Indonesien-Information Nr. 2 1996 (Wirtschaft)

 

Ein Volkswagen namens Timor


Vorbei scheinen die Zeiten als die USA den Japanern wegen Protektionismus auf dem Automobilmarkt mit einem Handelskrieg drohten. Gemeinsam mit der EU legten die beiden Autoexportstaaten kürzlich bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine Beschwerde gegen Indonesien ein. Eine Sondergenehmigung seines Vaters erlaubt dem jüngsten Sohn des Präsidenten, Tommy Suharto, den konkurrenzlos billigen Import von Fahrzeugen aus Korea.

Eine einfache Entscheidung Präsident Suhartos (Inpres - Instruksi Presiden No. 02/1996) genügte, um seinen jüngsten Sohn, Hutomo Mandala Putra alias Tommy Suharto, mit Privilegien auszustatten, die bis nach Detroit und Rüsselsheim für Aufregung sorgten. Das Dekret Inpres No. 02/1996 sieht die Entwicklung eines „nationalen Autos“ (Mobil Nasional oder kurz Mobnas) vor, eine Art Volkswagen aus heimischer Produktion. Als Vorbild dient der im Nachbarland Malaysia entwickelte Proton, der letztes Jahr in einer Stückzahl von 180.000 Fahrzeugen, darunter 30.000 für den Export, produziert wurde /TIME International, June 10,1996/. Doch wozu Malaysia in Zusammenarbeit mit Mitsubishi 11 Jahre kostenintensiver Vorarbeit benötigte, braucht man in Indonesien nur wenige Monate. Auf das erst im Frühjahr 1996 erlassene Dekret Suhartos sollte bereits im August die Markteinführung des neuen Mittelklassewagens unter dem Markennamen Timor folgen. Tommy Suharto weist die Vermutung, mit diesem Namen (Werbeslogan: „Bangga jadi anak Indonesia - stolz ein Indonesier zu sein“, Firmenname: „PT Timor Putra Nasional - Timor, ein Sohn der Nation“) solle der Anspruch Indonesiens auf Ost-Timor unterstrichen werden, zurück. Reiner Zufall, beteuert Tommy. Timor sei lediglich die Abkürzung von „Teknologi Industri Mobil Rakyat“, zu deutsch etwa „Industrietechnologie Volkswagen“.

Noch ist der wachsende Automobilmarkt Indonesiens fest unter ausländischer Kontrolle. 95 % der verkauften Fahrzeuge tragen japanische Markennamen wie Toyota, Suzuki, Honda usw. Die indonesische Autoindustrie beschränkt sich bislang ausschließlich auf die Lizenzproduktion ausländischer Marken. Aufgrund der auf Personenwagen erhobenen Luxussteuer und hohen Einfuhrzöllen müssen die Autokäufer in Indonesien höhere Preise bezahlen als fast überall sonst auf der Welt. Für einen japanischen Kleinwagen sind nicht weniger als Rp. 70 mio (ca. DM 46.000) hinzublättern - ohne Air Condition und andere Extras versteht sich. Doch das soll sich nun ändern.

Mit der Entwicklung des „nationalen Autos“ solle die heimische Automobilindustrie auf eigene Beine gestellt werden, so heißt es. Für Fahrzeuge, die in Indonesien entwickelt, produziert und unter einem indonesischen Markennamen angeboten werden, werden die Hersteller von Einfuhrzöllen und Luxussteuern befreit. Eine Übergangsregelung besagt, daß im ersten Jahr mindestens 20 % der Fahrzeugkomponenten aus indonesischer Produktion stammen müssen, im zweiten Jahr mindestens 40 % und ab dem dritten Jahr mindestens 60 %. Außerdem muß sich der Hersteller zu 100 % im Besitz indonesischer AnteilseignerInnen befinden. Soweit die Theorie.

Nach Auffassung der Regierung erfüllt nur eine einzige Firma die harten Kriterien, die zur Produktion des „nationalen Autos“ und den damit verbundenen Zollvergünstigungen berechtigen: die eigens zu diesem Zweck aus der Taufe gehobene Firma PT Timor Putra Nasional (PT TPN). 70 % der Anteile von PT TPN gehören dem Humpuss-Konzern unter Führung von Präsident Suhartos jüngstem Sohn Tommy. 30 % werden von der südkoreanischen Firma KIA gehalten. Diese Minderheitsbeteiligung ausländischen Kapitals verstößt zwar gegen die erwähnten Anforderungen, aber weil der Mehrheitseigner ein Sohn des Präsidenten ist, drückt die Bürokratie schon mal ein Auge zu.

Die alteingesessenen indonesischen Automobilproduzenten Indomobil und Astra nahmen verwundert zur Kenntnis, daß ausgerechnet Tommy Suharto den Zuschlag für dieses „Pionierprojekt“ bekam, während sie selbst leer ausgingen /Jakarta Post, 29.2.96/. Probosutedjo, Halbbruder von Präsident Suharto, meinte jedoch, die Automobilindustrie habe keinen Anlaß zu klagen. Im Gegenteil sei es ihnen selbst zuzuschreiben, daß sie einen vor 20 Jahren erfolgten Aufruf des Präsidenten, ein „nationales Auto“ zu entwickeln, nicht in die Tat umgesetzt hätten. Stattdessen hätten sie sich für die bequeme Variante der Montage ausländischer Fabrikate entschieden.

Vielleicht hat Probosutedjo den Überblick über die Vielzahl seiner Unternehmen verloren, denn seine Kritik fällt auch auf ihn selbst zurück: Ein Tochterunternehmen seines weitverzweigten Firmenkonglomerates montiert in Indonesien Fahrzeuge für Opel /Straits Times, 3.3.96/.

Der von seiten der Konkurrenz vorgebrachte Einwand, Tommy Suharto sei als Branchenneuling denkbar ungeeignet für die Realisierung des Projekts „nationales Auto“, zielte ins Leere. Denn Tommy verfügt durchaus über einige Erfahrung auf dem Automobilsektor. Der begeisterte Rennwagenfahrer besitzt nicht nur eine private Sammlung schmucker Rennautos, sondern auch seinen eigenen 4 km langen und 50 mio US$ teuren Rennparcours nahe Jakarta. Vor zwei Jahren überraschte er die internationale Fachwelt durch den Kauf des in Schwierigkeiten geratenen italienischen Traditionsunternehmens Lamborghini. Weniger spektakulär, dafür aber umso einträglicher ist sein Engagement im heimatlichen Jakarta, wo eine Firma in Tommys Besitz damit beauftragt ist, die KFZ-Steuern einzutreiben /Digest, 6.3.96/.

Schon im Februar wurde deutlich, daß PT TPN mit Duldung der Regierung auch gegen die Auflage, weitgehend auf inländische Komponenten zurückzugreifen, verstoßen würde. Der Timor sollte in Wahrheit nicht dem hehren Ziel der Förderung des indonesischen Mittelstandes und dem Aufbau nationaler Zulieferbetriebe dienen, sondern alleine der Gewinnvermehrung des Präsidentensohnes. Von Anfang an stand fest, daß ein Großteil der Fahrzeugkomponenten von dem aufstrebenden koreanischen Autohersteller KIA geliefert würden /Jakarta Post, 29.2.96/. Wirtschaftsexperte Faisal Basri von der Universitas Indonesia bezweifelte, daß es möglich sein wird, innerhalb von drei Jahren zu mehr als 60 % auf inländische Komponenten zurückzugreifen. Basri konnte sich durchaus vorstellen, daß diese Marke durch Manipulation erreicht wird, etwa indem importierte Motoren in Indonesien zerlegt und danach wieder zusammengesetzt werden, damit sie als indonesisches Erzeugnis gelten /Republika, 4.3.96/.

Schon bald wurden Faisal Basris Phantasien von der Realität eingeholt. Selbstbewußt kündigte Tommy Suharto an, schon im Herbst die ersten Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, obwohl er einräumen mußte, daß sich die Montagefabrik in Cikampek, West-Java, noch im Bau befinde. Beobachter vor Ort berichteten, die Bauarbeiten befänden sich erst in der Anfangsphase, woraufhin Firmensprecher bestätigten, daß mit der Fertigstellung und somit der Produktionsaufnahme nicht vor März 1997 zu rechnen sei.

Dennoch hielt Tommy am Ziel der Markteinführung des Timor Sedan im Herbst 1996 fest. Nach dem Motto „Nichts ist unmöglich - Toyotaaa!“ hieß es zunächst, die Konkurrenten Astra, Lizenznehmer von Toyota, und Indomobil hätten auf Druck von „ganz oben“ Kapazitäten für die Montage des Timor freigemacht. Die beiden Firmen befinden sich im Besitz der Suharto-Vertrauten Prayogo Pangestu und Liem Sioe Liong. Ein Mitarbeiter von Astra, der nicht namentlich genannt werden wollte, erklärte dagegen, die japanische Mutterfirma (Toyota) habe von sich aus die Kapazität um 27 % (von 96.700 auf ca. 70.000) verringert, da mit der Markteinführung des Timor mit geringerem Absatz zu rechnen sei. Damit einhergehend wurden 1.000 Stellen bei Astra abgebaut /PIPA, 30.5.96/. Letztendlich konnten sich Astra und Indomobil der „Kooperation“ aber doch noch widersetzen, da PT TPN für die Montage pro Einheit nur ca. Rp. 500.000 (ca. DM 330,-) zu zahlen bereit war /Tempo Interaktif, 12.6.96/.

Papa verhalf seinem Sohn Tommy zu einer anderen Lösung. Mit dem Präsidialerlaß No. 42 gab Suharto „den“ Produzenten von „nationalen Autos“ die Genehmigung, im Ausland produzieren zu lassen. Aufgrund der alleinigen Anerkennung von PT TPN als Produzent des „nationalen Autos“ beschränkte sich die Regelung auf diese eine Firma. So wurden seit August bereits 10.500 „nationale Autos“ zollfrei nach Jakarta geliefert, die bei der koreanischen KIA vom Band gerollt waren /AFP, 30.11.96/. Industrieminister Tungky Ariwibowo verweigerte die Antwort auf die Frage von Journalisten, ob ein im Ausland gefertigtes Fahrzeug als „nationales Auto“ bezeichnet werden könne. „Fragen Sie mich nicht nach solchen Details. Auf jeden Fall lautet so die Entscheidung der Regierung,“ sagte Tungky.

Um wenigstens ein Stück weit den Schein zu wahren, erklärten die Behörden in Jakarta, zur Montage des Timor sollten indonesische Bauteile und Arbeitskräfte nach Seoul geschickt werden. Doch umgehend widersprach Bong Hyup Chung, Informationsattache' an der südkoreanischen Botschaft in Jakarta, diesem Ansinnen mit dem Hinweis, Großunternehmen in Korea unterlägen strengen Vorschriften, die keine Beschäftigung ausländischer ArbeitnehmerInnen zulasse /Tempo Interaktif, 12.6.96/.

Während die Konkurrenz weiterhin mit Einfuhrzöllen zwischen 100 und 200 % sowie einer Luxussteuer von 20 bis 35 % zu kämpfen hat, kann Tommy Suharto sein „nationales Auto“ - Made in Korea zum sagenhaft günstigen Preis von rund Rp. 35,7 mio (ca. DM 24.000,-) anbieten, das ist etwa die Hälfte dessen, was ein vergleichbares japanisches Modell kostet, aber immerhin noch rund doppelt soviel wie der Kaufpreis in Südkorea beträgt - ein lohnendes Geschäft /Bisnis Indonesia, 24.4.96/.

Bereits im Frühjahr nahmen die Handelsminister der EU-Staaten, der USA, Japans und Kanadas die Tommy Suhartos Firma eingeräumten Sonderkonditionen zum Anlaß, sich in seltener Einmütigkeit über Protektionismus gegenüber der ausländischen Automobilindustrie zu beschweren /Bisnis Indonesia, 24.4.96/. Im Oktober legten Japan, die EU und die USA förmlichen Protest bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein /AFP, 7.10.96/. Selbst Experten in Jakartas Regierungskreisen rechnen mit einer Verurteilung Indonesiens durch die WTO. Doch bis dahin können noch etliche Monate ins Land gehen und tausende von Timors aus Korea importiert werden.

Vor härteren Maßnahmen gegen Indonesien scheuen die Industrieländer zurück. Das aufgrund seines hohen Marktanteiles besonders schwer getroffene Japan will keinesfalls einen Handelskrieg mit Indonesien riskieren, denn Japan hätte dabei weitaus mehr zu verlieren als Indonesien. In Tokio scheint man außerdem sehr darauf bedacht zu sein, ein gemeinsames Vorgehen mit den USA und der EU zu suchen. Ein Alleingang Japans gegen Indonesien könnte dort zum erneuten Aufkeimen anti-japanischer Ressentiments führen. 1974 waren Proteste gegen den japanischen Premier Tanaka in den bislang schwersten Unruhen in Jakarta, bekanntgeworden unter dem Namen Malari, geendet.

Die 'großen drei' aus Detroit, die amerikanischen Firmen Chrysler, Ford und General Motors, legten Pläne ihr Engagement in Indonesien zu intensivieren bis auf weiteres auf Eis. /TIME International, 10.6.96/. Wolfgang Bonau, Sprecher der Rüsselsheimer Opel AG, erklärte während des kürzlichen Indonesienbesuchs von Bundeskanzler Kohl, sein Unternehmen ziehe Pläne den Opel Vectra in Bekasi vom Band rollen zu lassen ebenfalls zurück /AFP, 26.10.96/.

Der heftigste Protest gegen die neuen Privilegien für Tommy Suharto kam jedoch nicht aus Rüsselsheim oder Detroit, sondern aus der eigenen Familie. Ausgerechnet Tommys ältester Bruder, Bambang Trihatmodjo, Chef des mächtigen Bimantara-Konzerns, hatte absolut kein Einsehen für die Bevorzugung von PT TPN. Bambang erklärte, „wir erwarten, daß dieselben Vergünstigungen, die dem Timor eingeräumt werden, auch uns zugestanden werden“ /Agrakom Internet Publishing, 7.6.96/. Nach ähnlichem Muster wie PT TPN in Kooperation mit KIA den Timor vertreibt, wollte Bambang in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls in Südkorea ansässigen Autokonzern Hyundai zwei weitere „nationale Autos“ auf den Markt bringen /Kompas, 12.3.96/. Bambang erklärte, bei den beiden Fahrzeugen handele es sich um den Bimantara Nenggala - baugleich mit dem Elentra von Hyundai - und den Bimantara Cakra - baugleich mit dem Hyundai Accent. Nur auf dem heimischen Markt sollten die beiden Autos unter indonesischem Namen laufen, während Exportmodelle unter dem bekannteren Markennamen Hyundai angeboten werden sollten. Die Markteinführung sollte bereits im Juli erfolgen. Bei soviel Geschäftsgeist wollte auch Suhartos älteste Tochter, Mbak Tutut, nicht nachstehen und kündigte die gemeinsame Produktion eines „nationalen Autos“ zusammen mit Daewoo an, einem weiteren koreanischen Unternehmen. Doch die Regierung verweigerte Bambang und Tutut die Anerkennung für ihre „nationalen Autos“ und genehmigte ihnen nicht die Zollvergünstigungen, die ihr Bruder Tommy in Anspruch nehmen darf /TIME International, June 10, 1996, Agrakom Internet Publishing, 7.6.96, Bursa, 13.7.96/. Dennoch war im September zu vernehmen, daß nun auch Technologieminister Habibie an der Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells, dem Maleo, arbeitet, wobei er sich der Kooperation mit der australischen Firma Millard Design bedient /Straits Times, 25.9.96/.

Wie auch immer die Entscheidung der WTO ausfallen wird, es gilt bereits jetzt als sicher, daßder  indonesische Automarkt nicht mehr derselbe sein wird. Die konkurrierenden Autohersteller werden in einen Preiskampf gedrängt, der schon jetzt massiv die Preise purzeln läßt. So machte Bambang Trihatmodjo, ohne in den Genuß von Sondervergünstigungen gekommen zu sein, seine Ankündigung wahr, die Bimantara-Modelle Nenggala und Cakra zu günstigen Preisen auf den Markt zu bringen. Ein Cakra mit Grundausstattung kostet mit Rp. 39,9 mio nur geringfügig mehr als der Timor. Der größere Nenggala ist für Rp. 53,1 mio zu haben. Der Generaldirektor der Herstellerfirma PT Citramobil wollte keine Auskunft darüber geben, wie es möglich ist, ohne Vergünstigungen zu bekommen, mit derart geringen Preisen auf den Markt zu kommen /Republika, 24.7.96/.

Dafür gibt es nur zwei plausible Erklärungen: Entweder das Unternehmen betreibt Preisdumping oder aber die Gewinnspannen beim Verkauf von Importwagen waren bislang so überhöht, daß auch bei einem deutlichen Preisnachlaß noch mehr als genug für die Importeure übrigbleibt. <>
 
 

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