Indonesien-Information, Nr. 2/1995 (Ost-Timor)

 

'Ninjas' - Todesschwadronen in Ost-Timor

Erschießungen und 'Ninja'-Terror stellen das jüngste Kapitel der Schreckensherrschaft des indonesischen Militärs in Ost-Timor dar.


Erschießungen

Seit Januar dieses Jahres versetzen neue Übergriffe des indonesischen Militärs die Bevölkerung Ost-Timors in Angst und Schrecken. Alles begann am Neujahrstag in Baucau, ca. 120 km östlich von Dili, mit einem spontanen Massenprotest von ca. 200 Leuten, der der Ermordung eines Ost-Timoresen durch einen indonesischen Händler folgte. Ähnlich wie wenige Wochen zuvor in Dili (s. Indonesien-Information, Nr. 1/1995) kam es dabei zu Plünderungen und gewaltsamen Ausschreitungen. Die Sicherheitskräfte lösten die Versammlung auf und nahmen zahlreiche Leute fest /Voice of America, 3.1.95/. Am Tag darauf eröffneten indonesische Soldaten das Feuer auf eine Menge, die sich zu erneuten Protesten in Nähe der Kirche versammelt hatte /Greenleft, 22.1.95/. Dabei sollen zehn bis zwanzig Menschen ums Leben gekommen oder später im Krankenhaus den Folgen ihren Verletzungen erlegen sein /tapol, 8.2.95/. Aber nicht die Soldaten werden für die Erschießungen bestraft, sondern mindestens 15 Ost-Timoresen stehen aufgrund ihrer Teilnahme an der Demonstration vor Gericht /Far Eastern Economic Review, 2.2.95/.

In der Nähe von Taibessi, Dili, wuren am 9. Januar 1995 neun junge Ost-Timoresen vom Militär erschossen, nachdem einige dutzend Menschen in der Nähe der Universität von Dili demonstriert hatten, um die Gespräche zwischen UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, dem indonesischen Außenminister Ali Alatas und dem portugiesischen Außenminister Jose Durao Barroso in Genf willkommen zu heißen. Einer Quelle zufolge wurde der Vater eines der Ermordeten vom Vertreter des Führers des Bataillons 744 ebenfalls erschossen, nachdem er zum Hauptquartier des Bataillons gekommen war, um sich nach dem Verbleib seines Sohnes zu erkundigen /tapol, 8.2.95/. Wiederum wird das Vorgehen des Militärs als legitim erachtet, im Gegenzug sollen 24 Demonstranten verurteilt werden /Far Eastern Economic Review, 2.2.95/.

Am 12. Januar 1995 wurden sechs Männer einschließlich des Dorfchefs Jose Nunes im Dorf Gariana, in der Gegend von Liquica, ca. 60 km westlich von Dili, vom Militär getötet /tapol, 8.2.95/. Der indonesische Militärkommandeur für Ost-Timor, Kiki Syanakri, erklärte die Erschießungen damit, daß es sich um Guerilleros der Widerstandsorganisation Fretilin gehandelt habe (er meinte die Falintil; im indonesischen Sprachgebrauch ist es üblich, CNRM, Renetil, Falintil u.a. einfach der Fretilin zuzurechnen, d. säzzer) gehandelt habe, die während einer bewaffneten Auseinandersetzung getötet worden seien, weil sie sich ihrer Verhaftung widersetzt hatten /Jakarta Post, 12.2.95/. Anderen Informationen zufolge stellten diese Ermordungen einen Racheakt des Militärs für eine Auseinandersetzung zwischen indonesischen Truppen und der ost-timoresischen Guerilla am Tag zuvor dar, bei denen ein Soldat verletzt worden war. In indonesischen Zeitungen wie der Republika vom 16.2.1995 wurde das Ganze als tapferes Vorgehen des Militärs gegen die böse Fretilin (s. Anm. oben, d.säzzer) dargestellt, wobei ein Soldat verletzt worden sei. Republika zitierte Generalmajor Adang Ruchiatna, der meinte, immer, wenn Leute von der Fretilin erschossen werden, werde ein großes Problem daraus gemacht, aber wenn die Fretilin jemanden erschieße, würde darüber geschwiegen.

Der indonesische Verteidigungsminister Edi Sudradjat entsandte als Reaktion auf die Vorkommnisse am 7.2.1995 eine Untersuchungskommission nach Dili. Auch die Nationale Menschenrechtskommission entsandte eine Untersuchungskommission, die von dem Ost-Timoresen Dos Reis Amaral geleitet wurde. Es stellte sich heraus, daß mindestens vier (nach anderen Informationen fünf oder alle) der Getöteten reine Zivilisten und keineswegs Guerilleros waren. Das Militär behauptete dennoch, daß es sich zumindest um Informanten der Unabhängigkeitsbewegung gehandelt habe. Doch auch dem wurde von örtlichen Autoritäten, Kirchenangehörigen und Menschenrechtsorganisationen widersprochen.

Staatssekretär Moerdiono sagte am 11.2.1995, ein Bericht des Militärchefs lege offen, daß einige Soldaten gegen bestehende Regelungen verstoßen haben. Diese Zuwiderhandlungen müßten mittels entsprechender Militärgesetze bestraft werden. Er sagte, die Untersuchung der Vorfälle stünde auch in indonesischem Interesse, sie finde nicht aufgrund von Druck aus dem Ausland statt /Jakarta Post, 12.2.95/. Dr. Juwono Sudarso, Vize-Gouverneur der Nationalen Militärakademie in Jakarta, sieht die Ursachen der Vorkommnisse vor allem in der mangelnden Disziplin der Soldaten, die verursacht sei durch die schlechte Bezahlung und Ausbildung des indonesischen Militärs, insbesondere in den unteren Rängen /Radio Australia, 9.2.95/.
 

Ninja-Terror

Seit Mitte Januar häufen sich gewalttätige nächtliche Übergriffe maskierter Männer - sogenannter 'Ninjas' oder Black Shirts' - auf die ost-timoresische Zivilbevölkerung und SympathisantInnen der Unabhängigkeitsbewegung. In der letzten Januarwoche wurde vor allem das Viertel Acadiru Hum in Dili zum Zentrum dieser Terrorakte, in den Nächten des 7. und 8. Februars hauptsächlich die BewohnerInnen des Vororts Vila Verde /CNRM, 9.2.95/. Häuser der BewohnerInnen wurden mit Steinen beworfen, Eigentum beschädigt, Möbel, Fernseher und anderes Habgut zerstört sowie viele Menschen verletzt. Informationen zufolge wurden acht Menschen ermordet, darunter in der zweiten Januarhälfte ein Lehrer und ein Bauer, die im Gebiet von Ermera vom indonesischen Militär erschossen wurden /The Australian, 9.2.95/. Mehr als zwanzig Menschen - SympathisantInnen der Unabhängigkeitsbewegung - wurden verschleppt. Darunter befanden sich auch fünf junge Männer, die im Haus von Armandina Gusmao Exposto, der Schwester des inhaftierten Führers der Unabhängigkeitsbewegung, Xanana Gusmao, lebten (Joao Baptista, 20, Filomeno, 24, Domingos, 25, Diamantino, 19 und Nilton, 19), welches am frühen Morgen des 9. Februar überfallen wurde /tapol, 10.2.95/. Armandinas Ehemann, Gilman Gusmao, rief Polizei und Sicherheitskräfte um Hilfe an, doch diese riefen nur: "Greift an!". Folge des Angriffs war die völlige Zerstörung des Hauses samt des Mobiliars sowie die Zerstörung einiger benachbarter Häuser. Auch andere Ost-TimoresInnen berichteten, das indonesische Militär ergreife keine Maßnahmen, um die nächtlichen Übergriffe zu beenden.

Am 25. Januar 1995 wurde der Ost-Timorese chinesischer Abstammung Atai von Javanern erstochen, wobei unklar blieb, ob die Mörder Zivilisten waren oder zum Militär gehörten. Die Ninjas vergewaltigten ebenfalls eine schwangere Frau in Gegenwart ihres Mannes, der währenddessen an einen Stuhl gefesselt wurde. 5000 Bauern haben aufgehört, ihre Felder zu bestellen, seit der Terror begonnen hat /CNRM, 9.2.95/.
 

Offizielle Reaktionen

Als Reaktion auf die Gewalttätigkeiten äußerte eine Gruppe von 200 Opfern ihre Besorgnis gegenüber dem Kirchenvorstand. Der ost-timoresische Bischof Carlos Ximenes Belo verurteilte die Übergriffe und warnte davor, daß es zu größeren Konflikten kommen könne, falls die zuständigen Stellen nicht in der Lage wären, gegen die gewalttätigen Gruppen vorzugehen. Belo drohte weiterhin damit, sich an die Vereinten Nationen zu wenden, falls Präsident Suharto nicht auf seinen Brief, in dem er gegen die Ermordungen protestierte, antworten würde /Voice of America, 11.2.95/.

Auch einige westliche Regierungen (Kanada, Neuseeland, Australien, USA) verliehen ihrer Besorgnis über die Ereignisse Ausdruck und bekundeten ihr Interesse an den Ergebnissen der Untersuchungskommission. BeobachterInnen erwarten als Reaktion auf die Besorgnis des Westens die Abberufung des Militärkommandeurs für Ost-Timor, Kiki Syankri.

Der Vize-Gouverneur Ost-Timors, Johannes Haribowo, sagte, es handle sich bei den Ninjas um Ost-Timoresen, die gegen die Integration Ost-Timors in Indonesien seien /LUSA, 10.2.95/. Johannes Haribowo führt derzeit die Amtsgeschäfte, da der amtierende Gouverneur Abilio Osorio Soares auf dem Höhepunkt der Krise zu einem viermonatigen Aufenthalt nach Jakarta begab, der als Anzeichen für seine ebenfalls bevorstehende Abberufung gesehen wird /LUSA, 13.2.95/.
 

Die Bevölkerung wehrt sich

In der Nacht des 10. Februars 1995 wurden 2 Ninjas von der aufgebrachten Bevölkerung gefangengenommen und verprügelt. Diese Männer mit den Namen Domingos und Costa gaben zu, in Baucau vom indonesischen Militär rekrutiert worden zu sein. Sie seien nach Dili gebracht worden, um Angriffe auf UnterstützerInnen der Unabhängigkeitsbewegung zu organisieren, wofür sie zwischen 25.000 und 50.000 Rupiah pro Übergriff erhielten (ca. 20-40 DM) /LUSA, 16.2.95/.

Am folgenden Wochenende (11./12.2.1995) wurden Berichten zufolge vier weitere Ninjas gefangen und verprügelt sowie zwei Autos und drei Motorräder, die Ninjas gehörten, von Jugendlichen verbrannt. Mit Messern, Stöcken und Steinen bewaffnete Jugendliche organisieren jetzt Nachtwachen in verschiedenen Bezirken, da Armee und Polizei in den letzten, extrem spannungsreichen Wochen nicht, wie sonst üblich, nachts durch die Straßen patroullierten. Darin wird eine Maßnahme gesehen, den Ninjas freie Bahn zu lassen.

Am Mittwoch, den 15. Februar 1995, berichtete die indonesische Tageszeitung Kompas, die Polizei habe in Dili 12 maskierte Männer (Carleto Breok, Oktavianus, Antonio Caemaluk, Matheus, Claudio, Filipe, Ximplesio da Casembo, Apollo Mario Alves, Alves, Joau Babtista, Manuel und Francisco Marthins), die als Ninjas bezeichnet wurden, festgenommen, während diese Besitz beschädigten und Menschen folterten. Kompas zufolge waren die Verhafteten Angehörige der ost-timoresischen Unabhängigkeitsorganisation, die sich als Mitglieder des indonesischen Militärs ausgegeben hatten, um den Namen des Militärs zu beschmutzen. Dieselbe Darstellung fand sich auch in der Tageszeitung Republika vom 16.2.1995.

Dagegen ist einem Bericht des Nationalrats des Maubere-Widerstandes (CNRM) zufolge der Anführer der Ninjas ein gewisser Lebut Melo - ein bekannter Rowdy und indonesischer Kollaborateur. Es seien bisher keinerlei Maßnahmen gegen die Ninja-Terrortruppe unternommen worden, da diese nach Presse-Informationen des CNRM vom indonesischen Militär selbst ausgerüstet und ausgebildet worden war. Ungefähr 600 Söldner wurden in Suai und Kupang (West-Timor) ausgebildet, um den ost-timoresischen Widerstand und seine zivile Basis zu bekämpfen. Jeder Söldner wird Berichten zufolge mit umgerechnet US$ 750 bezahlt /CNRM, 1.2.95/.

Die Serie von Morden und gewaltsamen Übergriffen ist eine Reaktion auf den zunehmenden Mut der Unabhängigkeitskämpfer, die seit dem 12. November 1994, dem dritten Jahrestag des Santa Cruz-Massakers, viele Aktionen durchgeführt haben. Selbst bei Timoresen, die seit Jahren mit den indonesischen Besatzern zusammenarbeiteten, wächst die Enttäuschung über die Situation in Ost-Timor, über die Konflikte zwischen Ost-TimoresInnen und indonesischen Siedlern, über Verhaftungen, Folterungen und das Verschwinden vieler junger Männer.

Die indonesischen Besatzer scheinen die Umklammerung des Gebiets umsomehr zu verstärken, je stärker UN-Verhandlungen auf eine Lösung des Problems abzielen.

Auch der Fall des Timor-Gap-Vertrages zwischen Australien und Indonesien, der von Portugal vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht wurde und für internationale Aufmerksamkeit sorgte, verstärkte den Druck auf die indonesische Regierung, ihren Anspruch auf Ost-Timor noch stärker zu demonstrieren. Um moderaten Kräften wie z.B. Außenminister Ali Alatas keine Chance zu geben, versucht das indonesische Militär in Ost-Timor, Protest und Unruhe zu schüren, um ein hartes Durchgreifen - ähnlich wie beim Massaker von Santa Cruz im November 1991 - zu rechtfertigen.

Ironischerweise wendete sich das Schicksal der Terrortruppe am Freitagabend, dem 10.2.1995, als sich EinwohnerInnen Ost-Timors zur Unterstützung der überfallenen Familien versammelten und die Straßen von Dili nach den Ninjas absuchten, sodaß Labut Melo und seine Leute über eine Mauer auf den Friedhof von Santa Cruz flüchten mußten bis sie nachts vom Militär, das mit Lastwagen vorfuhr, wieder befreit wurden /Australians for a free East Timor (Affet), 15.2.95/.

Diese "Beleidigung" des Militärs wurde sofort mit Verhören und Folterungen gerächt und auch der ehemalige Leutnant der portugiesischen Kolonialarmee, David Ximenes, der selbst schon sechs Jahre im Gefängnis von Cipinang, Jakarta, einsitzen mußte, wurde zum Verhör bestellt, ebenso wie zwei andere junge Männer, Rui Fernandes und Nuno Corveliho /Affet, 15.2.95/.
 

Sondereinsatztruppe für's Grobe

Die Ninjas oder 'Black Shirts' stehen in dem Ruf, nicht nur in Ost-Timor für Unruhe gesorgt zu haben, sondern eine spezielle Terror- und Eingreiftruppe der indonesischen Regierung zu sein. Sie stifteten bei diversen Anlässen bereits die nötige Unruhe, z.B. bei den Arbeiterprotesten in Medan im April 1994 und anderswo, um ein gewalttätiges Durchgreifen des Militärs zu rechtfertigen. Deutliches Zeichen dafür, daß die Ninjas auf Anordnung von "ganz oben" agieren, war die Reise von Colonel Prabowo, Schwiegersohn von Präsident Suharto nach Dili. Ziel der Reise war es, die Freilassung des von der Armee gefangengenommenen Ninjas Martinho Fernandes zu bewirken /CNRM, 2.3.95/.

Die durch die Ninjas ausgelöste Unruhe in Ost-Timor reichte aus, um einen verstärkten Aufmarsch des Militärs zu rechtfertigen. Zur Zeit stehen sieben indonesische Battaillone in Ost-Timor, dazu kommt noch der Geheimdienst und die Sicherheitskräfte auf Dorfebene. Frühere Pläne, die Truppenstärke bis Ende 1995 auf zwei Bataillone zu reduzieren, sind nach Äußerungen des Kommandeurs der 9. Region, Generalmajor Adang Ruchiatna erstmal auf Eis gelegt /Far Eastern Economic Review, 2.2.95/.

Der UN-Sonderberichterstatter Bacre Waly Ndiaya, der Ost-Timor im Juli 1994 besucht hatte, schreibt in seinem kürzlich vorgelegten Bericht, die Umstände, die das Blutvergießen in Dili im November 1991 ermöglichten, seien noch immer unverändert, sodaß ähnliche Vorkommnisse weiterhin jederzeit möglich seien. Ein Klima von Angst und Mißtrauen beuge das Rechtssystem nieder und die Gerichte würden von Politik und Militär in Fesseln gelegt. Ndiaya äußerte, daß es keinen Grund gäbe, das Vorgehen von Militärs gegen Zivilisten von Militärgerichten behandeln zu lassen, anstatt von zivilen Gerichten - es herrsche ja schließlichkein Kriegszustand in Ost-Timor (oder doch?). In Bezug auf die Ereignisse vom November 1991 sagte er weiter, er sei der Überzeugung, daß keinerlei vertrauensbildende Maßnahmen effektiv sein würden und keine Lösung für Ost-Timor gefunden werden könne, bevor der Gerechtigkeit Geltung verschafft werde. Doch eine politische Lösung werde - wenn überhaupt - nur auf der obersten politischen Ebene entschieden werden. /Far Eastern Economic Review, 2.2.95/.
 

Die Ursachen liegen in Jakarta

Was aber sind die Gründe für die erneuten brutalen Übergriffe in Ost-Timor?

Es heißt, wenn die Situation in der indonesischen Regierung kritisch ist, ist das Thema Ost-Timor aktuell. Umgekehrt sei aber auch, wenn das Thema Ost-Timor aktuell ist, die Lage in der Regierung in Jakarta kritisch...

Dies war zuletzt der Fall als Ende 1991 eine Lösung des Ost-Timor-Problems näherzurücken schien. Damals hatte sich eine internationale Besucherdelegation in Ost-Timor angekündigt, wurde aber kurzfristig abgesagt, weil Indonesien Einwände gegen einige Delegationsmitglieder hatte. Eine zu diesem Anlaß geplante Demonstration in Dili fand dennoch statt und führte zu dem bekannten blutigen Ende - dem Massaker von Santa Cruz. Mit dem Massaker gaben die Militärs zu verstehen, was sie von einer politischen Lösung des Ost-Timor-Problems hielten: nichts.

Mitte letzten Jahres drohte es zu ernsthaften Religionskonflikten in Ost-Timor zu kommen, nachdem einige Soldaten die religiösen Empfindungen von katholischen Gläubigen demonstrativ verletzt hatten. Diese Vorkommnisse fielen gerade in die Zeit, als die islamische Intellektuellenorganisation ICMI Vorschläge für einen autonomen Status Ost-Timors ähnlich dem von Aceh und Yogyakarta einbrachte. Um den gärenden Konflikt zwischen ICMI - besonders ihrem Vorsitzenden, dem Minister für Wissenschaft und Technik, Habibie - und dem Militär, nicht noch zu verschärfen, lehnte Präsident Suharto jegliche Bestrebungen in Richtung eines Autonomiestatus rundweg ab. Die Folge dieser Ablehnung war eine schwere Enttäuschung auch bei den Pro-Integrationisten in Ost-Timor.

Anfang November 1994 sorgten die zeitgleich zur APEC-Konferenz stattfindenden Proteste der Ost-Timoresen für Aufregung in Jakarta. So stellt sich die Frage, ob die Lage in Ost-Timor wieder kritisch wird, weil sich jetzt die Regierung in Jakarta in Schwierigkeiten befindet. Da ist zum einen der internationale Druck auf die Regierung, das Ost-Timor-Problem endlich zu lösen, da sind zum anderen die internen Machtkämpfe zwischen dem Militär und Habibie/ICMI. Doch auch innerhalb des Militärs selbst gibt es Probleme. Dort konkurrieren zwei Gruppen miteinander, die eine als 'rot-weiß' (d.h. nationalistisch geprägt, d. säzzer) bezeichnet ist schon länger in Ost-Timor aktiv, die andere, 'grüne' (d.h. islamisch orientierte) Gruppe unter dem neuerlich beförderten General R. Hartono, verspürt den Druck, bald "die Zähne zu zeigen". Letztere Gruppe handelt Berichten zufolge auf eigene Initiative, d.h. ohne Genehmigung des Oberkommandierenden General Feisal Tanjung - aber dafür in Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst.

Aufgrund dieser inneren Konflikte ist eine Lösung des Timor-Problems zur Zeit nicht in Sicht. Denn die innere Stabilität in Indonesien ist ein sorgfältig ausbalanciertes Machtgleichgewicht. Präsident Suharto versteht es immer wieder, diese Balance wiederherzustellen. Er wird daher mit allen Mitteln versuchen, Schritte zu verhindern, die dieses Gleichgewicht stören könnten - dazu gehört auch eine mögliche Lösung des Ost-Timor-Konflikts. So wird Suharto die anstehenden UN-Gespräche erneut scheitern lassen und ein Referendum in Ost-Timor noch lange zu verhindern wissen. Die 'Operation Ninja' ist ein neuer Versuch, den Status Quo in Ost-Timor zu zementieren.

Die Machtkämpfe in Jakarta drehen sich nicht in erster Linie um Ost-Timor. Aber schon seit langem werden sie auf dem Rücken der ost-timoresischen Bevölkerung ausgetragen. Deshalb wäre es wichtig, wie von einigen Seiten gefordert, als ersten Schritt einen ständigen Beobachter der Vereinten Nationen nach Ost-Timor zu entsenden, um die fortschreitende Verschlechterung der Situation in Ost-Timor aufhalten zu können. <>
 
 

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