Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Demokratie)

Anmerkungen zur Beobachtung der Wahlen in Deutschland

Der folgende Beitrag wurde uns vom Unabhängigen Wahlbeobachtungskomittee (KIPP) Deutschland zur Verfügung gestellt.

Die Wahlleitungskomittees (PPLN)

Für die Durchführung der kommenden Wahlen ist der nationale Wahlausschuß KPU (Komisi Pemilihan Umum) zuständig, der sich erst am 17. März ein Organisations- und Arbeitsstruktur formulieren konnte. Der nationale Wahlausschuß KPU wurde entsprechend den gesetzlichen Vorgaben vom Präsidenten in seiner Eigenschaft als Mandatsträger der Beratenden Volksversammlung MPR einberufen. Im Wahlausschuß sitzen 5 von der Regierung berufene Delegierte (nicht unbedingt Regierungsbeamte) sowie Vertreter der 48 für die kommenden Wahlen zugelassenen Parteien. Laut Gesetz haben die 5 Regierungsvertreter ebensoviele Stimmen wie die 48 Parteien.

Zwar sollen gemäß des Wahlgesetzes die Beschlüsse des natioanlen Wahlausschusses nach demokratischen Prinzipien erfolgen, aber zum Vorsitzenden des Ausschusses wurde ein Regierungsvertreter, der ehemalige Innenminister General Rudini, bestimmt.

Die organisatorische Struktur des Wahlausschusses besteht aus Vorsitz, stv. Vorsitz, Sekretariat, Kassierer und Mitgliedern. Zwar ist der Wahlausschuß laut Gesetz von der Regierung unabhängig, aber dennoch ist das Sekretariat als administrativer Teil des Ausschusses direkt dem Präsidenten - in diesem Falle in seiner Eigenschaft als Regierungschef - unterstellt.

Der nationale Wahlausschuß hat die Aufgabe alle zu den Wahlen notwendigen Maßnahmen demokratisch zu beschließen. Eine erste Maßnahme war zum Beispiel die Festlegung der Wahlphasen: Vorbereitungsphase zwischen 2. Februar bis 31. März, Wählerregistrierung (5. April bis 4. Mai), Stimmabgabe und Stimmenauszählung (7. Juni bis 21. Juni) und Bekanntgabe des Wahlergebnisses (28. Juni bis 8. Juli). Diese Vorschriften wurden leider erst am 31. März erlassen.

Da die Wahlen gleichzeitig auf allen administrativen Ebenen stattfinden werden (Wahl des nationalen Parlaments DPR, der regionalen Parlamente DPRD I und der kommunalen Parlamente DPRD II), mußte der nationale Wahlausschuß KPU ein nationales Wahlleitungskomittee PPI (Panitia Pemilihan Indonesia) ins Leben rufen, dessen Gründung erst am 17. März stattgefunden hat. Aufgabe der nationalen Wahlleitung ist es wiederum, die regionalen Wahlleitungen (Panitia Pemilihan Daerah I) zu gründen. Entsprechend folgt dann die Gründung der kommunalen Wahlleitungskomitees (Panitia Pemilihan Daerah II) durch die regionalen Wahlleitungen. Und schließlich gründen die kommunalen Wahlleitungen dann die Bezirkswahlleiter (Panitia Pemilihan Kecamatan).

Die Schwierigkeiten bei der Durchführung der Wahlen soll im folgenden am Beispiel der Wahl für die in Deutschland lebenden Indonesier gezeigt werden.

Das im Ausland für die Durchführung der Wahlen zuständige Organ ist das Wahlleitungskomittee im Ausland (Panitia Pemilihan Luar Negeri, PPLN), ein über das Außenministerium in Verbindung stehender Ableger des Wahlleitungskomittees in Indonesien (Panitia Pemilihan Indonesia, PPI). Auf Grundlage von Paragraph 35, Abs. 2, des Gesetzes Nr. 3/1999 über die Allgemeinen Wahlen (im folgenden kurz Wahlgesetz genannt), hat das PPLN seinen Sitz in den diplomatischen Vetretungen Indonesiens im Ausland. In Deutschland gibt es somit drei PPLNs, nämlich eines mit Sitz in der Botschaft in Bonn sowie zwei weitere in den Generalkonsulaten in Hamburg und Berlin.

Laut Durchführungsverordnung Nr. 11/1999 der Wahlkommission ist die Einberufung der Wahlleitungskomittees Teil der Vorbereitung zur Durchführung der Wahl, für die der Zeitraum vom 2. Februar bis 31. März 1999 festgelegt wurde. Die für die Einberufung zuständige nationale Wahlleitung (PPI) erließ aber erst zwei Tage vor Ablauf dieses Zeitraumes eine Anordnung zur Bildung dieser Komittees. Dieser Erlaß mußte noch vom Außenministerium abgesegnet werden, was weitere zwei Tage in Anspruch nahm. Somit traf der Erlaß erst am 31. März in den diplomatischen Vertretungen im Ausland ein. Mit anderen Worten erfüllte die nationale Wahlleitung die Anordnung des Wahlkomittees exakt am selben Tag, an dem die offizielle Vorbereitungsphase bereits abgelaufen war.

Daraus resultierend konnte die Wahlleitung in Bonn erst am 7. April ins Leben gerufen werden. Berlin folgte einen Tag später. Ziemlich "verschlafen" reagierte Hamburg, wo das PPLN erst am 17. April gegründet wurde. Das bedeutet, die Wahlleitungskomittees in Deutschland müssen sich sputen, um diese Verspätung wieder wettzumachen und die weiteren Stationen des verbindlich festgelegten Zeitplanes einhalten zu können. Bekanntermaßen reichte der Zeitrahmen für die Wählerregistrierung vom 5. bis zum 18. April 1999. Aber wie konnte diese Frist eingehalten werden, wenn in Hamburg erst einen Tag zuvor die Wahlleitung einberufen wurde?

Die einzelnen Schritte im Zeitraum vom 5. April bis zum 4. Mai waren in der Verordnung des Wahlausschusses klar festgelegt. Die Wählerregistrierung sollte vom 5.-18. April dauern, woraufhin zwischen dem 19. und dem 24. April die vorläufigen Wählerverzeichnisse zusammengestellt und veröffentlicht werden sollten. Zwischen 24. und 26. April war die Möglichkeit vorgesehen Einspruch gegen das vorläufige Wählerverzeichnis zu erheben, gefolgt von der Zusammenstellung und Auslegung des endgültigen Wählerverzeichnisses. Nachzügler sollten vom 30. April bis zum 4. Mai eine allerletzte Gelegenheit erhalten, sich registrieren zu lassen. Das Verzeichnis der Nachzügler sollte zwischen 5.-7. Mai zusammengestellt und bekanntgegeben werden.

Tatsächlich geschah aber folgendes: Die PPLN-Komittees in Bonn, Berlin und Hamburg übertrugen die Namen der registrierten Wähler direkt ins endgültige Wählerverzeichnis. Die Erstellung eines vorläufigen Wählerverzeichnisses, das als Kontrolle gegen Doppelregistrierungen u. dgl. gedacht war, wurde einfach übersprungen. Die Verkürzung der Prozedur stellt eine Benachteiligung derjenigen Wähler dar, die nicht am selben Ort wohnen, an dem die PPLNs ihren Sitz haben.

Der Zuständigkeitsbereich des PPLN in Bonn umfaßt die Bundesländer Bayern, Saarland, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Das PPLN in Hamburg ist zuständig für Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg. Die Zuständigkeit für Berlin und die neuen Bundesländer liegt beim PPLN Berlin.

Man muß sich die Größe dieser Zuständigkeitsbereiche vor Augen halten, um das Problem zu verstehen. Wähler aus München müssen sich im fast 600 km entfernten Bonn registrieren lassen. Die vielen in Braunschweig studierenden Landsleute müssen ca. 200 km reisen, um sich in Hamburg eintragen zu lassen. Etwas glücklicher erwischt haben es die vier an der Uni Halle eingeschriebenen Studenten, die etwas weniger als 200 km nach Berlin reisen müssen.

Die Zusammensetzung der Wahlleitungskomittees

Was die Einberufung der Wahlleitungskomittees in Deutschland angeht, verdient sicher Berlin eine gesonderte Bemerkung. Die Nationale Mandatspartei (Partai Amanat Nasional, PAN) ist diejenige, die von Anfang an am besten das Wahlgesetz reflektierte. Diese Partei war die erste, die Kontakt mit der Vertretung der Republik Indonesien in der deutschen Hauptstadt aufnahm.

Die indonesische Vertretung verhielt sich abwartend, weil sie noch keine Anweisung von oben bekommen hatte. Zusammen mit der Partai Keadilan in Berlin, der Studentenorganisation PPI und dem Indonesischen Diskussionsforum Berlin lud schließlich PAN alle in Berlin vertretenen Organisationen - einschließlich des Konsulates - ein, um ein unabhängiges Team zur Wahlbeobachtung ins Leben zu rufen.

Als dieses Treffen dann schließlich am 3. April 1999 stattfand, gab ein Vertreter des Konsulates bekannt, daß der lange erwartete Erlaß aus Jakarta inzwischen eingegangen sei. Folglich wurden alle gesellschaftlichen Organisationen und politischen Parteien für den 8. April eingeladen, um eine lokale Wahlleitung zu gründen. Die Initiatoren des Treffens vom 3. April, PAN, Partai Keadilan, PPI und Forum Diskusi, die ursprünglich ein Wahlbeobachtungsteam gründen wollten, kamen überein, stattdessen eine Schatten-Wahlleitung ins Leben zu rufen. Vorsitz und Sekretariat wurden demokratisch gewählt. Beim Treffen im Konsulat am 8. April wurde diese Schatten-Wahlleitung dann ohne viel Aufhebens schließlich zur offiziellen Wahlleitung erhoben.

Vergleicht man die Zahl der Vorsitzenden, stv. Vorsitzenden, Sekretäre und Mitglieder mit den gesetzlichen Vorschriften, so erfüllen die Wahlleitungen in Bonn und Hamburg die Vorgaben des KPU. D.h. neben den drei Funktionären gibt es maximal fünf weitere Mitglieder. In Berlin gibt es dagegen neben den drei Funktionären gleich zehn weitere Mitglieder - ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften. Die nationale Wahlleitung PPI erließ jedoch am 29. März ein Schreiben, demzufolge die Zahl der Mitglieder der Wahlleitungen im Ausland einschließlich der Vorsitzenden, deren Stellvertreter und des Sekretärs, mindestens sechs Leute umfassen soll. Was also die Zahl der Mitglieder anbelangt, erfüllen die Wahlleitungen in Bonn und Hamburg die Vorgaben des Wahlausschusses KPU, während sich Berlin an die Vorgaben der nationalen Wahlleitung PPI hält.

Die Kontrollorgane

Im Wahlgesetz ist die Rede von Organen zur Überwachung der Durchführung der Wahlen, die im Ausland Panwaslu (Panitia Pengawas Luar Negeri) genannt werden. Ein solches Überwachungskomittee (Panwaslu) gibt es bislang in Bonn, nicht aber in Berlin. Obgleich dieses Organ im Wahlgesetz erwähnt wird, mangelt es an klaren gesetzlichen Bestimmungen zur Umsetzung.

Das Panwaslu in Bonn ist mit Leuten aus dem Volk besetzt, Vertreter der Regierung wurden von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Chaotisch ist die Situation in Hamburg. Da die Wahlleitung in Hamburg gebildet wurde, bevor überhaupt ein entsprechender Erlaß des PPI bzw. des Außenministeriums eingegangen war, mußte die dortige Wahlleitung nach Erhalt dieses Schreibens aufgelöst und neugegründet werden, um die maximal zulässige Zahl von Mitgliedern nicht zu überschreiten. Die Leidtragenden waren natürlich diejenigen, die nun vor die Tür gesetzt wurden. Sie verließen das Gremium nur widerwillig. Um ihnen den Abgang zu erleichtern wurde ihnen schließlich das Kompromißangebot unterbreitet, sie zu Mitgliedern des Kontrollorgans Panwaslu zu ernennen, was dann auch geschah.

Die Sitzverteilung zwischen den Parteien

Interessant ist natürlich die Zusammensetzung der Wahlleitungen. Offiziell als politische Parteien bei den diplomatischen Vertretungen Indonesiens in Deutschland registriert sind nur die Gerechtigkeitspartei (Partai Keadilan) und PAN. Die schwerfällige Partei PUDI, die in Berlin bereits seit 1996 existiert, ist zwar zu den Wahlen aufgestellt, gleicht aber weiterhin einem Stern am Firmament, da sie es bislang nicht geschafft hat, sich offiziell registrieren zu lassen. Erstaunlich ist auch das Schicksal von Golkar, die Partei, die es bei früheren Wahlen in Berlin locker auf 75% der Stimmen gebracht hat. Jetzt scheint Golkar wie vom Erdboden verschwunden zu sein.

Die Sitzverteilung zwischen den beiden registrierten Parteien ist nicht überall gleich. Die Gerechtigkeitspartei ist in allen drei Städten registriert, aber PAN nur in Berlin und Hamburg. Das bedeutet, daß in der Wahlleitung in Bonn nur eine einzige Partei vertreten ist.

Interessant ist natürlich die Verteilung der Posten der Vorsitzenden, Sekretäre und Mitglieder, die laut Wahlgesetz an Vertreter der politischen Parteien und/oder Vertretern der Gesellschaft vergeben werden müssen. Die Besetzung des Postens des stv. Vorsitzenden in der Wahlleitung steht der Regierung zu.

Die Posten der Vorsitzenden wurden in Bonn und Berlin von Parteienvertretern besetzt. In Hamburg ging der Vorsitz jedoch an eine unabhängige Person, obwohl es dort sowohl PAN als auch Partai Keadilan gibt. Letztere begnügt sich dort mit einem einfachen Mitgliedsposten. Richtiggehend "postengierig" waren die Parteien dagegen in Berlin. Neben den Posten des Vorsitzenden und des Sekretärs wollten sie auch noch unter den Mitgliedern vertreten sein. Somit haben die Parteien nun in diesem Gremium ein stimmenmäßiges Übergewicht - keine gute Voraussetzung für eine wirklich demokratische Wahl.

Im Vergleich zu den PPLNs in Bonn und Hamburg spiegelt die Zusammensetzung des Gremiums in Berlin am deutlichsten die politische Landkarte wider. Von den 13 Mitgliedern gehören vier islamisch-orientierten Organisationen (zwei von Partai Keadilan, einer von PPME und einer von ICMI) an. Vier weitere gehören der Regierung oder regierungsnahen Organisationen (stv. Vorsitzender vom Konsulat und je ein Mitglied von Gema Citra Persada, Dharma Wanita und KORPRI) an. Ein Mitglied vertritt die Katholiken (und gleichzeitig die ethnischen Chinesen), zwei das nationale Lager (PAN) und zwei Mitglieder repräsentieren unabhängige Organisationen (die Studentenvereinigung PPI und das Forum Diskusi).

Von der regionalen Herkunft her zeigt die Zusammensetzung des PPLN in Bonn die breiteste Streuung. Hier sitzen Mitglieder so unterschiedlicher Herkunft wie Nürnberg, Freiburg, Köln und Aachen. Berlin und Hamburg sind dagegen fest in der Hand der lokalen "Platzhirsche".

Im PPLN in Berlin ist sicher am ehesten die gesamte indonesische Gesellschaft repräsentiert. Die Tatsache, daß die Allianz der Unabhängigen Jugend (Aliansi Pemuda/i Independen, APII) hier nicht vertreten ist, ist von APII selbst verschuldet, denn die Möglichkeit einen Vertreter in das Gremium zu entsenden bestand durchaus. Nur in Berlin ist auch eine Frau Mitglied des PPLN.

Besonders kritisch ist die Besetzung der Posten für den Vorsitz und den Sekretär mit Vertretern der politischen Parteien zu bewerten. Nach Paragraph 35 des Wahlgesetzes wird die Besetzung dieser Posten von der örtlichen konsularischen Vertretung bestimmt. Den Parteien steht zwar das Recht zu bei der Vergabe dieser Posten angemessen berücksichtigt zu werden, aber das Wahlgesetz sagt auch, daß die jeweiligen Vertreter von ihrer Parteiführung in Jakarta vorgeschlagen werden müssen. Die Konsulate oder Botschaften haben das Recht, diese Vorschläge abzulehnen. Die Besetzung der Posten in Berlin erfolgte jedoch nicht in Einklang mit diesen Vorschriften. Ein Vorschlag der Parteiführungen in Jakarta lag niemals vor.

Im vorliegenden Fall lassen die Vertreter der Konsulate bzw. der Botschaft Umsicht gegenüber der hier lebenden Bevölkerung walten. Dies steht in scharfem Gegensatz zu früheren unter Zwang durchgeführten Wahlen.

Allgemein läßt sich sagen, obwohl Verstöße und Übertretungen des Wahlgesetzes vorkommen, gibt es keinen Protest von seiten der Bevölkerung. Ganz demokratisch sah man sich verpflichtet, alle bislang getroffenen Entscheidungen hinzunehmen. <>

 
 
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