Indonesien-Information, Nr. 2/1995 (Umwelt)

 

Die Rolle der lokalen Bevölkerung für den Naturschutz in Nationalparks


Angesichts des weltweit immer rascheren Ressourcenverbrauches stellt sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend die Frage, wie wir Teile unserer Umwelt diesen Einflüssen entziehen und natürlich erhalten können. Insbesondere typische Ökosysteme und ihre biologische Vielfalt sollten vor dem Hunger der Menschheit nach neuem Ackerland und neuen Holzeinschlaggebieten geschützt und als gemeinsames Erbe bewahrt werden.

Nachdem bereits eine ganze Reihe von Pflanzen- und Tierarten ausgestorben und sehr viele weitere vom Aussterben bedroht sind, wird immer lauter danach gerufen, Rückzugsgebiete zu schaffen und bestimmte Lebensräume zu erhalten, um eine weitere Abnahme der Tier- und Pflanzenarten zu verhindern; denn eine einmal verschwundene Art bleibt unserem Planeten für immer verloren. Einige Leute argumentieren, daß wir die Pflicht haben, verantwortungsvoller mit der Schöpfung umzugehen, da sie uns gegeben wurde, um sie sorgsam zu nutzen, nicht um sie zu zerstören. Ein anderes Argument, inzwischen bereits ein Slogan, lautet, daß "wir die Erde nur von unseren Kindern nur geliehen haben" (und nicht etwa von unseren Eltern geerbt). Will sagen, daß wir diese Welt an unsere Kinder und Enkel weitergeben werden und deshalb die vorhandenen Ressourcen bedachtsam nutzen sollten, damit nicht unsere Nachkommen später unter unseren Sünden gegenüber der Natur zu leiden haben.
 

Naturschutz durch Nationalparks

All diese Argumente führen schließlich zum Konzept von Naturschutz im allgemeinen und zur Idee von Nationalparks im besonderen - in Indonesien ebenso wie überall sonst auf der Welt. Doch das Problem des Naturschutzes kann nicht durch die bloße Entscheidung, Nationalparks zu gründen, gelöst werden.

Solche Schutzgebiete werden nämlich nicht in "leeren", von Menschen seit je her unberührten Gebieten eingerichtet, sondern die Nationalparkareale sind zwar dünn besiedelt, aber doch zumeist schon seit sehr langer Zeit bewohnt.

Die Entscheidung, einen Nationalpark zu schaffen, wird zudem natürlich nicht regional sondern von der Zentralregierung getroffen. Abgesehen von den dadurch entstehenden Schwierigkeiten der Regionalregierungen bei Einrichtung und Überwachung eines neuen Nationalparks - was geschieht mit den Menschen, die traditionell in dem betroffenen Gebiet leben? Wie kann mit dem Konflikt Naturschutz gegen Lebensraum von Menschen umgegangen werden?

In Indonesien ist ein typisches Nationalparkgebiet spärlich besiedelt, der Bewuchs besteht hauptsächlich aus Primärwald, also unberührtem Regenwald. Infrastruktur, wie Straßen, Elektrizitätsversorgung etc., gibt es dort wenig oder gar nicht. Die landwirtschaftliche Produktion beschränkt sich im wesentlichen auf Reis, Gemüse und Obstanbau im Rahmen von Subsistenzwirtschaft. Auch für den Verkauf werden hauptsächlich Pflanzen angebaut, die weder Dünger noch Pestizide benötigen. Die Produkte müssen sich auch leicht transportieren, gut verkaufen und zeitweise lagern lassen, weil Märkte in diesen Gegenden oft nur schwer erreichbar sind. Im Flachland auf den rot-gelben Podsolböden mit geringer natürlicher Fruchtbarkeit überwiegt so die Kautschukproduktion, während im Hochland häufig Zimt angebaut wird. Zur weiteren Ergänzung des Einkommens dienen Produkte wie Rattan, Harze und Heilpflanzen, die direkt im Primärwald gesammelt werden können.
 

Menschen stören das Konzept

Die Menschen, die so leben, sind völlig abhängig von der sie umgebenden Natur. Daher haben sie zumeist ein weitreichendes Wissen über Pflanzen und Böden; sie wissen die Natur zu nutzen ohne sie zu zerstören - einfach weil sie auf ihren Erhalt angewiesen sind.

Da das strikte Konzept der Nationalparks jedoch grundsätzlich keinerlei menschliche Eingriffe gestattet, sind auch diese Waldbauern in den Augen vieler Naturschützer eine Beeinträchtigung der Parks. Das alte Märchen vom waldzerstörenden Wanderfeldbau wird hervorgekramt, um die Bauern zu verurteilen und ihre Entwurzelung und Umsiedlung zu rechtfertigen.

Aber die Antwort auf die Frage nach einem wirkungsvollen Schutz der Parks ist nicht so einfach wie sie scheint. Die Bedrohung der Gebiete setzt sich aus vielen Faktoren zusammen, deren bedeutendster mit Sicherheit nicht die Kleinbauern in den Waldgebieten sind! Doch wir wollen uns zunächst näher mit genau diesem Punkt befassen.

Was sind die Hauptursachen für Eingriffe indigener Waldbewohner in den Primärwald? Zunächst gibt es Unterschiede in der Definition von Staatswald durch die Regierung ("alle Waldgebiete sind Staatswälder") und den traditionellen (adat) Landrechten der lokalen Bevölkerung. Folge davon ist, daß die Waldbauern nicht verstehen, warum z. B. Holzfirmen in den Randgebieten der Nationalparks Einschlag betreiben dürfen, während ihnen der - im Vergleich dazu sehr kleine - Eingriff, ein Reisfeld im Wald anzulegen, untersagt wird. Es ist für sie sehr schwer nachzuvollziehen, warum Firmen von weither kommen und in großem Maßstab Holz einschlagen dürfen, während ihnen, die seit Generationen dort leben, nicht einmal gestattet wird, einige wenige Bäume zu fällen.

Zum zweiten dürfte das Konzept eines Nationalparks einfachen Bauern ziemlich abstrakt vorkommen, da sie nicht viel über die Welt außerhalb ihres Lebensbereiches wissen und keine Vorstellung von Begriffen wie "Ressourcen" oder "Erhaltung der Biodiversität" oder dem, was diese Begriffe für sie bedeuten, haben. Drittens haben sie keine andere Wahl, als ab und zu neue Felder im Wald anzulegen, wenn sie überleben wollen. Es muß hinzugefügt werden, daß der Anteil von im Wanderfeldbau neuangelegten Feldern im Primärwald im Vergleich zu im Sekundärwald angelegten sehr gering ist, weil Sekundärvegetation leichter zu roden ist, und auch weil Felder in der Nähe des Dorfes weit entfernten vorgezogen werden. Letzteres kann sich jedoch rasch ändern, wenn der Wald plötzlich durch von Holzfirmen gebaute Straßen leicht zugänglich wird. ... Wobei wir wieder bei Punkt zwei wären.... .
 

Wer bedroht wirklich die Nationalparks?

Offenbar handelt es sich hier um ein komplexes Problem, das sich nicht leicht lösen läßt. Wir sollten jedoch eine allgemeine Frage beantworten: Welche Art von Bauern bedroht wirklich die natürlichen Ressourcen? Es sind, wie bereits erläutert, nicht wirklich die beschriebenen Subsistenzbauern. Oft sind es dagegen marktorientierte Landwirte, z. B. Zimtproduzenten im Kerinci- Gebiet in Jambi und West-Sumatra. Diese Landwirte aber sind oft keineswegs lokale Bauern, sondern Landspekulanten, manche aus so weit entfernten Städten wie Jakarta. Es sind nicht indigene Bauern die in großem Maßstab Plantagen von mehreren hundert oder tausend Hektar in den Wald bauen. Aber es ist natürlich einfacher, die traditionellen Bauern als ignorant und zurückgeblieben zu verurteilen, da sie nicht die Macht haben, sich zu wehren. Deshalb werden sie oft als Sündenböcke mißbraucht.

Das soll nicht heißen, daß traditionelle Siedlungen keine Störung innerhalb eines Nationalparkes darstellen können. Doch im Vergleich zu anderen Übergriffen sind diese sehr gering. Man sollte diese Leute auch nicht einfach ignorieren, denn oft leben sie unter äußerst ärmlichen Bedingungen. Beim Nachdenken über geeignete Maßnahmen sollte man sich jedoch stets bewußt machen, daß gerade Infrastrukturmaßnahmen wie der Straßenbau (auch Holzfällerstraßen) auch Leuten, die man eigentlich fernhalten möchte, den Zugang zum Wald erleichtern. Dieses Problem ist durch die Waldpolizei praktisch nicht zu lösen, weil die Parkgebiete riesig sind und die Möglichkeiten für eine effiziente Kontrolle nicht ausreichen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß ein Einfluß von lokalen Bauern auf die Umwelt in Nationalparks und in deren Umgebung nicht völlig ignoriert werden kann, daß aber Politiker und Verwaltungsbeamte, die sich mit Naturschutz in Nationalparks befassen, die verschiedenen Faktoren sorgsam abwägen und sich dann zuerst auf die zerstörerischsten konzentrieren sollten. <>
 
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage