Indonesien-Information, Nr. 2/1995 (Militär)

 

Kurswechsel innerhalb des Militärs?

Der Militärsprecher für soziale und politische Angelegenheiten, General R. Hartono, wurde von Präsident Suharto zum Oberbefehlshaber des Heeres ernannt. Damit wurde er Nachfolger von General Wismoyo Arismunandar, Suhartos Schwager. Wird Hartono der Position von Habibie und ICMI größeres Gewicht verschaffen? Bietet seine Ernennung vielleicht eine Chance für die Lösung des Ost-Timor-Problems?
 

Es ist zum ersten Mal, daß ein Militärsprecher für soziale und politische Angelegenheiten zum Oberbefehlshaber befördert wurde. Auf der üblichen Karriereleiter, wie sie die Vorgänger im Amt, General Try Sutrisno und Wismoyo Arismunandar, beschritten hatten, war die Vorstufe zum Heereschef der Posten des Vize-Oberbefehlshabers /Jawa Pos, 9.2.95/. Der Militärbeobachter Salim Said sagte, der Grund für die Absetzung General Wismoyos sei seine zu große Freude am Improvisieren gewesen. Wismoyo soll dabei Organisationsfehler gemacht haben. Vor allem hat er die Kommandotruppe Brigade Kujang des Bezirkskommandos West-Java und ein Trainingszentrum wiederbelebt, die während Benny Moerdanis Zeiten liqiudiert worden waren. "Die Reorganisation war unlogisch. Sie war zu teuer, nicht vereinbarbar mit dem Militärbudget und auch uneffektiv," sagte eine anonyme Quelle /Tiras, 2.2.1995/.

General Wismoyo Arismunandar mußte, obwohl er mit Suharto verschwägert ist - Suhartos Frau ist die Schwester von Wismoyos Frau - auch deswegen abdanken, weil es ihm während seiner Amtszeit nicht gelungen war, Abdurrahman Wahid (Spitzname Gus Dur), dem unbequemen Vorsitzenden der größten islamischen Organisation Nadhatul Ulama (NU), Einhalt zu gebieten. Wismoyo konnte nicht verhindern, daß sich Gus Dur zur Wahl stellte, und er hat dem zuständigen Bezirkskommandeur keine Anweisung gegeben, die Delegierten der NU von der Wahl Gus Durs abzuhalten - obwohl Präsident Suharto dazu aufgefordert hatte.

Suhartos Mißtrauen gegenüber seinem Schwager ist von diesem selbst verschuldet. Vor mehreren Obersten hatte Wismoyo einmal gesagt, daß er, wenn das Volk den Rücktritt Suhartos fordere, sich dem Willen des Volkes beugen werde /Independen Nr. 11, 31.1.95/.

Suhartos Macht ist abhängig vom Militär. Deshalb wurden ehemalige Adjutanten Suhartos zum Heereskommandandeur und zum Polizeikommandandeur von Jakarta bestellt. Während der gesamten Zeit der Neuen Ordnung besetzte Suharto Positionen wie die der Heereskommandeure und der Kommandeure der Elitekorps sorgfältig mit Leuten seines Vertrauens. Suharto achtet vor allem auf die Besetzung der Positionen der Heereskommandeure von Jakarta, West-Java, Mittel-Java und Ost-Java sowie des Kommandeurs der Elitetruppe Kopassus (Komando Pasukan Khusus) und des Kommandeurs des Strategischen Heereskommandos (Panglima Komando Strategis Angkatan Darat). Der Oberbefehlshaber des Heeres hat eigentlich nur eine administrative Funktion, spielt aber in Krisenzeiten eine entscheidende Rolle. Als es beispielsweise während der Staatskrise im Jahre 1974, die unter dem Namen Malari (Malapetaka limabelas Januari) bekannt wurde, zu schweren Auseinandersetzungen zwischen dem damaligen Chef für Ordnung und Sicherheit (Pangkopkamtib) General Sumitro und Suhartos Berater, General Ali Moertopo, kam, drohte der Oberbefehlshaber des Heeres, General Surono, das Heer werde den "dritten" Weg wählen.

Seit der Zeit als Benny Moerdani Oberbefehlshaber des Militärs war, ist eine Karriere im Militär nur von den Kommandeuren der Eliteeinheiten und den Adjutanten der Präsidialgarde abhängig. Absolute Loyalität zu Suharto ist gefragt. Allerdings zeigen hohe Militärs, die eine solche Karriere bereits hinter sich haben, wie beispielsweise Vizepräsident General Try Sutrisno, im Zweifelsfall größere Loyalität gegenüber der Truppe als gegenüber dem Präsidenten. General Benny Moerdani, Try Sutrisno und Edi Sudradjat bauten innerhalb des Militär systematisch eine pyramidenförmige Machthierarchie auf, die es zu einer gewaltigen Maschinerie werden läßt. Wie ein Bulldozer könnte diese Maschinerie jederzeit alle überwältigen, einschließlich der Regierungspartei Golkar und deren Ältestenrat, dem Präsident Suharto angehört /Radio Niederlande, 19.01.95/.
 

Ost-Timor wird für das Militär zur Frage der Ehre

General Hartono steht Präsident Suharto sehr nahe. Suhartos Interesse ist es, das Militär zu einigen, bevor im Jahr 1998 die Regelung seiner Nachfolge ansteht. General Hartono ist ein guter Moslem und steht der islamischen Intelektuellenvereinigung ICMI um Minister Habibie nahe, erklärte der australische Wissenschaftler Harold Crouch. Nach Aussage des Militärbeobachters Yahya Muhaimin von der Gajah Mada Universität, wurde die Ernennung von Hartono unter anderem damit begründet, daß er als bisheriger Militärsprecher für soziale und politischen Angelegenheiten die Rolle des Militärs auf diesem Gebiet verstärken soll /Jawa Pos, 9.2.95/.

Doch General Hartono stößt auf wenig Gegenliebe seitens der Gruppe um General a.D. Benny Moerdani - die Gruppe ist maßgeblich für die Annektion von Ost-Timor verantwortlich. Moerdani und seine Vertrauten sehen die Versuche von ICMI, die Situation in Ost-Timor zu überdenken und dabei sogar eine Autonomie in Betracht zu ziehen, mit Mißgunst (s. Indonesien-Information, Nr.1/1995). Die Gruppe um General Benny Moerdani, die sich als 'rot-weiß' (d.h. nationalistisch gesinnt) bezeichnet, ist strikt gegen die Autonomie oder gar die Unabhängigkeit von Ost-Timor.

Zu der rot-weißen Gruppe zählen unter anderem 44 Generalmajore und 33 Brigadege~ neräle, die nun versuchen, ihre Macht zu zeigen, um die diplomatischen Versuche von Seiten Habibies und der ICMI scheitern zu lassen. Über den Geheimdienstapparat, der sich der Kontrolle des Oberbefehlshabers der Streitkräfte General Feisal Tanjung entzieht, hat die Ketchup-Mayonnaise-Gruppe ihre Aktivitäten intensiviert. Sie werden als Urheber des Ninja-Terrors gesehen, der zur Zeit in Ost-Timor herrscht. So wie das Massaker von Santa Cruz 1991 als eine Absage des Militärs an Bemühungen, das Ost-Timor-Problem auf diplomatischem Wege zu lösen, zu verstehen war, so ist man nun besorgt, daß mit den Ninja-Operationen versucht wird, den Status Quo in Ost-Timor mit allen Mitteln zu zementieren /Radio Niederlande, 17.02.95/.
 

Kurswechsel der Allianz von Suharto

Arief Budiman meint, zur Zeit finde eine Veränderung des wirtschaftlich-politischen Kurses der Neuen Ordnung statt. Die "Allianz Neue Ordnung-Chinesen-Katholiken-Ali Moertopo" werde jetzt abgelöst durch die "Allianz Neue Ordnung-Einheimische-Islam-Habibie-CIDES" (CIDES - Centre for Information and Development Studies, Habibies think tank, d. red.). Der Grund für diese neue Allianz liegt nach Ariefs Auffassung in Meinungsverschiedenheiten zwischen Suharto und einem Teil der Generäle, die 1988 gegen die Nominierung Sudharmonos zum Vizepräsidenten waren. "Der Charakter der beiden Allianzen ist unterschiedlich," erklärt Arief. "Bei der Allianz Neue Ordnung und Chinesen wird das Militär zur Wahrung der Sicherheit gebraucht, während die neue Allianz Neue Ordnung-Islam von alleine sicher ist, weil der Islam die Mehrheit stellt."

Die Veränderung innerhalb des Militärs zeigt, wohin die Reise gehen soll. Die Zusammensetzung innerhalb des Parlaments (DPR), des Kabinetts und der Führungskräfte der Regierungspartei Golkar weisen bereits seit längerem auf diese neue Allianz hin. Jetzt kommt das Militär an die Reihe. Der Oberbefehlshaber des Militärs, General Feisal Tanjung steht Habibie nahe. Und der neue Oberbefehlshaber des Heeres, General Hartono, Sohn eines Kiai (Gelehrten) der islamischen Schule (Pesantren) in Madura, paßt ebenfalls in das Schema /Tiras, 2.2.1995/. <>
 
 

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