Indonesien-Information Nr. 2 1996 (West-Papua/Irian Jaya)

 

Der Streit um den Freeport-Fonds

Amungme-Stammesrat Lemasa gerät unter Druck


Unter dem Vorwand, hinter einem Entführungskommando der Befreiungsbewegung OPM zu stehen, wächst der Druck auf Tom Beanal, den Sprecher des Volkes der Amungme. Tom Beanal war zuvor in die Schlagzeilen geraten, weil er gewagt hatte, die mächtige Bergbaufirma Freeport an ihrem Hauptsitz in New Orleans wegen schwerer Umweltschädigung zu verklagen.

Der Polizist Andreas Anggaibak, damals noch Mitglied von Lemasa, dem Stammesrat der Amungme, unterschrieb im Mai das von dem Bergbauunternehmen PT Freeport Indonesia vorgeschlagene 'Settlement of Agreement'. Darin hatte Freeport den Amungme und anderen von dem Kupferbetrieb betroffenen Völkern vorgeschlagen, einen Fonds einzurichten, in den jährlich 1% des Freeport-Gewinnes eingezahlt werden sollte, um damit umwelt- und entwicklungspolitische Maßnahmen zu finanzieren. Lemasa hatte diesen Fonds von Beginn an kategorisch abgelehnt, da er an den eigentlichen Forderungen, der Klärung der Landrechts- und Menschenrechtsfragen, vorbeiging. Am 12. Juli wurde Andreas Anggaibak aus dem 'Board of Directories' von Lemasa ausgeschlossen /Lemasa-Resolution, 12. Juli 96/.

Trotz der Ablehung der meisten von Freeport betroffenen Völker wurde am 12. Juli in Timika das 'Timika Integrated Area Developement', kurz PWT2, eingeweiht. PWT2 ist ein Projekt von Regierung und Militär, daß den größten Teil des 1%-Fonds von Freeport absorbieren soll. Schon die Unterbringung der Gäste aus den Reihen des Militärs, aus lokalen und Provinzbehörden sowie von Freeport im teuren Hotel Sheraton Inn/Timika, dürfte für den künftigen Fonds ein beträchtlicher Kostenpunkt sein, kommentierte Lemasa. Die Zeremonie wurde vom Militär massiv überwacht. An dem Einweihungsfest nahmen auch ungefähr 1.000 Papuas Teil. Der Großteil von ihnen stammte vom Volk der Komoro.
 

Regierung von Gottes Gnaden

Da viele der anderen betroffenen Völker, Amungme, Dani, Ekari, Nduga, Damal und Moni, den 1 %-Fonds ablehnten, waren von ihnen nur wenige gekommen. In seiner Rede erklärte der Vorsitzende des 'Irian Jaya Board of Planning and Developement' Hanock Makbon, der den Gouverneur von Irian Jaya vertrat, die Regierung sei von Gott eingesetzt und wer gegen die Regierung sei, der sei gegen Gott. Aus den Reihen der vor der Tür stehenden Leute war daraufhin zu hören: „Wir sind nicht gegen die Entwicklungspläne der Regierung, wir fordern nur unsere Rechte“. Captain Yan Pulung, Special Force Commander von Timika, holte während der Zeremonie bei den Vertretern der Papuas Unterschriften zu einer Einwilligung in den 1 %-Fonds ein. Es unterschrieben nur die Vertreter der Komoro, die anderen Völker weigerten sich. Aus gutem Grund: Wenn sie die Vereinbarung unterzeichnet hätten, hätten sie ihren Verzicht auf sämtliche weiteren Ansprüche erklärt. /Bericht von Lemasa, 5.7.96/

Nach ihrer Verweigerung der Einwilligung in den 1 %-Fonds geraten nun vor allem der Wortführer der Amungme, Tom Beanal, und Vertreter einiger anderer Völker unter wachsenden Druck. So wird eifriger als vorher versucht, Tom Beanal mit der Befreiungsbewegung OPM - den 'Unruhestiftern' im indonesichen Jargon - in einen Topf zu werfen. Lemasa distanziert sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich von der OPM und deren lokalem Kommandeur Kelly Kwalik, der als Stratege der jüngsten Entführungsfälle gilt. Eine Verbindung mit Kelly Kwalik würde dem Militär einen Vorwand liefern, den friedlichen Widerstand von Lemasa zu diskreditieren. Lemasa macht auch darauf aufmerksam, daß die Unruhen in Tembagapura und Timika offenbar zu einem Zeitpunkt auftraten, als der Stammesrat versuchte, die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die vom Militär begangen worden waren. Das Militär habe die Situation bei den Unruhen unter Kontrolle gehabt und sei daher verantwortlich für das Ausmaß dessen, was damals geschah /Bericht von Lemasa, 5.7.96/.

Mit dem Angebot des 1 %-Fonds sei es gelungen, die Menschen zu spalten, berichtet Lemasa. Mit Hilfe der Behörden wurde Yayasan Amungkal, eine Amungme-Stiftung, gegründet, der am 17. Juli 1996 im Dorf Banti durch einen Vertreter des Bupatis (Distriktchef) 500.000.000 Rupiah aushändigt wurden. Einen Tag später demonstrierten 2.000 Amungme, Dani, Ekari, Nduga und Moni friedlich gegen den 1 %-Fonds. Freeport, das sich hinter der Regierung und den Streitkräften (ABRI) versteckt, beschuldigte die indigenen Völker daraufhin, das nationale Entwicklungsprogramm zu stören. Mit dieser Begründung könnten sie wegen Subversion angeklagt werden, erklärt Lemasa. /Lemasa, 17.8.96/

Gleich nachdem am 29. Juli Lemasa offiziell das Freeport-Angebot abgelehnt hatte, wurden Gerüchte gestreut, der OPM-Führer Kelly Kwalik plane Freeport-Einrichtungen anzugreifen. Tom Beanal erhielt in dieser Zeit Drohungen, er würde von Sicherheitskräften verhaftet und erschossen werden. Als Tadius Yogi, ein Führer der OPM, 16 Beschäftigte der Holzgesellschaft PT Kamundan Raya entführte, wurden neue Attacken gegen Tom Beanal gefahren. Angeblich soll er einen Brief von Tadius erhalten haben, der den Eindruck erweckte, Tom Beanal habe die Entführung angeordnet. In Wahrheit wurde Tom Beanal von Tadius Yogi lediglich als neutraler Vermittler für Verhandlungen zur Freilassung der Geiseln vorgeschlagen. Sonderbar sei, so Lemasa weiter, daß zu genau der gleichen Zeit, als die Geiselnahme stattfand, Freeport bekanntgab, eine Telefon-Hotline eingerichtet zu haben, in der man den aktuellen Stand über die Geiselnahme erfahren könne /Lemasa, 17.8.96/.

Nachdem die Sicherheitskräfte zunächst versucht hatten, eine breitere Gruppe von Landrechts- und Umwelt-NGOs, darunter die bekannte indonesische Umweltorganisation WALHI, der Entführung zu beschuldigen, konzentrierten sie sich nun auf Tom Beanal /Tapol, 19.9.96/. Anfang September wurde Tom Beanal auf der Polizeistation von Timika in Anwesenheit seines Anwaltes Johannes Bonay intensiv verhört. Eine Anklage gegen Tom schien wahrscheinlich, zumal sich die Verhöre fortsetzten /Kompas Online, 4.9.96, Jawa Pos, 10.9.96/. Die Strategie, Tom Beanal anzuklagen, erschien aber offenbar nicht durchführbar zu sein. Weitere Verhöre und eine förmliche Anklageerhebung sind zur Zeit vom Tisch.
 

Militär und Polizei versuchen, Prozeß zu verhindern

Pilemon Dolame, der zum Personal von Lemasa gehört, hatte am 12. August im Dorf Kwamki Lama bei Timika Unterschriften von Mitklägern im Prozeß Tom Beanal gegen Freeport gesammelt. Er wartete auf ein Taxi, als ein Mann namens Simon, den Pilemon als verdeckten Mitarbeiter des Militärs identifizierte, ihm seine Tasche mit allen Dokumenten entriß und begann, dies zu studieren. Pilemon wurde von Simon genötigt, mit ihm mitzukommen. Nach einer Odyssee über Captain Yan Pulung, Special Force Commander von Timika, der als Unterstützer von Freeport bekannt ist, und Damramil Timika, dem örtlichen Militärkommandeur, fanden sich Pilemon, die Dokumente und Damramil auf der Polizeistation von Timika wieder. Dort veranlaßte der Kommandeur den örtlichen Polizeichef, Captain Mohamad Saleh, Pilemon zu den beschlagnahmten Dokumenten zu verhören. Pilemon versuchte zu erklärten, daß es sich um le~ gale Dokumente handelte, und daß die Sicherheitskräfte nicht das Recht hätten, diese zu beschlagnahmen. Fünfmal versuchten Mitglieder von Lemasa, auf der Polizeistation wegen der Dokumente vorzusprechen. Sie brachten in Erfahrung, daß die Dokumente inzwischen bei der Militärbehörde KORAMIL gelandet seien. Es würde untersucht, ob sich aus den Dokumenten eine Verbindung zu den 'Unruhestiftern' nachweisen lasse /Lemasa Report, 14.8.96/.
 

Und welche Strategien versucht Freeport?

Vor einigen Monaten war Freeport wegen der durch die Bergbauaktivitäten verursachten schweren Umweltschädigungen vorübergehend die Versicherung gegen politische Risiken (OPIC) gekündigt worden. Umweltgruppen begannen daraufhin auch den Vertrag mit der weltbankeigenen Versicherungsgesellschaft MIGA zu problematisieren. Nachdem OPIC das Versicherungsverhältnis wiederhergestellt hatte und sich die Wogen um MIGA zu glätten begannen, reagierte nun Freeport seinerseits mit der Kündigung der Verträge. Bill Collier, ein Sprecher von Freeport, erklärte dazu: „Der Grund ist die Stabilität, die die indonesische Regierung in den vergangenen 30 Jahren gezeigt hat und das unvorhergesehene wirtschaftliche Wachstum in der gleichen Periode“. Die politische Risikoversicherung versichert nur gegen Maßnahmen der Regierung, nicht aber gegen Aufstände und Unruhen, wie sie in den vergangenen Monaten nicht nur in West-Papua, sondern auch in Jakarta und anderen Landesteilen Indonesiens geschehen sind /IPS, 22.9.96/. Offenbar glaubt Freeport McMoran, daß Suharto auch für die nächsten 30 Jahre die politische Stabilität sichern kann.
 

Deutsches Engagement in Westpapua

Bundeskanzler Kohl hat auf seiner kürzlich erfolgten Indonesienreise ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Mamberamo-Region unterschrieben. Der indonesische Forschungs- und Technologieminister, Habibie, betonte auf einem Seminar über „Investment-Möglichkeiten in Nord-Sulawesi und Ost-Indonesien“ am 27. September in Manado, der Mamberamo-Fluß habe ein Potential zur Produktion von 12.000 MW im Vergleich zum Asahan-Damm in Nord-Sumatra mit nur 600 MW. Ebenfalls vereinbart wurde die Zusammenarbeit bei der Ausbeutung der Erdgasvorräte im Natunabecken vor Sumatra. Die Weiterverarbeitung des CO2 -reichen Gases zu höherwertigen Produkten soll n ach Habibies Plänen mithilfe der in Mamberamo zu erzeugenden Wasserkraft erfolgen. Dazu müßten in der bisher unerschlossenen Region, die von ca. 6.000 Indigenen bewohnt ist, umfangreiche Industriekapazitäten geschaffen werden. Die zu erwartenden Schäden an der bislang noch weitgehend intakten Umwelt im Mamberamogebiet könnten die Auswirkungen des Bergbaus durch die Firma Freeport verblassen lassen. Dessen ungeachtet will Minister Habibie auch Australien dazu einladen, sich an dem Projekt zu beteiligen, um eine integrierte ökonomische Entwicklung im Ostteil Indonesiens voranzutreiben /Kompas Online, 28.9.96/. <>
 
 
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