Indonesien-Information Nr. 2 1996 (Religion)

 
 

Kirchenbrände in Ost-Java


Eine Menge von ca. 3.000 Leuten brannte am 10. Oktober in der ost-javanischen Stadt Situbondo und einigen Vororten insgesamt 24 Kirchen ab. 5 Menschen kamen dabei ums Leben. Auch Schulen, Kinos, Büros und sogar ein Waisenhaus wurden angezündet. Bereits im Juni waren elf Kirchen in Surabaya sowie im September eine Kirche in Bekasi ohne erkennbares Motiv niedergebrannt worden. Die neuerlichen Brände von Situbondo waren die schlimmsten Ausschreitungen gegen christliche Einrichtungen seit vielen Jahren. Ohne Unterschied richtete sich die Gewalt gegen katholische wie auch gegen protestantische Kirchen. Auch ein Hindu-Tempel wurde Opfer des Vandalismus.

Wie es hieß, soll Auslöser der Unruhen ein Gerichtsurteil gegen den 23 Jahre alten Saleh, der einer orthodoxen islamischen Sekte angehört, gewesen sein. Saleh soll den Islam herabwürdigende Thesen vertreten und einen lokalen Moslemgeistlichen beleidigt haben. Das Gericht verurteilte ihn deswegen zur zulässigen Höchststrafe von 5 Jahren. Doch einigen Eiferern war dieses Urteil zu lasch. Sie hätten lieber gesehen, daß das Gericht die Todesstrafe, mindestens aber eine lebenslängliche Haftstrafe gegen Saleh verhängt.

Der angebliche Zusammenhang zwischen der Wut einiger Moslems über das „milde“ Urteil und den darauffolgenden Ausschreitungen gegen kirchliche Einrichtungen erscheint jedoch wenig plausibel. Eine der kursierenden Varianten zur Erklärung des Geschehens ist, daß sich das Gerücht verbreitet habe, Saleh hätte in einer Kirche Zuflucht gesucht. Andere wiederum behaupteten, Saleh sei von Christen dazu angestachelt worden, den Islam zu beleidigen. Und wieder andere sahen einen nicht näher erläuterten Zusammenhang mit akuten Landrechtsstreitigkeiten als Auslöser für die Unruhen.

Situbondo gilt als Hochburg der islamischen Massenvereinigung Nadlathul Ulama, NU. Deren charismatischer Vorsitzender Abdurrahman Wahid, der zur Zeit des Geschehens in Rom weilte, gilt als Verfechter eines moderaten Islam, als Vorkämpfer der Demokratiebewegung und enger Vertrauter der entmachteten PDI-Vorsitzenden Megawati Soekarnoputri. Wahid, der auch unter dem Spitznamen Gus Dur bekannt ist, entschuldigte sich im Namen seiner Organisation umgehend für die Ausschreitungen /AFP,12.10.96/.

Ein Untersuchungsteam der nationalen Menschenrechtskommission Komnas Ham erklärte Anfang November, die Brände seien das Werk von gewöhnlichen Kriminellen gewesen. Ein religiös bedingter Hintergrund sei nicht erkennbar. Ein plausibles anderes Motiv nannte Komnas Ham aber nicht. /Straits Times, 7.11.96/.

Nach Anhörung von Zeugenberichten, sind sich alle Seiten, einschließlich des Militärs, darüber einig, daß der Ausbruch der Unruhen nicht spontan erfolgte, sondern von interessierter Seite geschürt worden war. Gus Dur sagte, er habe eindeutige Hinweise auf die Hintermänner, wollte aber keine Namen nennen /Gatra, 16.11.96/. Obwohl in der lokalen Presse nichts darüber zu lesen war, gilt es in Indonesiens Bevölkerung als ausgemacht, daß mit den Ausschreitungen niemand geringerer als der unbequeme Kritiker und Vorsitzende der NU, Gus Dur persönlich, beschädigt werden sollte. <>
 
 

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