch im Interesse einiger Verleger, die sich damit "unseriöse" Konkurrenz vom Leibe halten wollen. Tatsächlich können sich nur Großverleger - Konglomerate - die Gebühren leisten, die zur Erlangung einer solchen Lizenz entrichtet werden müssen. Immer mehr Reiche, die eigentlich nicht aus dem Presseumfeld stammen, steigen daher ins Mediengeschäft ein, darunter Minister Habibie (Tageszeitung Republika), Suhartos Schwager Sudwikatmono (Magazin Sinar), Tropenholzkönig Bob Hasan (Sportzeitung Sportif, Paron und Tempo-Nachfolger Gatra) und nun Arbeitsminister Abdul Latief (Tiras).
Als erst 267 Zeitungen auf dem Markt waren, hatte Zensurminister Harmoko
schon einmal verkündet, für neue Printmedien sei kein Platz mehr.
Dennoch fand sich ein Plätzchen für Republika und Sinar...
Vernichtungsfeldzug gegen unabhängige Presse
Wirklich unabhängig sind nur einige kleinere Zeitungen, die illegal erscheinen. Hier ist besonders die Zeitschrift Independen zu nennen, die von namhaften JournalistInnen der AJI (Aliansi Jurnalis Independen) gemacht wird. Ein Artikel über die Medienkontrolle durch Minister Harmoko aus Independen Nr. 10 (der Artikel diente als Quelle für den vorliegenden Text, d. red.) könnte der Auslöser für ein effektives Verbot der bislang geduldeten Zeitschrift gewesen sein.
The West Australian berichtete am 21.2.1995, daß der indonesische Geheimdienst Razzien in den Redaktionsräumen von fünf illegal erscheinenden Zeitschriften angeordnet habe. Dazu zählten nach Angaben des West Australian die vier in Jakarta erscheinenden Zeitschriften Indpenden (Hrsg.: AJI), Mitra (bereits seit einigen Monaten verbotene feministische Zeitschrift, Hrsg.: Kalyanamitra, s. Indonesien-Information Nr. 3/94), Kabar dari Pijar (Hrsg.: Yayasan Pijar) und Kompak (ein Menschenrechtsbulletin in der Aufmachung der führenden Tageszeitung Kompas). Ebenfalls betroffen sei Bina Darma, ein Magazin der fortschrittlich-christlichen Stiftung Bina Darma in Salatiga.
Kurz vor Redaktionsschluß erreichten uns aus Jakarta Meldungen über den Vollzug der genannten Anordnung. Am 9. März durchsuchten Polizeikräfte die Büros von Yayasan Pijar und beschlagnahmten Computer, Disketten und anderes Material. Pijar-Mitarbeiter Try Agus Susanto wurde festgenommen und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Zwei weitere Mitglieder der Organisation, Hakim Hatta und Rahland Nashidik, der seit der Inhaftierung Nuku Suleimans wegen Beleidigung des Präsidenten ("SDSB - Suharto Dalang Semua Bencana; Suharto ist der Urheber allen Übels, s. Indonesien-Information, März 94) geschäftsführender Vorsitzender ist, werden per Haftbefehl gesucht und halten sich derzeit versteckt. Rahland Nashidik war im November 1994 bei Watch Indonesia! in Berlin zu Gast. Am 10. März erschien die Polizei erneut bei Yayasan Pijar und verhaftete Mohammed Syahrul, der nach der Razzia vom Vortag der Nachrichtenagentur Reuters über den Vorfall berichtet hatte. Syahrul wurde drei Tage später wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch die Büros der Allianz des demokratischen Volkes (ALDERA) wurden durchsucht.
Genau eine Woche später, am 17. März, holte die Polizei zum Schlag gegen AJI (Aliansi Jurnalis Independen) aus. AJI veranstaltete im Hotel Wisata International in Jakarta eine Feierlichkeit (halal bihalal) anläßlich des zu Ende gegangenen Fastenmonats Ramadhan. Zu der Feierlichkeit waren auch prominente Kritiker wie der Dichter Rendra und der Politiker Sri Bintang Pamungkas zugegen, die flammende Reden gegen die Regierung hielten. Die Polizei stürmte die Feier und nahm fünf Personen vorübergehend fest, darunter die AJI-Mitglieder Ahmad Taufik und Linton P. Siregar sowie Sri Bintang Pamungkas. Ahmad Taufik hatte im September 1994 am Protest gegen das EU/ASEAN-Außenministertreffen in Karlsruhe teilgenommen (s. Indonesien-Information Nr. 1/95) und besuchte Watch Indonesia! in Berlin. Sri Bintang Pamungkas wird Ende März auf Einladung von Watch Indonesia! zur Hannovermesse nach Deutschland kommen (oder doch nicht??). Die Verhafteten wurden einige Stunden lang im Polizeipräsidium festgehalten, ohne daß sich irgendjemand für sie interessierte. Weit nach Mitternacht durften sie das Polizeipräsidium wieder verlassen. Doch bereits wenige Stunden später, um fünf Uhr morgens, kam die Polizei zu Ahmad Taufik nach Hause, legte einen Haftbefehl vor und nahm ihn erneut fest.
Die jüngsten Informationen stützen sich in wesentlichen Teilen
auf Mitteilungen einer Gruppe, die sich Solidaritas Indonesia Untuk Pembebasan
Pers (Indonesische Solidarität für die Pressefreiheit), abgekürzt
SIUPP, nennt - in Anspielung auf die Lizenz zur Publikation von Presseerzeugnissen
SIUPP (Surat Izin Untuk Penerbitan Pers). <>
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