Indonesien-Information Nr. 2/1999 (West-Papua)

Nationaler Dialog: Otonomi, Merdeka oder Federalisme

Am 26. Februar trafen sich 100 Persönlichkeiten aus Irian Jaya im Präsidentenpalast in Jakarta mit Präsident Habibie und weiteren Regierungsvertretern zu einem sogenannten Nationalen Dialog. Anlaß dieser Initiative waren die blutigen Übergriffe des indonesischen Militärs bei Unabhängigkeitsdemonstrationen im Sommer 1998 wie auch das vage Versprechen Habibies, einen solchen Dialog abzuhalten.

In West-Papua hatten sich VertreterInnen von Kirchen und NGOs daraufhin zum Versöhnungsforum FORERI unter Führung von Prof. Willy Mandowen (Universität Cenderawasih) und Tom Beanal (Amungme-Stammesrat LEMASA) zusammengeschlossen. FORERI dient dazu, den Dialog mit dem Präsidenten zu organisieren. Mindestens ebenso wichtig ist es FORERI aber auch eine einheitliche Plattform für die zersplitterten Gruppen und Völker West-Papuas zu schaffen.

Nachdem immer wieder Termine für den Dialog anberaumt und verschoben worden waren und v.a. eine Diskussion darüber entbrannt war, ob denn auch das Thema Unabhängigkeit angesprochen werden dürfe, lud Präsident Habibie Mitte Februar kurzfristig für den 26.2. zu einem Gespräch ein. An dem Treffen nahmen neben den erwähnten 100 Delegierten aus West-Papua auf Regierungsseite General Wiranto, Staatsminister Akbar Tanjung und einige weitere Minister teil.

Vor der Abreise nach Jakarta spielten sich z.T. unglaubliche Vorgänge ab. So wurden die gewählten Delegierten verpflichtet, nur für die Unabhängigkeit zu sprechen. Andererseits gab es Gerüchte, Delegierte seien bestochen worden, um zu verhindern, daß sie die Unabhängigkeit zur Sprache brächten. Einige Delegierte befürchteten in Jakarta ermordet zu werden, falls sie sich für die Unabhängigkeit aussprechen würden. Doch immerhin hatten die Delegierten eine Erklärung im Gepäck, in der eindeutig die Unabhängigkeit West-Papuas gefordert wurde (s. Zöllner, Irian Jaya-Rundbrief Nr. 10, März 99).

FORERI hatte in den Monaten zuvor Umfragen durchgeführt, bei denen sich die Papuas entscheiden sollten, ob sie eine Autonomie, die Unabhängigkeit oder ein föderalistisches System als künftigen politischen Status bevorzugten. Das Ergebnis der Umfrage erbrachte mit ca. 90% der Stimmen eine deutliche Mehrheit für die Option der Unabhängigkeit (vgl. Indonesien-Information, Nr. 2-3, 1998). Folglich forderten die Delegierten in ihrer Erklärung die Loslösung West-Papuas von Indonesien und die Einrichtung einer Übergangsregierung unter Aufsicht der UN. Wenn das Problem nicht unmittelbar gelöst werden könne, so sollten Verhandlungen zwischen den UN, Indonesien und den Völkern West-Papuas einberufen werden. Die Vertreter West-Papuas erklärten ferner, daß sie, soweit sich keine Lösung abzeichnen würde, nicht an den Parlamentswahlen im Juni teilnehmen würden. In der Hoffnung auf Unterstützung wurde eine entsprechende Erklärung weltweit an 23 Regierungen und internationale Organisationen verschickt /Political Statement of the People of West Papua to the Government of Indonesia, Jakarta, 26.2.99/.

Erwartungsgemäß fand Habibie keine angemessene Antwort auf die unverblümte Forderung nach Unabhängigkeit und empfahl den Delegierten, das Problem zu Hause noch einmal genau zu überdenken. Die Vertreter der Regierung in Jakarta waren über die Deutlichkeit, mit der die Forderung vorgebracht wurde verblüfft, besonders weil Regierung und Militär bereits im Vorfeld des Dialoges verhindert hatten, daß radikale Verfechter der Unabhängigkeit wie Theis Eluay oder Rev. Karel Phil Erari an dem Treffen teilnehmen konnten /The Independent, 19.3.99/. Theis Eluay war sogar wegen "Separatismus" angeklagt und unter Hausarrest gestellt worden.

Bei ihrer Rückkehr nach West-Papua waren die Delegierten Ziel von Attacken verschiedener Seiten. Um den 9. März herum wurden Fenster von Häusern und Autos einiger Delegierter zerstört. Sie erhielten Zettel mit der Aufschrift: "Ihr denkt wohl, was Ihr tut, ist das beste für das Volk von Papua" oder: "Warum habt Ihr uns nicht zu dem Dialog eingeladen? Ihr denkt wohl, Ihr könnt selbst die Führer der OPM werden." /amnesty international, 9.3.99/

Polizei und Militär griffen hingegen die "Poskos" an, Anlaufstellen, die FORERI eingerichtet hatte, um die Bevölkerung über die Ergebnisse des Dialoges zu informieren. Am 30. April meldete die Menschenrechtsorganisation Tapol, daß 50 Angehörige der Mobilen Brigade (Brimob) sowie 80 Soldaten des Strategischen Kommandos der Armee, KOSTRAD, in Angkalsera, Serui, Dutzende von Poskos geschlossen habe. Es ist zu vermuten, daß diese Anlaufstellen auch in anderen Teilen West-Papuas geschlossen werden mußten /tapol, 30.4.99/.

Bereits Tage zuvor war bekannt geworden, daß der Polizeichef von Irian Jaya, Hotman Siagian, angeordnet hatte, alle Aktivitäten zu verhindern, die geeignet erschienen, die Ergebnisse des "Dialoges" vom 26. Februar unters Volk zu bringen. Der Direktor der Menschenrechtsorganisation IHRSTAD, John Rumbiak, befürchtet, daß diese Beschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit angesichts der angespannten Lage nur eine Strategie sei, um neue blutige Zwischenfälle zu provozieren. Auch Herman Awom von der Evangelischen Kirche in Irian Jaya machte für die nun zu befürchtenden Unruhen den Polizeichef verantwortlich /AFP, 23.4.99/.

Während das Militär in West-Papua wie in anderen Provinzen insgeheim Unruhen schürte, um nach außen hin seine Anwesenheit rechtfertigen zu können, besorgt sich die Zentralregierung in Jakarta in erster Linie um die Gefahr des Auseinanderfallens Indonesiens. Einmütig versichern Regierung und Militär immer wieder, separatistischen Ambitionen entschieden entgegenzutreten. Im Mai erklärte Präsident Habibie gegenüber dem Kabinett, mit seiner Ende Februar an die 100 Delegierten aus West-Papua gegebenen ausweichenden Antwort habe er deutlich zu machen versucht, daß eine Unabhängigkeit nicht möglich sei und die Regierung separatistische Bewegungen nicht tolerieren würde /Jakarta Post, 4.5.99/. Armeechef Wiranto erteilte derweil auch einer föderalistischen Struktur Indonesiens eine Absage, weil sie dem Auseinanderbrechen Indonesiens Vorschub leisten würde /Reuters, 2.5.99/.

Sollten dem Nationale Dialog keine positiveren Schritte folgen, muß mit einem Anstieg der Gewalt in West-Papua gerechnet werden. Welche Lösung auch immer zur Beilegung des Konfliktes erwogen wird, der Erfolg wird davon abhängen, ob diese Lösung den Völkern West-Papuas vermittelbar ist oder nicht. Intellektuelle wie Agus Rumansara, Direktor des WWF in West-Papua, halten beispielsweise die Option eines föderalistischen Systems für einen tragbaren Kompromiß, befürchten aber, diese Option besitze nicht genug Akzeptanz in der Bevölkerung. Zunächst käme es darauf an, internationale Aufmerksamkeit zu erlangen und sich innerhalb West-Papuas untereinander einig zu werden, meint Isak Windesi, einer von 10 Personen, die zur Zeit wegen der Flaggenhissungen im vergangenen Juli vor Gericht stehen /Christian Science Monitor, 2.4.99/. In Jakarta demonstrierten Anfang Mai ca. 60 Papuas für die Unabhängigkeit und kündigten den Boykott der bevorstehenden indonesischen Wahlen an /Reuters, 6.5.99/. In der Stadt Fakfak, Irian Jaya, wurden zur gleichen Zeit 74 Personen verhaftet, die verdächtigt waren, die Ausrufung eines unabhängigen Staates West-Papua zu planen /AFP, 6.5.99/.

Mitten hinein in die Diskussion um die politische Zukunft West-Papuas und kurz vor den indonesischen Wahlen wurde nach einer Kabinettssitzung im April ein bereits seit 1984 existierender Plan zur Neuaufteilung der Provinz Irian Jaya bzw. der Territorialkommandos des Militärs (KODAM) erneut auf den Tisch gebracht. Das KODAM Trikora umfaßt bislang die Regionen Irian Jaya und Maluku.. Der Plan sieht die Aufteilung dieses Kommandos in zwei getrennte Einheiten sowie die Unterteilung Irian Jayas in drei neue Provinzen vor, gab das Koordiniationsministerium für Sicherheit und Politische Angelegenheiten unter Minister Feisal Tanjung bekannt /AFP, 23.4.99/.

Wenige Tage später modifizierte Innenminister Syarwan Hamid, der zur Zeit der Sitzung nicht in Jakarta gewesen war, die Ankündigung. Vor den Wahlen seien die Pläne unmöglich zu realisieren. Dazu müßten noch eine Reihe von Gesetzen erlassen werden und so schnell gehe das alles sowieso nicht. Es sei unmöglich, so kurz vor den Wahlen derart weitreichende administrative Neuerungen einzuführen, meinte auch Ryaas Rasyid, Direktor für Öffentliche Verwaltung und Regionale Autonomie im Innenministerium. Der Politikwissenschaftler Mappa Nasrun kritisierte Habibie und seine Regierung wegen ihrer Versuche, aus dem Plan zur Schaffung neuer Provinzen politische Vorteile zu ziehen. Grundsätzlich spreche aber nichts gegen die Realisierung des Planes zu einem späteren Zeitpunkt /Jakarta Post, 27.4.99/.

Einhellig sprachen sich Vertreter der Papuas, darunter Studierende, Parlamentarier und ehemalige Offiziere, in West-Papua selbst wie in Jakarta ausdrücklich gegen eine Neuaufteilung des Gebietes aus /Indonesian Observer, 29.4.99; Cenderawasih Pos, 5.5.99/. <>

 
 
Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage