Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Menschenrechte)

Politische Gefangene entlassen

Seit Mai 1998 entließ die Regierung Habibie in mehreren Wellen bereits 180 politische Gefangene in die Freiheit. Ende März wurden nun auch die seit Jahrzehnten inhaftierten Gefangenen der ehemaligen Kommunistischen Partei (PKI) entlassen.

Mit mehreren Freilassungswellen politischer Gefangener versuchte die Regierung Habibie seit ihrer Machtübernahme vor einem Jahr, ihren Reformwillen zu unterstreichen. Doch trotz dieser zweifelsohne begrüßenswerten Schritte blieben Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Reformwillens bestehen, denn bis vor kurzem war niemals davon die Rede, auch die Langzeitgefangenen der ehemaligen Kommunistischen Partei (PKI) zu entlassen. Die PKI diente der "Neuen Ordnung" unter Suharto gleichermaßen als Schreckgespenst mit der jegliche Art von regierungs- - und damit staatsfeindlichen - Tendenzen mundtot gemacht werden konnten, wie auch als Rechtfertigung des eigenen Machtanspruchs. Die Legende der "Neuen Ordnung" besagte, daß Suharto am 30. September 1965 einen Putschversuch der PKI abwehrte und damit das Land vor dem sicheren Untergang bewahrte. 32 Jahre lang diente diese Legende als Begründung für das mit Hilfe des Militärs regierende autoritäre Suharto-Regime.

Präsident Habibie versuchte von Anfang an, sich als Reformer zu profilieren, um so den allgemeinen Erwartungen in den politischen Wechsel gerecht zu werden. Andererseits sieht er sich den alten Mächten der "Neuen Ordnung" verpflichtet, so weit irgend möglich den Status Quo zu bewahren. Immerhin wurde er nicht vom Volk gewählt, sondern von Suharto persönlich als dessen Nachfolger im Präsidentenamt bestimmt, und ohne die Kooperationsbereitschaft des Militärs könnte sich Habibie wohl keinen Tag länger in diesem Amt halten. Aus dieser Situation heraus ist es schwierig, die Grundfesten des Systems dadurch zu erschüttern, die Rolle der PKI 1965 in Frage zu stellen. Die Freilassung der PKI-Gefangenen drohte nicht nur als stilles Eingeständnis alter Fehler gewertet zu werden, sondern darüber hinaus bestand auch noch die Gefahr, daß diese Gefangenen die wahren Umstände des angeblichen Putsches 1965 ans Tageslicht brächten.

Besondere Gefahr drohte von Abdul Latief (73), einem eheamligen hohen Militär, der jahrelang als einer der Hauptschuldigen des vermeintlichen Putsches von 1965 dargestellt wurde. Regierungskritiker und Historiker erhofften sich, Abdul Latief könnte maßgeblich dazu beitragen, die Rolle Suhartos bei diesem "Putsch" aufzuklären, wenn er erst einmal in Freiheit sei. Schon aus der Gefangenschaft heraus war das ein oder andere bemerkenswerte Detail aus der Erinnerung Abdul Latiefs bekannt geworden.

Ende März schließlich verkündete Justizminister Muladi dennoch die Freilassung einer Reihe politischer Gefangener. Neben zwei wegen eines Bombenattentates auf den Borobudur-Tempel in Mittel-Java Verurteilten und 40 Gefangenen aus Aceh sollten auch die zehn letzten verbliebenen PKI-Gefangenen entlassen werden /Kompas, 24.3.99/. Sie hatten ihr halbes Leben in Gefangenschaft verbracht, vier von ihnen, Bungkus, Marsudi bin Marzuki, Asep Suryaman und Abdul Latief in Todeszellen. Nur die Todesstrafe gegen letztgenannten war vor einigen Jahren in lebenslängliche Haft umgewandelt worden. Angesichts ihres hohen Alters und ihres teilweise äußerst schlechten Gesundheitszustandes begründete Muladi die Begnadigung mit humanitären Motiven und der "guten Führung" der Gefangenen. Er verband damit auch die Hoffnung, einen Beitrag zur "nationalen Versöhnung" zu leisten. /AFP, 24.3.99/

Ebenfalls begnadigt werden sollten einige politische Gefangene der Volksdemokratischen Partei (PRD), die 1996 zum Staatsfeind Nummer Eins erklärt worden war. Die PRD-Gefangenen lehnten es jedoch ab, begnadigt zu werden, da sie keinerlei Verbrechen begangen hätten. Sie widersetzten sich der Freilassung und beharren weiter auf einer Annulierung der gegen sie gefällten Urteile und der bedingungslosen Freilassung sämtlicher politischer Gefangenen. Die Regierung zeigt sich jedoch bislang nicht gewillt, dieser Forderung nachzukommen.

Der Vorsitzende der PRD, Budiman Sudjatmiko, sitzt eine 13jährige Haftstrafe wegen Subversion ab. Die Gewerkschafterin Dita Sari, die ebenfalls der PRD angehört, wurde zu sechs Jahren verurteilt. Neben ihnen befinden sich noch sechs weitere führende Mitglieder der PRD in Haft /Kompas, 24.3.99/, obwohl die Partei inzwischen sogar offiziell zu den Wahlen am 7. Juni zugelassen wurde. So ist die PRD vielleicht weltweit die einzige Partei, die ungehindert zu Wahlen antritt, während ihre SpitzenkandidatInnen als politische Gefangene im Knast sitzen.

Die Weigerung der PRD-Gefangenen eine Begnadigung anzunehmen ist mehr als das sture Beharren auf Prinzipien. Dita Sari machte deutlich, daß ihre Freilassung an die Bedingung geknüft wäre, sich in Zukunft nicht mehr politisch zu betätigen. Welche weiteren Druckmittel auf die Gefangenen ausgeübt werden, läßt sich nur schwer erahnen. Nur soviel steht fest: Weder Abdul Latief noch andere ehemalige PKI-Gefangene haben in den zwei Monaten seit ihrer Freilassung auch nur andeutungsweise die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, das geklitterte Bild der jüngeren Geschichte Indonesiens ins rechte Licht zu rücken. <>

   
 

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